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„Merkst du etwas?” fragte ich den neben mir stehenden Ma-nauri.

„Ich wüßte nicht, was!”

„Heute dient ihnen die Trommel als Mitteilungsinstrument für ihre Leute.”

„Was können wir tun?”

„Noch ist es nicht an der Zeit, ihnen die Maske vom Gesicht zu reißen.” „Und wenn sie etwas Wichtiges verraten?”

Es war Arasybo, unser neuerkorener Zauberer, der uns zu Hilfe kam. Bereits gestern hatte er unweit der Behausungen der Gäste eine Stange in den Boden gerammt und den Jaguarschädel darauf befestigt. Die eine Augenhöhle starrte genau in die Richtung der Akawois. Heute tat er das gleiche. Als die Krieger ihren Tanz anfingen und Bewegungen vollführten, die Beschwörungen darstellen konnten, begann auch er sofort zu tanzen, um die fremden Zauber zu verderben. Dabei sprang er jeden Augenblick zu seiner Trommel und schlug sie leicht an.

Ich schickte Wagura zu Arasybo und ließ ihn bitten, ununterbrochen seine Trommel zu schlagen, um die Signale der Akawois zu übertönen. Er kam meiner Bitte sofort nach, und schon erzitterte die Luft vom verwirrenden Dröhnen beider Trommeln.

Nach einem kurzen, gewaltigen Regenguß senkte sich still und friedlich der Abend herab. Wir beschlossen, Fujudi an unserer nächtlichen Fahrt teilnehmen zu lassen. Mit Absicht wählten wir für das Unternehmen kleine Boote aus, die höchstens acht Männer faßten. Obgleich wir nur auf Erkundung fahren wollten, befahl ich den Kriegern, alle Waffen mitzunehmen, um für den Fall eines Überfalls auf Kumaka gerüstet zu sein.

Bevor wir auf brachen, brachte Lasana ein Öl gegen die Mücken und rieb mir den ganzen Körper damit ein. Als die Nacht herein-gebrochen war, überzeugten wir uns, daß die acht Akawois in ihren Hütten weilten, und stießen dann vom Ufer ab.

Ohne Zwischenfall erreichten wir die Enge und suchten unsere Standplätze auf, ich mit meiner Itauba bei der Mündung in den See, Arnak an der Ausfahrt zum Fluß. Wolken zogen am Himmel dahin, der Mond würde erst in der zweiten Nachthälfte aufgehen. Es war finster, geräuschvoll und leider ein wenig diesig. Ein feiner Nebel hing über dem Wasser. Es begann die große Geduldsprobe, die Zeit des Wartens. Zu Tausenden schwärmten die Mücken um unsere Körper und stachen vor allem mich, trotz der Salbe. Wie betäubt gaukelten Nachtfalter durch die schwüle Finsternis und streiften alle Augenblicke unsere Körper. Bösartige Insekten oder Ungeziefer setzten sich in den Haaren fest. Dabei durfte man keinen Laut von sich geben, mußte geduldig warten und leiden, jedes Geräusch aus dem Dunkel erfassen und mit den Augen den Dunstschleier zu durchdringen versuchen. Zum Glück wurde der Nebel nicht dichter.

Wir hatten damit gerechnet, daß die Akawois, wenn sie überhaupt beabsichtigten, in dieser Nacht wiederzukommen, vor dem Aufgehen des Mondes erscheinen würden — und unsere Rechnung ging auf.

Gegen Mitternacht vernahmen unsere gespannt lauschenden Ohren ein Geräusch; es klang wie vorsichtiges Eintauchen von Rudern. Gleich darauf schob sich ein dunkler Schatten aus dem Nebelschleier in der Enge. Er bewegte sich langsam auf den See zu. Erleichtert und freudig erregt atmeten wir auf. Das waren sie! Als sie an uns vorüberglitten, konnten wir fünf oder sechs geduckte Gastalten unterscheiden. Vergebens warteten wir, ob noch andere nachkämen. Die Akawois waren nur mit dem einen Boot ausgefahren.

Kaum waren sie vorbei, so erklomm einer meiner Krieger das Ufer, um nach Kumaka zu eilen und dort die Nachricht von der nahenden Gefahr zu überbringen.

Ungefähr nach einer halben Stunde wurde in der Siedlung Lärm geschlagen: Die Diebe waren entdeckt.

„Alles läuft wie am Schnürchen”, raunte ich den Gefährten zu. „Nach unserem Plan müßten sie, wenn sie aus Leibeskräften rudern, gleich wieder bei uns auftauchen.”

Ich hatte mich nicht geirrt. Nach wenigen Minuten schoß das Boot vorbei. Die Insassen handhabten die Ruder mit größter Hast, wahrscheinlich fürchteten sie, verfolgt zu werden. Als sie sich sechzig oder siebzig Schritt entfernt hatten und gerade noch zu erkennen waren, stießen wir ab.

„Jetzt zeigt, was eure Augen wert sind!” ermahnte ich die Indianer leise.

Kurz darauf lag die breite, etwas hellere Wasserfläche des Flusses vor uns. Das Boot der Akawois war nun besser auszumachen, und von rechts schob sich Amaks Itauba in unser Blickfeld. Jetzt konnten uns die fremden Indianer nicht mehr entgehen.

„Wir dürfen ihnen nicht zu nahe kommen”, warnte ich meine Ruderer. „Es wäre gegen unseren Plan, wenn sie uns bemerken würden.”

Kaum hatten die Akawois die Enge hinter sich gelassen, als sie sofort der Flußmitte zustrebten. Wir folgten. Unser Boot hielt ständig den gleichen Abstand zu ihnen, so daß wir den vor uns hingleitenden dunklen Bootskörper gerade noch erkennen konnten. Ich hatte ausgezeichnete Ruderer, die sich geschickt anstellten.

Eine gute Meile fuhren die Akawois in der Mitte des Stromes flußaufwärts, dann näherten sie sich dem gegenüberliegenden Ufer. Dort ragte eine Landspitze in den Fluß hinein. Sie steuerten darauf zu. Als sie auf gleicher Höhe mit ihr waren, machten sie eine scharfe Wendung nach rechts und ruderten ans Ufer.

„Sie wollen anlegen”, äußerte Fujudi.

„Hinter jenem Vorsprung liegt ein ähnlicher See wie unser Potaro”, erklärte einer der Ruderer.

Als wir um die Landzunge bogen, erblickten wir tatsächlich einen hell schimmernden Durchbruch, der sich deutlich von der schwarzen Wand des Urwalds abhob. Der Fluß bildete hier eine kleine Bucht, hinter der sich ein See ausbreitete. In diese Bucht lenkten die Akawois ihr Boot.

Sie waren nur noch einige Dutzend Schritt vom Ufer entfernt, als sich etwas Unvorhergesehenes ereignete. Irgend etwas mußte ihrem Boot im Wege sein, denn sie ruderten plötzlich mit aller Kraft rückwärts. Wir bemerkten dies zu spät, und unsere Itauba, die immer noch in der alten Richtung weiterfuhr, geriet in gefährliche Nähe des feindlichen Bootes.

Inzwischen hatte ich begriffen, was geschehen war. Die Akawois waren auf einen großen Baum aufgefahren, der in der Strömung trieb; nun fuhren sie zurück, um sich von dem Astwerk zu befreien.

In diesem Augenblick erscholl ein gedämpfter Warnruf vor uns. Wir waren entdeckt! Fast gleichzeitig erhielt unser Boot einen Stoß, mein Nachbar wurde von einem Speer durchbohrt, stöhnte , laut auf und sackte zusammen.

Doch wir waren auf einen Zusammenstoß vorbereitet. Der vorderste und der hinterste Ruderer trieben das Boot weiter voran, die übrigen griffen schnell zu den Waffen. Die Sehnen der Bogen surrten, und wie die Bewegung beim Gegner verriet, fanden unsere Geschosse ihr Ziel. Jetzt waren wir herangekommen. Speere bohrten sich in menschliche Körper. Ich verspürte einen heftigen Schlag an der linken Schulter. Zum Glück glitt die Keule seitwärts ab, und ich konnte dem Angreifer meinen Spieß in den Leib rennen. Einer sprang ins Wasser und versuchte zu fliehen. Er kam aber nicht weit. Eine Keule sauste nieder und zertrümmerte ihm den Schädel.

Als wir alle überwältigt und den Toten aus dem Wasser gezogen hatten, nahmen wir ihr Boot ins Schlepptau und ruderten

der Mitte des Flusses zu, wo die Strömung am stärksten war. Dort warfen wir die Leichen ins Wasser, damit es sie in den Orinoko trage.

Einer der Feinde war noch am Leben, und Fujudi versuchte, ihn zum Sprechen zu bringen. Es war vergeblich. Der Gefangene verlor das Bewußtsein und starb. Er folgte den andern in die Tiefe des Flusses.

Wir hatten zwei Tote und einen Schwerverwundeten, außer-dem gab es keinen unter uns, der nicht etwas abbekommen hatte. Der erbitterte und kampfgewohnte Feind hatte uns, obgleich er überrascht worden und zahlenmäßig unterlegen gewesen war, empfindliche Verluste beigebracht. Der Kampf war so schnell entbrannt, daß bereits alles vorüber war, bevor uns das Boot Arnaks erreichte.