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Ich folgte den Worten des Kapitäns mit ständig wachsendem Staunen. Woher waren diesem fremden Menschen so viele Begebenheiten aus meinem Leben bekannt? Als er seine Rede einen Augenblick unterbrach, nutzte ich die Gelegenheit und sprach: „Wenn Euer Gnaden mich mit diesen Worten überraschen wollten, so ist Ihnen das gründlich gelungen. Alle Achtung, ein ganz ausgezeichneter Nachrichtendienst! Nur zwei kleine Irrtümer sind richtigzustellen.

„Was sagen Sie?” entsetzte er sich, als ginge es gegen seine Ehre. „Welche Irrtümer?”

„Ich habe niemand von den Leuten Don Estebans erschlagen.” „Aber es sind doch einige ums Leben gekommen?”

„Das stimmt. Einige sind umgekommen, aber nicht durch mein Dazutun. .. Auch der Titel ,König des unteren Orinoko' entspricht nicht den Tatsachen. Doch bitte ich, Sir, verraten Sie mir, auf welche wunderbare Weise diese Dinge zu Ihren Ohren gedrungen sind?”

„Ich komme aus dem Süden, von unseren Faktoreien am Esse-quibo. Glauben Sie nicht, daß Sie dort ein Unbekannter sind.” „Und Sie sind nur deshalb den Orinoko heraufgefahren, um mir das Vergnügen zu bereiten, mich davon in Kenntnis zu setzen?” Ich lachte.

„Ich befinde mich auf einer Reise von Guayana nach New York und bin in der Tat von meiner Route abgewichen, um mich mit Ihnen zu unterhalten, allerdings nicht wegen Ihrer Berühmtheit, sondern wegen einer sehr wichtigen Sache.”

Inzwischen waren wir im Schatten des Toldos angelangt. Ich stellte dem Kapitän die Häuptlinge vor, dann nahmen wir Platz und versuchten die von Frauen dargebotenen Speisen. Ich bemerkte, daß dem Gast die einfache indianische Küche nicht besonders mundete, den Kaschiri wollte er überhaupt nicht probieren. Er winkte einen Matrosen herbei, der einem großen Korb mehrere Flaschen Rum entnahm und sie vor uns auf den Boden stellte. Ich war des Trinkens völlig entwöhnt, und als ich einen kleinen Schluck nahm, brannte es in meinem Mund wie Feuer, und mir wurde einen Augenblick ganz schwindlig. Mir war froh zumute, weil ich mich nach zwei ganzen Jahren wieder einmal mit einem Landsmann unterhalten konnte, der dazu noch freundschaftlich gesinnt war.

Als der Kapitän auch die Häuptlinge mit Rum zu bewirten gedachte, wollte ich ihnen diesen besonderen Genuß nicht verderben, doch achtete ich darauf, daß jedem nur wenig eingegossen wurde. Mehr ließ ich nicht zu, denn weder sie noch ich waren an derartig scharfe Getränke gewöhnt.

„Wozu diese übertriebene Mäßigkeit?’ fragte der Gast etwas verärgert.

„Wir haben heute noch eine unangenehme Pflicht zu erfüllen: Es wird Blut fließen.”

„Ein Blutvergießen?”

„Ja. Die Akawois halten sich hier in der Nähe auf, mit ihnen werden wir heute kämpfen.”

Der Kapitän sah mich an, als habe er den Faden verloren. Die Ruhe, mit der ich ihm das eröffnet hatte, brachte ihn völlig aus der Fassung. Als er seine Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte, erwiderte er in etwas gereiztem Ton: „Der junge Mann geruht auf eigenartige Weise zu scherzen.”

„Der junge Mann wünschte, daß es ein Scherz wäre”, gab ich in dem gleichen besonnenen Tonfall wie zuvor zur Antwort. „Leider ist es blutiger Ernst. Wir werden uns noch heute schlagen.” „Goddam you — und das sagen Sie mit einer solchen unerschütterlichen Ruhe?”

„Ich kenne keinen Fall, Sir, in dem durch Haareausraufen ein Feind getötet worden wäre.”

„Und wo stecken diese Akawois?”

„Ihre Hauptabteilung hält sich ungefähr eine Meile flußaufwärts von hier am jenseitigen Ufer verborgen, und acht befinden sich in unserem Dorf.”

„Gefangene?”

„Nein, freie! Sie sind als Händler gekommen, um Späherdienste zu leisten.”

Da ich die Verblüffung auf seinem Gesicht bemerkte, erklärte ich ihm ausführlich, wie die Dinge standen. Er hörte zu, wischte sich den Schweiß von der Stirn, betrachtete mich ab und zu mit scheelen Blicken, und als ich fertig war, sprang er auf und bat, ich möge ihn zu den acht Akawois geleiten.

„Sehr gern”, erklärte ich. „Wir müssen uns sowieso von ihnen verabschieden, denn sie verlassen uns heute nachmittag.”

Manauris Leute zogen die Itauba herbei, die für die Akawois bestimmt war. Dabaro und zwei seiner Gefährten untersuchten das Boot und rümpften die Nase wegen seines schlechten Zustandes.

„Ein anderes können wir euch nicht geben”, sagte Manauri, „wir können nur dieses eine entbehren.”

Nach einigen Einwänden stimmten sie zu. In diesem Augenblick sprach der Kapitän sie an, und zwar in ihrer Muttersprache: „Von wo kommt ihr?”

Dabaro, der über die Sprachkenntnis des Kapitäns genauso verwundert war wie wir, antwortete: „Vom Cuyuni.”

„Aus welchem Gebiet? Wer ist Euer Häuptling?”

„Wir leben an der Mündung des Tapuru. Unser Häuptling heißt Aharo.”

„Wo befindet er sich zur Zeit?”

„Das weiß ich nicht.”

„Du bist ein schlechter Krieger, wenn du nicht einmal weißt, wo sich dein Häuptling aufhält... An der Mündung des Tapuru liegt eine Faktorei der Holländer. Warst du schon einmal dort?”

„Ja, ich habe Waren von den Holländern eingehandelt, um sie weiterzuverkaufen.”

„Die Holländer brauchen Sklaven für ihre Plantagen. Weißt du davon?”

„Davon weiß ich nichts, Herr.”

„Dann bist du ein Kindskopf!” Der Kapitän machte eine wegwerfende Handbewegung, und wir kehrten zum Toldo zurück. Unterwegs übersetzte mir Fujudi die Worte des Gesprächs.

Der Kapitän bot uns Zigarren von der Insel Jamaika an und verharrte in längerem Schweigen, er schien etwas zu erwägen. Endlich ließ er sich eine Karte von Guayana und Ostvenezuela bringen und breitete sie vor mir aus. Ich rief Pedro herbei, damit er sich die Karte einpräge, um sie später nachzuzeichnen, denn sie war natürlich viel genauer als unsere.

„Hier, an der Mündung des Tapuru, am Mittellauf des Cuyuni, liegt jene Faktorei der Holländer”, erklärte er mir. „Sie ist ihr am weitesten nach Nordwesten vorgeschobener Stützpunkt. Er liegt im Hinterland unseres, des englischen, Einflußgebietes und durchkreuzt unberechtigterweise unsere Interessen; denn wir sind schon vor langer Zeit übereingekommen, daß der Berbice und dessen sich nach Südosten erstreckendes Stromgebiet die Einflußzone der Holländer bilden. Jetzt ist es soweit, daß die Holländer am Cuyuni nicht nur unsere Pläne untergraben, sondern sie verpflichten sich die von ihnen abhängigen Indianer und schicken sie gegen andere Stämme auf Sklavenjagd. Eure Aka-wois sind mit Booten den Cuyuni heraufgekommen, haben den Höhenzug des Piacoa überquert und gelangten so in das Quellgebiet des Itamaka. John Bober, hier liegt ein weiteres Glied unserer gemeinsamen Interessen!”

Das Wort „unserer” sprach er mit besonderer Betonung und warf mir durch den aufsteigenden Rauch seiner Zigarre einen bedeutungsvollen Blick zu.

„Ein weiteres Glied!” wiederholte ich. „Gibt es noch andere Glieder gemeinsamer Interessen?”

Er war sichtlich zufrieden, daß ich diese Überlegung angestellt hatte.