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„Die gibt es”, erklärte er, „und sie beziehen sich auf Dinge von größter Tragweite, in denen Sie, Mr. Bober, nicht die letzte Rolle spielen sollen. Doch gestatten Sie zunächst, daß ich mich Ihnen vorstelle.”

Er hieß James Powell und war nicht nur der Eigentümer der „Capricorn”, sondern besaß auch eine Faktorei und eine Plantage an der Mündung des Essequibo in den Atlantik. Die dort bestehende englische Unternehmer-Kompanie hatte ihren eigenen Gouverneur, und Powell war dessen Stellvertreter.

Wie die holländische und französische Kolonie weiter im Südosten entwickelte sich auch diese Kolonie auf umstrittenem Boden. Die venezolanischen Spanier erhoben Anspruch darauf, waren aber faktisch außerstande, die Eindringlinge mit Gewalt zu verjagen, zumal diese Landstriche in allzu großer Entfernung von ihren Machtzentren im Westen lagen.

Schon seit längerer Zeit liefen Verhandlungen zwischen London und den Vertretern der Engländer in Guayana wegen einer offiziellen Annexion dieser Kolonie durch England. Es war ein offenes Geheimnis, daß es früher oder später dazu kommen würde, wobei sich die Engländer mit der Absicht trugen, bei dieser Gelegenheit die Spanier auch gleich um die nördlich der Orinokomündung gelegene Insel Trinidad zu erleichtern.

„Haben Sie die Güte und betrachten Sie einmal genau diese Karte”, forderte mich der Kapitän auf. „Ziehen Sie aus der Geographie Ihre eigenen Schlußfolgerungen. Im Norden liegt die In-sel Trinidad, im Süden der Essequibo, und was befindet sich in der Mitte? Die Mündung des Orinoko. Wenn sich der englische Staat die beiden Flügelpunkte einverleibt hat, so stellt die Besitzergreifung des mittleren Teiles, also der Orinokomündung, nur eine natürliche Folge dieser Züge dar, gewissermaßen deren Vervollständigung. Dann sind wir die Herren des ganzen nordöstlichen Teiles von Südamerika und werfen die Spanier weit nach Westen zurück, bis an den Fuß der Anden.”

„Und welche Rolle soll ich dabei spielen?” fragte ich ihn.

„Eine äußerst wichtige. Sie sind Engländer. Sie haben am Orinoko festen Fuß gefaßt, Ihr Einfluß auf die Arawaken ist unbegrenzt, Sie sind der große Freund und Verbündete der Warraulen. Als Besieger der Spanier und Verteidiger der Indianer umgibt Sie der Ruhm eines hervorragenden Häuptlings, und als Vertreter unserer Interessen werden Sie zu einer unbesiegbaren Macht am unteren Orinoko. Selbstverständlich können Sie in jeder Beziehung auf unsere Unterstützung zählen, wenn sie auch geheim bleiben muß. Wir werden Ihnen helfen, Angostura und andere spanische Stützpunkte am Mittellauf des Orinoko zu erobern und in Schutt und Asche zu legen. Ihr Einfluß wird die Indianer freundlich stimmen gegenüber den Engländern, sie werden unser Kommen herbeiwünschen, und wenn dann die große Glocke der Geschichte ihren Schlag ertönen läßt, übertragen Sie Ihre Herrschaft der englischen Krone. Selbstverständlich verbleiben Sie als Gouverneur am unteren Orinoko, und sollten Sie den Wunsch haben, Virginia zu besuchen, so können Sie versichert sein, daß es sich Lord Dunbury zur Ehre anrechnen wird, wenn Sie ihm freundschaftlich die Hand reichen.”

Verlockende und süße Worte sprach der gute Kapitän Powell; er verstand es, verführerische Bilder zu malen. Nur daß sich der hochmütige Lord Dunbury durch den Händedruck John Bobers geehrt fühlen sollte, ließ leichte Zweifel in mir aufkommen. Diesen Herrn kannte ich zu gut.

„Und wann wird nach Ihrer Meinung die Glocke der Geschichte ihren Schlag ertönen lassen?” fragte ich.

„Solche Dinge lassen sich schwer voraussehen, denn sie sind davon abhängig, was in der großen Arena der Welt geschieht. Jedenfalls können Ihre Anwesenheit und Ihr Wirken am Orinoko den Lauf der Ereignisse erheblich beschleunigen.”

Dann schilderte mir Powell, daß ich nicht der erste Engländer in diesem Gebiet sei, daß wir hier bereits unsere Tradition besäßen. Schon 1595 war Sir Walter Raleigh auf der Suche nach dem legendären Goldland mit seiner Flottille vierhundert Meilen den Orinoko hinaufgefahren. Zu jener Zeit waren hartnäckige Gerüchte im Umlauf, daß dieses Land irgendwo im Quellgebiet des Caroni, eines rechten Zuflusses des Orinoko, liegen solle. Raleigh konnte nur bis zu den ersten Stromschnellen des Caroni vordringen und kehrte ohne Gold zurück, dafür entstand aber auf dieser Expedition das erste englische Buch mit der Beschreibung des großen Flusses. Ein Jahr später legte Lawrence Keymis, ein Reisegefährte Raleighs, entlang der Küste den Weg von der Mündung des Amazonas zur Orinokomündung zurück. Ohne Zweifel war es seine genaue Beschreibung des Landes und der Indianer, die später die englischen Kaufleute dazu anregte, in Guayana Faktoreien zu gründen.

„Wir stehen”, fuhr Kapitän Powell fort, „an der Schwelle neuer, schwerwiegender Ereignisse, in deren Verlauf uns riesige Streifen reichen Landes zufallen werden. Die Gelegenheit dazu ist außer-ordentlich günstig. Überlegen Sie doch, Mr. Bober, wie schwach die Spanier in diesen Breiten sind.”

Das stimmte. Um den östlichen Teil Venezuelas hatten sich die Spanier wenig gekümmert; hier hatten sie im Gegensatz zum mittleren und westlichen Teil, den Mittelpunkten ihrer lebhaften kolonisatorischen Tätigkeit, nur wenig Stützpunkte angelegt. Sie waren also im Osten wirklich schwach.

Dabaro ließ uns benachrichtigen, daß die Akawois mit dem Abschiedstanz beginnen wollten. Wir unterbrachen daher unser Gespräch und sahen den Tänzern zu.

Der Tanz unterschied sich nur wenig von dem gestern gezeigten Kriegstanz. Die Akawois hielten sich an den Händen gefaßt, stampften mit den Beinen und stießen laute Schreie aus, während einer überaus laut die Trommel handhabte. Arasybo, der seit Tagesanbruch mit bewundernswerter Ausdauer Zauberformeln gegen sie schleuderte, störte gewissenhaft den Takt des akawoi-schen Trommlers. Ich ließ ihm sagen, er möge damit aufhören und seine Trommel ruhen lassen.

Manauri warf mir einen fragenden Blick zu.

„Sollen sie ihren Leuten ruhig mitteilen, was sich hier ereignet hat’, erklärte ich ihm und deutete mit den Augen auf Kapitän Powell. „Es ist nur zu unserem Vorteil und kann uns niemals schaden.”

Wir hatten rechtzeitig zwei schnelle, kleine Boote ausgesandt, von denen sich das eine ungefähr eine Meile oberhalb und das zweite eine Meile unterhalb der Seeausfahrt auf die Lauer legen sollte, um zu erkunden, wohin sich die „Händler” wenden würden.

Zwei Stunden später verließen die Akawois Kumaka.

Die Sonne neigte sich langsam der westlichen Himmelsseite zu, und Arnak war mit seinen Leuten immer noch nicht vom anderen Ufer des Flusses zurückgekehrt. Trotzdem begannen die Vorbe-

reitungen für unsere nächtliche Expedition, an der die Mehrzahl unserer Krieger, genau einhundertfünfzig Männer, teilnehmen sollte. Sie mußten in Gruppen eingeteilt werden und Itauben zugewiesen bekommen, die einzelnen Führer hatten Anweisungen zu erhalten. Zur Tarnung und zum Schutz ließ ich an den Seiten der Boote größere Zweige befestigen.

Ich war unruhig und hielt immer häufiger nach Arnak Ausschau. Sollte ihm etwas zugestoßen sein? Ich bedauerte bereits, daß ich ihm leichtsinnig erlaubt hatte mitzufahren. Endlich, es fehlte kaum mehr eine Stunde bis zum Sonnenuntergang, erschien sein Boot auf dem See. Welche Freude! Niemand von der Besatzung fehlte. Ich sandte ihm einen Boten entgegen, der ihn über das Eintreffen der Engländer unterrichten sollte.

Am Ufer erwartete ich den jungen Freund. Ich war ihm so zugetan, daß mir vor Freude das Herz klopfte und ich über das ganze Gesicht strahlte. Er dagegen war mißgestimmt, sprang aus dem Boot und sprach: „Wir haben das Lager nicht gefunden.”

Das war ein Schlag! Die ganzen Pläne waren vergebens, die Akawois blieben unerreichbar.

„Habt ihr den See hinter der Landzunge gründlich abgesucht?’ „Und wie. Jeden Fußbreit des Ufers. Deshalb hat es auch so lange gedauert.”

„Keine Spuren? Nichts?”