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Der stets gesellige Zavala war bei vielen der unverheirateten Frauen in Washington äußerst beliebt, und sie fühlten sich von seinem Charme, seinen gefühlvoll blickenden dunkelbraunen Augen und seinem südländisch guten Aussehen unwiderstehlich angezogen.

»Ich gebe zu, dass das Leben recht interessant werden kann, wenn ich einer alten Flamme begegne, während ich gerade mit einer neuen Flamme ausgehe, aber das ist nichts im Vergleich mit deinem Rennen. Was ist passiert?«

»Ich esse gerade mit meinem Vater zu Abend, daher kann ich dir erst in ein paar Tagen Bericht erstatten, wenn ich zurückkomme.«

»Es sieht so aus, als wärest du schon eher in Washington. Wir haben Befehl erhalten, noch heute Norfolk zu verlassen. Kennst du Joe Adler?«

»Der Name klingt irgendwie vertraut. Ist er nicht der Wellenspezialist bei Scripps?«

»Er ist einer der fähigsten Fachleute für Ozeanwellen der Welt. Wir helfen ihm, die Southern Belle zu finden.«

»Ich kann mich erinnern, etwas über die Belle gelesen zu haben. Sie ist doch dieses riesige Containerschiff, das im vergangenen März untergegangen ist.«

»Richtig. Rudi hat mich angerufen. Adler möchte dich bei dem Projekt dabeihaben. Offensichtlich hat er einigen Einfluss, denn Rudi hat ihm sofort seine Bitte erfüllt.« Rudi Gunn trug die Verantwortung für die vielfältigen Operationen der NUMA.

»Das ist merkwürdig. Ich habe Adler nie persönlich kennen gelernt. Bist du sicher, dass er sich nicht geirrt hat? Es gibt bei der NUMA mindestens ein Dutzend Leute, die schon an Schiffssuchen teilgenommen haben. Warum ich?«

»Rudi sagte, er habe keinen Schimmer. Aber Adler hat international den besten Ruf, daher ist er seiner Bitte nachgekommen, ihm kompetente Hilfe zu schicken.«

»Interessant. Die Belle ging irgendwo vor der Mitte der Atlantikküste unter. Wie weit ist das Suchgebiet von der Position entfernt, wo die Trouts zur Zeit arbeiten?« Paul und Gamay Trout, die anderen Mitglieder des Spezialteams für Sonderaufgaben, steckten mitten in einem Meeresforschungsprojekt.

»Nahe genug, so dass wir fast hinrudern und eine Party veranstalten können«, sagte Zavala. »Ich habe schon eine Flasche Tequila eingepackt.«

»Während du einen Catering-Service ausfindig machst und ihn auffahren lässt, was die Tische tragen können, ändere ich meine Flugreservierungen und gebe dir Bescheid, wann ich heimkomme.«

»Ich erwarte dich am Flughafen. Wir haben bereits eine Maschine gechartert, die uns nach Norfolk bringt.«

Sie besprachen noch ein paar Einzelheiten und legten dann auf. Kurt ließ sich die Bitte Adlers durch den Kopf gehen, dann kehrte er an seinen Tisch zurück, um seinen Vater davon in Kenntnis zu setzen, dass er am nächsten Morgen abreisen würde. Wenn Austin senior über die Änderung der Pläne seines Sohnes enttäuscht war, so ließ er sich nichts anmerken. Er bedankte sich bei Kurt, dass er anlässlich des Kajakrennens nach Seattle gekommen war, und sie versprachen einander, sich möglichst bald wieder zu treffen, wenn sie beide mehr Zeit hätten.

Kurt erwischte am nächsten Tag eine frühe Maschine, die von Seattle aus startete. Während das Flugzeug sich in die Lüfte schwang und auf östlichen Kurs ging, dachte er über die gedämpfte Reaktion seines Vaters nach, als er ihm erklärt hatte, dass seine Pläne sich geändert hätten. Er fragte sich, ob Austin senior tatsächlich aufrichtig wünschte, dass er in den Familienbetrieb einstieg. Das würde nämlich heißen, dass der alte Mann zugab, dass er daran dächte, sich zur Ruhe zu setzen. Beide Männer neigten dazu, abweichende Auffassungen zu haben und diese um jeden Preis durchsetzen zu wollen, und es wäre dann, als würden zwei Steuerleute ein Ruderboot lenken.

Auf jeden Fall irrte sein Vater sich, was Kurts große Begeisterung für seine Arbeit bei der NUMA betraf. Es war nicht das Abenteuer, das ihn der Agentur für Meeresforschung treu bleiben ließ. Jede Gelegenheit für einen Adrenalinstoß bedeutete viele Stunden, in denen Berichte geschrieben, Papierkrieg bewältigt und Konferenzen abgehalten werden mussten. Dem versuchte er aus dem Weg zu gehen, indem er stets so lange wie möglich vor Ort blieb. Der Sirenengesang, der ihn immer wieder zurücklockte, war das unergründliche Rätsel namens Ozean.

Rätsel wie die seltsame Begegnung mit den Mörderwalen. Er musste immer wieder an den Vorfall mit den Orcas denken. Und er dachte auch über den Mann mit der seltsamen Tätowierung und über den Sinn und Zweck der elektrischen Vorrichtung auf Barretts Boot nach. Nach ein paar Minuten schob er seine momentan noch fruchtlosen Überlegungen beiseite, nahm sich einen Notizblock und einen Kugelschreiber und begann, einen neuen Kajak zu konstruieren.

3

New York City

Ehe Frank Malloy die Funktion eines hoch bezahlten Beraters der Polizeidienste der Nation ausübte, war er der Inbegriff des Cops gewesen. Er verabscheute Unordnung jeglicher Art. Seine Uniformen waren stets frisch gereinigt und sorgfältig gebügelt. Im Andenken an seine Zeit im Marine Corps trug er sein grau meliertes Haar militärisch kurz geschnitten. Regelmäßiges Krafttraining hielt seinen Körper fit und muskulös.

Im Gegensatz zu vielen Polizeibeamten, die Überwachungen einfach nur lästig und unangenehm fanden, genoss Malloy es, stundenlang in einem Auto zu sitzen und das Auf und Ab des Verkehrs und der Fußgänger zu beobachten und gleichzeitig auf die kleinste Unregelmäßigkeit im Gefüge der Gesellschaft zu achten. Geholfen hatte ihm in dieser Zeit auch die Tatsache, dass er eine eiserne Blase besaß.

Malloy parkte auf dem Broadway und betrachtete die stetige Parade eiliger Fußgänger und gaffender Touristen, als sich ein Mann aus der Menschenmenge löste und direkt auf den neutralen Streifenwagen des NYPD zuging.

Der Mann war groß und schlank und sah aus, als wäre er höchstens in den Dreißigern. Er trug einen hellbraunen, an den Knien ausgebeulten Sommeranzug und an den Füßen abgestoßene New-Balance-Laufschuhe. Er hatte rote Haare und einen roten Spitzbart, der makellos gestutzt war. Der oberste Knopf seines Oberhemds stand offen, und seine Krawatte hing lose herab. Jahre als Streifenpolizist hatten Malloys Fähigkeit verfeinert, Menschen mit einem einzigen schnellen Blick einzuschätzen. Malloy versah den Mann mit dem Etikett »Zeitungsreporter«.

Der Mann kam zum Wagen, bückte sich, so dass sein Gesicht sich mit dem Seitenfenster auf gleicher Höhe befand, und zeigte seinen mit Passbild versehenen Ausweis.

»Ich heiße Lance Barnes und bin Reporter bei der Times. Sind Sie Frank Malloy?«

Die Frage dämpfte Malloys Triumphgefühl nachhaltig.

»Ja, ich bin Malloy«, gab er mit finsterer Miene zu. »Wie haben Sie mich erkannt, Mr. Barnes?«

»Das war einfach«, erwiderte der Reporter mit einem Achselzucken. »Sie sitzen alleine in einem dunkelblauen Ford in einer Gegend, wo es so gut wie unmöglich ist, einen Parkplatz zu finden.«

»Offenbar bin ich dabei, den Anschluss zu verlieren«, stellte Malloy traurig fest. »Entweder das, oder ich trage immer noch weithin erkennbar die Aufschrift ›Cop‹.«

»Nee, ich hab geschwindelt«, gestand Barnes grinsend. »Man hat mir beim MACC verraten, dass Sie hier sein würden.«

MACC war die Abkürzung für Multi-Agency Control Center, die Einrichtung, die für die Koordinierung der Sicherheitsmaßnahmen für die internationale Wirtschaftskonferenz verantwortlich war, die in New York City abgehalten wurde. Politische und wirtschaftliche Führer aus aller Welt kamen im Big Apple zusammen.

»Ich habe auch geschwindelt«, gab Malloy mit einem verhaltenen Kichern zu. »Das MACC hat angerufen und Bescheid gesagt, dass Sie herüberkämen.« Er studierte das Gesicht des Reporters und stellte fest, dass es ihm bekannt vorkam. »Sind wir uns schon mal irgendwo begegnet, Mr. Barnes?«