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»Ich glaube, Sie haben mich mal erwischt, wie ich bei Rot über die Straße ging, und mir einen Strafzettel verpasst.«

Malloy lachte. Er vergaß niemals ein Gesicht. Irgendwann würde es ihm sicher einfallen. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich arbeite an einem Artikel über die Konferenz. Soweit ich gehört habe, sind Sie der wichtigste Berater weit und breit, wenn es um wirkungsvolle Techniken zur Zerstreuung größerer Menschenmengen geht. Ich hatte überlegt, ob ich Ihnen einige Fragen darüber stellen darf, wie Sie den geplanten Protesten begegnen wollen.«

Malloy besaß eine Firma in Arlington, Virginia, die die Polizeidienste im ganzen Land in Fragen der Kontrolle von Menschenmengen beriet. Er saß im Aufsichtsrat verschiedener Firmen, die Vorrichtungen zur Beeinflussung von Krawallen und gewaltbereiten Menschenansammlungen herstellten, und seine geschäftlichen wie politischen Kontakte und Beziehungen hatten ihm zu beträchtlichem Wohlstand verholfen. Eine positive Story in der New York Times könnte sich für seine Beratungstätigkeit als förderlich erweisen.

»Steigen Sie ein«, sagte er und griff zur Seite, um die Beifahrertür zu öffnen. Barnes folgte der Aufforderung, und sie schüttelten sich die Hand. Der Reporter schob seine Sonnenbrille nach oben auf die Stirn und enthüllte hellwache grüne Augen und markante Augenbrauen, die ein V ähnlich der Form seines Mundes und seines Kinns formten. Er holte ein Notizbuch und einen digitalen Minirecorder aus der Tasche. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich unser Gespräch aufnehme. Es ist nur eine Art Sicherheitskopie, damit ich am Ende richtig zitiere.«

»Kein Problem«, sagte Malloy. »Sie können über mich berichten, was Sie wollen, Hauptsache, Sie schreiben meinen Namen richtig.« Seitdem er den Polizeidienst verlassen und seine Beratungsfirma gegründet hatte, war Malloy ein absoluter Profi im Umgang mit Reportern geworden. »Waren Sie bei der Pressekonferenz?«

»Na klar«, antwortete Barnes. »Ein beeindruckendes Arsenal! Die Long Range Acoustic Devices, die Sie auf den Hummvees installiert haben, waren der absolute Hammer. Stimmt es, dass diese Dinger im Irak eingesetzt wurden?«

»Sie werden als nicht-tödliche Waffen eingestuft. Sie können einen ohrenbetäubenden Lärm erzeugen, der sogar die lautesten Demonstranten übertönt.«

»Wenn mir jemand hundertfünfzig Dezibel in die Ohren bläst, dann hätte ich kaum mehr Lust, nach Frieden und Gerechtigkeit zu rufen.«

»Wir benutzen diese Lärmkanonen nur, um uns bei größeren Menschenmengen Gehör zu verschaffen. Wir haben sie gerade neulich noch getestet. Damit kommt man mindestens vier Blocks weit.«

»Hm-hm«, sagte der Reporter und machte sich ein paar Notizen. »Ich denke, das dürfte den Anarchisten klarmachen, was Sache ist.«

»Ich schätze, dass wir die dicke Artillerie gar nicht brauchen werden. Es sind eher die kleinen Dinge, die zählen, wie die Motorrollerstreifen und die Straßensperren.«

»Wie ich hörte, haben Sie aber auch eine Menge Hightechgerät zur Verfügung.«

»Das stimmt«, sagte Malloy. »Die effektivste Methode, diese Verrückten unter Kontrolle zu halten, ist mit Software und nicht mit Hardware.«

»Wie das?«

»Fahren wir ein wenig herum.« Malloy startete den Wagen und schaltete das Funkgerät ein. »Hier spricht Nomad. Ich fahre auf dem Broadway nach Norden.«

»Nomad?«, fragte Barnes, nachdem Malloy sich abgemeldet hatte.

»Ich bin viel unterwegs. Halte die Augen offen. Die Verrückten wissen, dass ich meine Runden mache, aber sie wissen nicht, wo ich bin. Das macht sie nervös.« Er wandte sich nach Osten, fuhr ein kurzes Stück über die Park Avenue, dann kehrte er zum Broadway zurück.

»Wer sind diese ›Verrückten‹, wie Sie sie nennen?«

»Wenn es auf Anarchisten hinausläuft, dann weiß man nie, mit wem oder was man es zu tun hat. Damals in Seattle hatten wir Ökofreaks und Friedensengel. Wir hatten Wicca-Anhänger und feministische Neopaganisten, die nach der WTO und der Göttin riefen, wer immer die sein mag. Die meisten Mainstream-Anarchisten sind gegen die Weltwirtschaftsordnung. Soweit es um Menschen geht, sind sie nicht gewalttätig, aber manche sind der Meinung, dass man sich durchaus an Firmeneigentum vergreifen kann. Ihre Hauptwaffe ist das Chaos. Sie sind gewöhnlich in autonomen Kollektiven oder in Sympathisantengruppen organisiert. Sie agieren nach dem Prinzip der geistigen Gemeinschaft und vermeiden jegliche Art von Hierarchie.«

»Vorausgesetzt, sie sind tatsächlich nicht straff organisiert, wonach genau halten Sie eigentlich Ausschau?«

»Das ist schwer zu beschreiben«, sagte Malloy. »Im Großen und Ganzen nach dem Gleichen wie damals, als ich selbst noch vor Ort im Einsatz war. Die Verrückten teilen sich in kleine Gruppen auf. Oder sie tun sich zu zweit zusammen oder bleiben alleine. Ich achte lediglich auf bestimmte Verhaltensmuster.«

»Ich habe über die Krawalle in Seattle gelesen. Es klang, als wäre das der reinste Alptraum gewesen.«

Malloy stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich habe als Beweis immer noch die Narben am Körper. Eine Riesenschweinerei!«

»Was ist schiefgegangen?«

»Die Verrückten hatten es auf die Welthandelsorganisation abgesehen. Sie nennen das die ›Machtelite‹. Ich war zu dem Zeitpunkt Distriktbeauftragter für die Kontrolle größerer Menschenansammlungen und sollte gegebenenfalls die Menschenmengen in Schach halten. Wir wurden mit heruntergelassener Hose erwischt. Am Ende standen wir hunderttausend Demonstranten gegenüber, die ihre Wut über das kundtaten, was sie als unterdrückendes Welthandelssystem bezeichneten. Es kam zu Plünderungen, Ausgangssperren. Polizisten und Nationalgardisten schossen mit Gummigeschossen oder Tränengas sowohl auf die friedlichen wie auch die gewaltbereiten Demonstranten. Am Ende hatte die Stadt sich vor der Weltöffentlichkeit ein blaues Auge geholt und musste sich mit einer langen Latte von Bürgerklagen herumschlagen. Einige Beobachter meinten, die Polizei hätte überreagiert. Andere meinten, sie hätte zu wenig getan. Man konnte es so oder so sehen.«

»Wie Sie schon sagten, eine Riesenschweinerei.«

Malloy nickte. »Aber die Schlacht von Seattle stellte den Wendepunkt dar.«

»In welcher Hinsicht?«

»Die Demonstranten lernten, dass es nicht ausreichte, einfach nur durch die Straßen zu marschieren, wenn man Aufsehen erregen wollte. Die Aufmerksamkeit erhielt man ausschließlich durch direkte Aktionen. Man musste Dinge zerstören, Menschen beeinträchtigen, die Repräsentanten dessen, was man bekämpfte, selbst zu Zielscheiben machen.«

»Nach dem, was ich heute in der Stadt gesehen habe, hat die Machtelite seit Seattle ihre Lektion gelernt.«

»Aber hundertprozentig«, sagte Malloy. »Ich war in Philadelphia anlässlich der GOP Convention, als die Anarchisten uns abermals ziemlich dumm aussehen ließen. Sie veranstalteten einen Riesenterror und rannten dann durch die Straßen, verfolgt von einem Haufen übergewichtiger Cops. Sie erzeugten ein totales Chaos. Desgleichen bei der WTO-Konferenz in Miami. Erst beim Weltwirtschaftsforum, das 2002 hier in New York stattfand, bekamen wir die Dinge allmählich in den Griff, und schon 2004, zum Parteitag der Republikaner, hatten wir eine richtige Strategie entwickelt.«

»Die Störungen wurden auf ein Minimum beschränkt, aber es wurden Klagen laut, dass fundamentale Bürgerrechte verletzt worden seien.«

»Das gehört zur Proteststrategie. Diese Typen sind wirklich raffiniert. Es handelt sich vorwiegend um eine kleine Gruppe von kompromisslosen Aufrührern, die von Stadt zu Stadt ziehen. Sie provozieren die staatlichen Organe in der Hoffnung, dass wir übertrieben zurückschlagen. Hey, Moment mal!«

Malloy lenkte den Wagen an die Seite und parkte in zweiter Reihe in der Nähe einer Gruppe Leute, die Musikinstrumente bei sich hatten. Dann gab er über Funk einige knappe Anweisungen.