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Der alte Mann zog rüber an den Rand der Piste. Seine Begleiter bremsten wie Eishockeyspieler, einer oberhalb, der andere unterhalb von ihm, wobei sie Schneefontänen hochschleuderten. Ihre athletischen Körper zeichneten sich deutlich unter den eng sitzenden identischen silberfarbenen Overalls ab. Ihre Gesichter verbargen sich hinter verspiegelten Schneebrillen. Nur Mund und Kinn waren bei beiden zu sehen.

Die Männer starrten ihn wortlos an. Sie verfolgten offenbar eine Taktik stummer Einschüchterung.

Er entblößte seine Zähne in einem reptilienhaften Grinsen. »Guten Morgen«, sagte er freundlich in seinem Western-Akzent, den er im Laufe der Jahre kultiviert hatte. »Ein Tag wie ein Fest, nicht wahr?«

Der über ihm stehende Skiläufer ging auf die Bemerkung nicht ein, sondern meinte in einem südlichen schleppenden Tonfalclass="underline" »Sie sind Karl Schroeder, wenn ich mich nicht irre.«

Der Name, den er Jahrzehnte zuvor abgelegt hatte, war für seine Ohren ein Schock, doch er behielt sein Lächeln bei.

»Ich fürchte, da irren Sie sich, mein Freund. Mein Name ist Svensen. Arne Svensen.«

Geradezu gemütlich rammte der Skifahrer seine Stöcke in den Schnee, streifte einen Handschuh ab, griff in seinen Skioverall und holte eine Walther PPK Pistole hervor. »Vergessen wir alle dummen Spielchen, Arne. Wir haben deine Identität mithilfe von Fingerabdrücken eindeutig festgestellt.«

Unmöglich.

»Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit jemand anderem.«

Der Mann lachte verhalten. »Denk nach. Wir standen hinter dir an der Bar.«

Der alte Mann suchte in seinem Gedächtnis und entsann sich dann eines Zwischenfalls im Hell Roaring Saloon, dem Après-Ski-Mekka am Fuß des Berges. Er hatte dort mehrere Bier gekippt, wie nur ein Österreicher es schaffte. Nach einem Gang auf die Toilette war er zu seinem Hocker zurückgekehrt und hatte festgestellt, dass sein nur zur Hälfte geleerter Bierkrug verschwunden war. An der Bar herrschte dichter Betrieb, und er gelangte zu der Vermutung, dass ein anderer Gast sich irrtümlich seinen Drink einverleibt hatte.

»Der Bierkrug«, sagte er. »Das waren Sie.«

Der Mann nickte. »Wir hatten dich seinerzeit eine Stunde lang beobachtet, aber das Warten hatte sich gelohnt. Du hast uns einen vollständigen Satz Fingerabdrücke hinterlassen. Seitdem sitzen wir dir im Nacken.«

Vom oberen Teil der Abfahrt klang das Zischen über Schnee gleitender Skier herab.

»Mach keine Dummheiten«, sagte der Mann und schaute bergauf. Er bedeckte die Pistole mit dem Handschuh seiner anderen Hand.

Eine Sekunde später flog ein einsamer Skiläufer vorbei und verschwand die Piste hinunter, ohne anzuhalten.

Schroeder hatte gewusst, dass seine Verwandlung vom kaltblütigen Krieger in ein menschliches Wesen ihn verwundbar machen würde. Aber er war nach und nach zu der Überzeugung gelangt, dass seine neue Identität ihn erfolgreich von seinem alten Leben isolierte. Die auf sein Herz gerichtete Pistole war der überzeugende Beweis für das Gegenteil.

»Was wollen Sie?«, fragte Schroeder. Sein Tonfall war der eines weltverdrossenen Flüchtlings, der gestellt worden war.

»Ich will, dass du den Mund hältst und nur noch das tust, was ich verlange. Man hat mir gesagt, du seist ein ehemaliger Soldat, daher dürftest du wissen, wie man Befehlen gehorcht.«

»Schöner Soldat«, sagte der andere Mann mit unverhohlenem Spott. »Alles, was ich von hier aus sehe, ist ein alter Sack, der seine besten Tage hinter sich hat und sich in die Hose macht.«

Sie lachten beide.

Gut.

Sie wussten, dass er beim Militär gewesen war, aber er vermutete, dass sie keine Ahnung hatten, dass er eine der berüchtigtsten Killerschulen der Welt absolviert hatte. Er hatte, was seine Kampftechniken und seine Schießkünste betraf, sein Training stets beibehalten, und obgleich er bereits auf die achtzig zuging, hatten ständige ausgiebige Fitnessübungen und anstrengende Outdooraktivitäten einen Körper erhalten, um den viele, die nur halb so alt waren wie er, ihn beneidet hätten.

Er blieb ruhig und vertraute auf seine Überlegenheit. Sie befanden sich auf seinem Terrain, wo er jeden Baum und jede Bodenwelle kannte.

»Meine Zeit als Soldat ist eine halbe Ewigkeit her. Jetzt bin ich nur noch ein alter Mann.« Er senkte den Kopf und hob die Schultern, um eine Haltung der Unterwürfigkeit einzunehmen. Gleichzeitig zauberte er ein furchtsames Zittern in seine tiefe Stimme.

»Wir wissen viel mehr von dir, als du ahnst«, sagte der Mann mit der Pistole. »Wir wissen, was du isst, wo du schläfst. Wir wissen, wo du und dein Köter wohnen.«

Sie waren in seinem Haus gewesen.

»Wo dein Köter gewohnt hat«, korrigierte der andere Mann.

Schroeder starrte den Mann an. »Sie haben meinen Hund getötet? Warum?«

»Deine Töle wollte nicht aufhören zu kläffen. Da haben wir ihr eine Pille verpasst, damit sie still ist.«

Der freundliche kleine Dackel, den er Schatsky getauft hatte, war vermutlich nur glücklich gewesen, die Eindringlinge zu sehen und nicht mehr alleine zu sein. Daher sein Bellen.

Kälte schien in seinen Körper zu strömen. Im Geiste hörte er seinen Lehrer, Professor Heinz. Der engelhafte Psychopath mit den freundlichen blauen Augen war für seine maßgebliche Beteiligung am Aufbau der Todesmaschinerie der Nazis mit einer lukrativen Dozentur an der Wevelsburg, dem geistigen Zentrum des Nationalsozialismus, belohnt worden.

In kundigen Händen kann fast jeder gewöhnliche Gegenstand zu einer tödlichen Waffe werden, sagte der Professor mit seiner sanften Stimme. Mit dem harten Ende einer straff zusam­mengerollten Zeitung kann man die Nase eines Menschen brechen und die Knochensplitter in sein Gehirn treiben. Ein Füllfederhalter kann in ein Auge gestochen werden und den Tod herbeiführen. Das Metallarmband dieser Uhr, um die Fingerknöchel gewickelt, kann die Knochenstruktur eines Gesichts zerstören. Dieser Gürtel ist eine wunderschöne Garotte, wenn man keine Zeit mehr hat, die Schnürsenkel seiner Schuhe herauszuziehen …

Schroeder umfasste die Griffe seiner Skistöcke fester.

»Ich werde tun, was Sie verlangen«, sagte er. »Vielleicht können wir uns irgendwie einigen.«

»Bestimmt«, erwiderte der Mann mit dem Anflug eines Lächelns. »Zuerst fährst du schön langsam auf deinen Skiern hinunter ins Tal. Folge meinem Kollegen, dem Hundefreund. Er hat ebenfalls eine Schusswaffe. Ich bin direkt hinter dir. Am Ende der Abfahrt schnallst du die Ski ab, stellst sie in den Skiständer und gehst zum linken Parkplatz.«

»Darf ich erfahren, wo Sie mich hinbringen?«

»Wir bringen dich nirgendwohin. Wir liefern dich ab.«

»Betrachte uns einfach nur als Paketservice wie FedEx oder UPS«, sagte der andere Mann.

Sein Gefährte meinte: »Es ist nichts Persönliches. Alles rein geschäftlich. Los jetzt. Und immer schön langsam.« Er wedelte mit der Pistole, dann verstaute er sie wieder in seinem Overall, damit er ungehindert Ski laufen konnte.

Mit dem unteren Mann als Vorhut und Schroeder in der Mitte bewegten sie sich mit mäßigem Tempo die Piste hinunter. Schroeder schätzte den vorderen Mann als aggressiven Skiläufer ein, dessen Körperkraft teilweise seinen Mangel an Technik wettmachte. Er warf einen Blick nach hinten auf den anderen Mann und schloss aus seinem wenig ausgefeilten Stil, dass er der schlechtere Skifahrer war. Und dennoch, sie waren jung und stark, und sie waren bewaffnet.

Ein Snowboarder flog vorüber und verschwand die Piste hinunter.

Darauf vertrauend, dass seine Begleiter reflexartig zu dem beweglichen Objekt hinüberschauen würden, wurde Schroeder aktiv. Er fuhr einen weiten Bogen, aber anstatt den Hang zu queren, drehte er sich um hundertachtzig Grad, so dass er bergauf blickte.