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GLACIER PARK
WILDERNESS TOURING COMPANY AND CAMPS

Es war eine von mehreren Firmen, in die Schroeder über Stroh­firmen investiert hatte. Hinter dem Gebäude befanden sich mehrere Blockhäuser, die er während des Sommers vermietete.

Er parkte hinter dem Gebäude, begab sich in eine Hütte, die er für seine persönliche Benutzung reserviert hatte, und nahm einen mottenzerfressenen Elchkopf von der Wand über dem Kamin. Dahinter kam ein Wandsafe zum Vorschein. Er öffnete den Safe mit ein paar Drehungen des Kombinationsschlosses. Darin befand sich eine Kassette voller Bargeld, das er zusammen mit falschen Führerscheinen, Reisepässen und Kreditkarten in den Taschen seines Parka verstaute.

Danach suchte Schroeder das Badezimmer auf und rasierte sich seinen Schnurrbart ab. Er färbte seine Haare braun, so dass sie dem Foto auf seinem Ausweis entsprachen, und holte aus einem Wandschrank einen bereits reisefertig gepackten Koffer. Der Identitätswechsel nahm weniger als eine halbe Stunde in Anspruch. Eile war geboten. Jemand, der einen Weg durch das Labyrinth falscher Identitäten fand, das er angelegt hatte, musste über ungewöhnlich gute Beziehungen verfügen. Es wäre daher nur eine Frage der Zeit, bis seine Verfolger auch auf dieses Jagd- und Angelcamp stoßen würden.

Möglicherweise beobachtete bereits jemand den kleinen Flugplatz in Kalispell. Er beschloss daher, nach Missoula zu fahren und sich dort einen Wagen zu mieten. Auf halbem Weg dorthin machte er an einem Münzfernsprecher Halt. Unter Verwendung einer Telefonkarte führte er ein Ferngespräch. Während das Rufzeichen ertönte, hielt er unwillkürlich den Atem an und fragte sich, ob sie ihn wohl erkennen würde. Es war lange her. Ein Mann meldete sich. Sie redeten ein paar Worte und legten auf. Enttäuschung lag in seinen Augen.

Zum Glück herrschte auf den Straßen Montanas keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Während Schroeder aus dem Truck alles herausholte, fragte er sich, wie es hatte passieren können, dass der Geist wieder aus der Flasche entwichen war. Er war viel jünger gewesen, als er zum ersten Mal eingesperrt worden war, und er war sich nicht sicher, ob er es in seinem Alter abermals mit ihm würde aufnehmen können.

Er dachte an das Mädchen. Das Foto in seinem Schlafzimmer war von einem Profistudio hergestellt worden. Sie würden seine Herkunft enträtseln können. Er glaubte, dass sein Computer in dieser Hinsicht sauber war, aber man konnte sich dessen eigentlich nie ganz sicher sein. Dann waren da seine Telefondaten. Er war auf seine alten Tage sorglos geworden. Es wäre wirklich nur eine Frage der Zeit, bis sie sie finden würden. Er hätte gerne gewusst, wie sie jetzt aussah. Das letzte Mal hatte er sie anlässlich der Beerdigung ihres Großvaters gesehen. Er tauchte in Gedanken in die Vergangenheit ab und rief sich die Ereignisse ins Gedächtnis, die ihn mit der jungen Frau verbanden.

Es war 1948. Er wohnte in seiner Blockhütte in Montana. Obgleich er dank Schweizer Bankkonten Zugang zu enormen Geldbeträgen hatte, verdiente er sich einen bescheidenen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten und indem er Touristen durch den Glacier Nationalpark führte. Ein Kunde, ein Geschäftsmann aus Detroit, hatte in seiner Hütte eine Illustrierte liegen gelassen. Schroeder pflegte die Generalreinigung der Hütten persönlich vorzunehmen und hatte in dem Magazin, als er es fand, herumgeblättert. Bei dieser Gelegenheit erfuhr er, was mit Laszlo Kovacs seit der Nacht geschehen war, als die Wilhelm Gustloff sank.

Der Artikel beschäftigte sich mit einem Unternehmen, das von Dr. Janos, einem ungarischen Unternehmer, der während des Zweiten Weltkriegs nach Amerika flüchtete, gegründet worden war. Seine Firma produzierte eine Reihe neuartiger Haushaltsgeräte, die nach elektromagnetischen Prinzipien arbeiteten und ihn zum Millionär gemacht hatten. Schroeder lächelte. Zu dem Bericht gehörte zwar kein Foto von dem öffentlichkeitsscheuen Erfinder, doch das Kovacs’sche Genie trat bei jedem Produkt offen zu Tage.

Es war gerade die Phase der Schneeschmelze, die Zeit zwischen der Ski- und der Wandersaison, daher packte er eines Tages seine Sachen und stieg in einen Zug nach Detroit. Das Janos-Labor befand sich in einem unauffälligen Gebäude. Er musste mehrere Leute in der Nachbarschaft fragen, um seine genaue Adresse zu erfahren.

Von einem geparkten Auto aus beobachtete er die Eingangstür. Die Geduld, die er sich bei früheren Überwachungen verdächtiger Personen angeeignet hatte, wurde schließlich belohnt. Eine Cadillac Limousine erschien vor dem Gebäude. Doch anstatt davor anzuhalten, fuhr sie durch eine Gasse zur Rückseite des Gebäudes. Die Limousine fuhr wieder los, noch ehe er sehen konnte, wer in sie eingestiegen war. Er folgte dem Wagen bis zu einem exklusiven Viertel in Grosse Point, einem Stadtteil von Detroit, wo zahlreiche leitende Manager verschiedener Autohersteller wohnten. Er verlor die Limousine aus den Augen, als sie durch das Tor eines mit hohen Mauern umgebenen Anwesens verschwand.

Am nächsten Nachmittag erschien er wieder vor dem Labor. Er parkte so, dass er einen ungehinderten Blick auf die Seitengasse hatte, die zur Rückseite des Gebäudes führte. Als die Limousine auftauchte, stieg er aus und ging hinüber zu der Gasse. Der Chauffeur, der die Tür aufhielt, warf ihm einen kurzen Blick zu, glaubte jedoch, dass Schroeder ein Penner war, den man getrost ignorieren konnte.

Ein Mann trat aus der Hintertür und ging zur Limousine. Er blickte in Schroeders Richtung, schickte sich an, in den Wagen zu steigen, dann schaute er wieder herüber. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Zur großen Verwirrung des Chauffeurs ging sein Arbeitgeber hinüber, legte die Arme um den Streuner und drückte ihn an seine Brust.

»Nach all den Jahren, was, in Gottes Namen, haben Sie denn hier zu suchen?«, fragte Kovacs.

»Ich dachte mir, dass Sie vielleicht Lust auf eine kleine Spazierfahrt im Schnee haben«, erwiderte Schroeder ebenfalls grinsend.

Kovacs reagierte mit einem Ausdruck gespielten Entsetzens. »Aber nicht, wenn Sie am Lenkrad sitzen.«

»Sie sehen gut aus, alter Freund.«

»Ja, Sie auch. Allerdings auch anders. Ich war mir anfangs nicht ganz sicher. Aber es ist derselbe alte Karl.«

»Ich hätte nicht hierher kommen sollen«, sagte Schroeder.

»Ich bitte Sie, mein Freund, das Schicksal hat gewollt, dass wir uns wiedersehen. Ich habe Ihnen so viel zu verdanken.«

»Zu wissen, dass Sie gesund sind und dass es Ihnen gut geht, ist für mich Dank genug. Jetzt muss ich wieder gehen.«

»Zuerst müssen wir reden«, sagte Kovacs. Er sagte seinem Fahrer, er solle warten, und ging voraus ins Labor. »Hier ist niemand mehr«, meinte er.

Sie durchquerten Laborräume, die mit elektrischen Apparaturen gefüllt waren, die eher in Dr. Frankensteins Labor gepasst hätten, und ließen sich dann in einem luxuriös eingerichteten Büro nieder.

»Sie haben es geschafft«, stellte Schroeder fest. »Das freut mich sehr.«

»Ja, ich habe Glück gehabt. Und Sie?«

»Ich bin zufrieden, obgleich es in meiner Behausung bei Weitem nicht so prächtig aussieht wie in Ihrer.«

»Sie waren in meinem Haus? Natürlich, ich hätte es mir denken können. Sie besetzen alle Bases, wie man in meiner neuen Heimat, dem Mutterland des Baseballspiels, zu sagen pflegt.«

»Haben Sie Familie?«

Ein dunkler Schatten schien über Kovacs’ Miene zu gleiten, doch dann lächelte er. »Ja, ich habe wieder geheiratet. Und Sie?«

»Es hat zwar einige Frauen gegeben, aber ich bin immer noch ein Einzelgänger.«

»Sehr schade. Ich würde Sie gerne meiner Frau und meiner Tochter vorstellen.«

Schroeder schüttelte den Kopf. Diese Begegnung sei das Äußerste, sagte er. Kovacs meinte, das verstehe er. Schroeders Erscheinen würde zu viele Fragen aufwerfen. Sie beide hatten immer noch erbitterte Feinde. Sie unterhielten sich noch gut eine Stunde lang, bis Schroeder schließlich die Frage stellte, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte.