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»Ich gehe davon aus, dass Sie die Frequenzen vergraben haben, oder?«

Kovacs tippte gegen seine Stirn. »Hier oben, für jetzt und alle Zeiten.«

»Sie sind sich bewusst, dass es einen Versuch gab, aus Ihrer Arbeit Nutzen zu schlagen. Die Russen haben im Labor einiges Material gefunden und alles Mögliche versucht, es für ihre Zwecke zu verwenden.«

Kovacs lächelte. »Ich bin wie die alte Tante, die für die Familie ihr Keksrezept aufschreibt, jedoch eine wichtige Zutat weglässt. Ihre Experimente hätten sie niemals ans Ziel gebracht.«

»Sie haben es versucht. Unsere neue Heimat hat ähnliche Forschung betrieben, sobald die Regierung erfuhr, was im Gange war. Dann hörten die Experimente auf.«

»Es gibt keinen Grund zur Sorge. Ich habe nicht vergessen, was meine Arbeit meiner ersten Familie angetan hat.«

Zufrieden mit dieser Antwort, verkündete Schroeder, er müsse gehen. Sie schüttelten sich die Hand und umarmten sich. Schroeder nannte Kovacs eine Adresse, über die er sich mit ihm in Verbindung setzen könne. Sie gelobten einander, sich irgendwann wieder zu treffen, doch Jahre vergingen ohne einen Kontakt. Dann, eines Tages, fand Schroeder in seinem anonymen Briefkasten eine Nachricht von dem Ungarn.

»Ich brauche abermals Ihre Hilfe«, lautete die Nachricht.

Als er ihn anrief, sagte der Wissenschaftler: »Etwas Schreckliches ist passiert.«

Diesmal begab Schroeder sich direkt zu der Villa in Grosse Point. Kovacs empfing ihn an der Tür. Er sah furchtbar aus. Das Alter hatte es gut mit ihm gemeint, die einzige sichtbare Veränderung waren zusätzliche graue Strähnen in seinen Haaren, aber unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und seine Stimme klang heiser, als ob er geweint hätte. Sie setzten sich ins Arbeitszimmer, und Kovacs berichtete, dass seine Frau vor ein paar Jahren gestorben war. Ihr Sohn habe eine wunderbare Frau geheiratet, erzählte er weiter, doch beide seien ein paar Wochen zuvor bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Als Schroeder ihm sein Mitgefühl aussprach, bedankte Kovacs sich und meinte, es gebe eine Möglichkeit, wie er helfen könne. Er schaltete die Haussprechanlage ein und sagte etwas, und fünf Minuten später kam eine Kinderfrau herein. Auf dem Arm trug sie ein bildschönes, blondes Baby.

»Meine Enkeltochter Karla«, sagte Kovacs und nahm stolz das Baby auf den Arm. »Ich habe sie nach einem alten Freund genannt, der, wie ich hoffe, bald ihr Pate sein wird.«

Er reichte Schroeder das Mädchen. Unbeholfen hielt er es im Arm. Er war tief berührt von dem Angebot und erklärte sich sofort bereit, die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Während das Mädchen heranwuchs, unternahm er mehrere Reisen nach Grosse Point, wo er als Onkel Karl auftrat und schon bald von ihrer Anmut und Intelligenz überwältigt war. Einmal verbrachten sie gemeinsam mehrere Tage in Montana. Sie saßen auf der Veranda seines Blockhauses und schauten dem Mädchen dabei zu, wie es Schmetterlinge jagte, als Kovacs offenbarte, dass er todkrank sei.

»Ich werde bald sterben. Mein Enkelkind ist versorgt. Aber ich möchte, dass Sie versprechen, auf sie aufzupassen, so wie Sie einmal auf mich aufgepasst haben, und sie vor jedem Schaden zu bewahren.«

»Es wird mir ein Vergnügen sein«, sagte Schroeder, der sich damals nicht hatte träumen lassen, dass er dieses Versprechen eines Tages würde einhalten müssen.

Das letzte Mal hatte er Karla während der Beerdigung ihres Großvaters gesehen. Sie hatte mit dem College begonnen, wo sie eifrig studierte, und besaß zahlreiche Freunde. Sie war zu einer reizenden und intelligenten jungen Frau herangewachsen. Von Zeit zu Zeit zog er Erkundigungen über sie ein, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, und verfolgte voller Stolz ihren Werdegang. Es war Jahre her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Er fragte sich, ob sie ihn wiedererkennen würde.

Er biss die Zähne zusammen. Eiserne Entschlossenheit trieb ihn an.

Egal was es kostete, er wusste, dass er sie aufsuchen musste, ehe sie es taten.

6

Der Eindringling glitt durch das dunkle Wasser und erzeugte eine Wolke von Luftblasen, die Fischschwärme durcheinander wirbelte wie Herbstlaub. Während das ein Meter fünfzig lange Torpedo durch die See flog, schleuderte der Wandler, der unter seiner stählernen Haut pulsierte, mit Höchstgeschwindigkeit Energiestöße zum Meeresgrund. Ein elektronisches Ohr fing die zurückgeworfenen Echos auf, und die vom sonaren Treidelfisch aufgesammelten Daten rasten mit Lichtgeschwindigkeit durch ein einige hundert Meter langes, abgeschirmtes faseroptisches Kabel. Das dicke Kabel schlängelte sich auf das Deck eines Schiffs mit türkisfarbenem Rumpf, das knapp vierhundert Kilometer östlich der Atlantikküste der Vereinigten Staaten eine schäumende Kiellinie in den Ozean pflügte.

Das Kabel endete im Beobachtungskontrollzentrum auf dem Hauptdeck des Schiffs. Austin saß vor einem matt leuchtenden Monitorschirm und analysierte die vom Sidescan-Sonar produzierten Bilder. Als revolutionäres Unterwasserforschungs­werkzeug, erfunden von dem mittlerweile verstorbenen Dr. Harold Edgerton, gestattete das Sidescan-Sonar eine schnelle Abtastung weiter Flächen Meeresboden.

Ein dunkle vertikale Linie vom oberen zum unteren Rand des Monitorschirms zeigte den Weg des Forschungsschiffs. Breite farbige Streifen auf beiden Seiten der Linie symbolisierten die Bereiche an Backbord und Steuerbord, die von dem Sidescan-Sonar erfasst wurden. Auf der rechten Bildschirmseite waren die Uhrzeit und die aktuellen Navigationsangaben abzulesen.

Austin betrachtete konzentriert den Bildschirm, das Gesicht vom Widerschein seines Lichts bernsteinfarben schimmernd, achtete auf jede visuelle Nuance. Es war ein ermüdender Job, und er übte ihn bereits seit zwei Stunden aus. Er hatte für einen kurzen Moment den Blick vom Bildschirm gelöst und rieb sich die Augen, als Zavala und Adler hereinkamen. Zavala trug eine Thermoskanne und drei Tassen, die er aus der Messe geholt hatte, in der Hand.

»Kaffeepause«, verkündete er. Er füllte die Tassen und reichte sie herum.

Austin verbrannte sich an dem Kaffee die Lippen, doch er beklagte sich nicht und war stattdessen dankbar, dass der Schmerz ihn wieder hellwach werden ließ. »Danke für dieses Koffein-Doping«, sagte er. »Mir fielen schon langsam die Augen zu.«

»Ich kann gerne die nächste Schicht übernehmen«, bot Zavala sich an.

»Danke. Ich schalte den Scan einstweilen auf Autopilot und zeige dir und dem Professor, was wir getan haben.«

Austin justierte den Sonarmonitor, damit er sich sofort durch ein Summen bemerkbar machte, sobald er ein Objekt aufspürte, das länger war als zwanzig Meter, dann versammelten sich die drei Männer um einen Kartentisch.

»Wir veranstalten eine Suche auf mittlerer Distanz, um so viel Meeresboden wie möglich zu überprüfen, ohne zu ungenauen oder verfälschten Ergebnissen zu gelangen«, erklärte Austin. »Die Meerestiefe beträgt hier ungefähr hundertachtzig Meter. Wir haben zwanzig Kilometer große Quadrate entlang der wahrscheinlichen Route des vermissten Schiffs markiert.« Er fuhr mit dem Finger an der Begrenzungslinie eines Rechtecks entlang, das mit Fettstift auf ein transparentes Deckblatt gezeichnet worden war. »Das Suchschiff folgt in jedem Quadrat imaginären parallelen Linien wie jemand, der einen Rasen mäht. Wir haben dieses Quadrat zur Hälfte abgesucht. Wenn wir das Schiff nicht in diesem Sektor finden, setzen wir unsere Suche in einer Reihe einander überlappender Quadrate fort.«

»Seid ihr auf irgendetwas Interessantes gestoßen?«, fragte Zavala.

Austin verzog das Gesicht. »Keine Meerjungfrauen, wenn du das meinst. Jede Menge Schlamm mit harten Sedimentanteilen dazwischen, Gesteinsbrocken, kleine Vertiefungen, großräumige Senken, Fischschwärme und alles Mögliche, was man auf dem Meeresboden so finden kann. Allerdings keine Spur von unserem Schiff — oder von irgendeinem Schiff, was das betrifft.«