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Zavala ließ den Helikopter gut fünfzig Meter höher steigen und folgte einem schnurgeraden Kurs genau auf den Wirbel zu. Während sie sich dem Naturschauspiel näherten, sagte er: »Es sieht aus wie die Caldera eines Vulkans.«

Austin nickte. Es gab in der Tat einige vulkanische Ähnlichkeiten, die sich hauptsächlich auf die Trichterform des Lochs und den Dunst bezogen, der daraus aufstieg. Diese dampfähnliche Substanz war die Ursache des Nebels, der einen großen Teils des Ozeans bedeckte.

Die glänzende schwarze Innenseite des Trichters, die er durch gelegentliche Lücken in der Dunstschicht erkennen konnte, war weitaus glatter als das Innere jedes Vulkantrichters, in den er jemals hatte hineinblicken können. Nichts von dem Bild, das der Satellit übertragen hatte, konnte auch nur annähernd die Schrecklichkeit des ozeanischen Phänomens vermitteln. Der Wirbel sah aus wie eine riesige, eiternde Stichwunde im Meer.

»Was schätzt du, wie groß dieses Schlagloch ist?«, fragte Austin.

»Viel zu groß!« Zavala kniff die Augen zusammen. »Aber um genau zu sein, würde ich meinen, dass es einen Durchmesser von etwa drei Kilometern hat.«

»Das würde ich auch sagen.« Austin nickte. »Und der Steilheit der Innenseite nach zu urteilen, könnte der Trichter bis auf den Meeresboden hinabreichen. Das ist jedoch bei den Dunstschwaden nicht eindeutig festzustellen. Können wir noch näher heran?«

Zavala führte entsprechende Flugmanöver aus, bis sie direkt über dem Wirbel schwebten. Von dieser Aussichtsposition aus erschien der Kreis wie ein riesiges mit Dampf gefülltes Waffelhörnchen. Der Helikopter verharrte in knapp hundert Metern Höhe über dem Strudel, aber sie schafften es noch immer nicht, tiefer hineinzublicken.

»Was nun?«, fragte Zavala.

»Wir könnten hineintauchen, aber am Ende kommen wir nicht mehr raus.«

»Was soll passieren?«

»Ich überlasse dir die Entscheidung. So wie das Ding da unten aussieht, könnte es für unsere Freunde längst zu spät sein. Durchaus möglich, dass du dein Leben für nichts und wieder nichts riskierst.«

Ein Grinsen huschte über Zavalas dunkles Gesicht. »Wie ich schon sagte, wie lautet deine Entscheidung?«

Austin hätte sich über jede andere Antwort gewundert. Niemals hätte einer von ihnen die Freunde im Stich gelassen. Er deutete mit dem Daumen abwärts. Zavala nickte und drückte das Höhensteuer behutsam nach vorne. Der Helikopter begann mit dem Abstieg in das schwarze Zentrum des Mahlstroms.

10

Der infernalische Lärm war der schlimmste Teil ihres Abstiegs in den Höllenschlund.

Die Trouts konnten die Augen zukneifen, damit sie nicht in den tiefen, wirbelnden Schacht blicken mussten, doch es war unmöglich, die betäubenden Lärmkaskaden auszublenden, die in einem fort auf sie einstürzten. Jedes Molekül in ihren Körpern schien von diesen Klang- und Geräuschattacken zu vibrieren. Der Lärm raubte ihnen ihre letzte Annehmlichkeit: die Fähigkeit zu reden. Sie konnten sich nur noch mit Gesten und dem Drücken der Hände untereinander verständigen.

Die herabstürzenden Wassermassen auf dem Grund des Strudels erzeugten ein stetiges Donnergrollen, als ob sich hundert Gewitter versammelt hätten, um sich gemeinsam zu entladen. Der Krach wurde durch die Trichterform des Wasserwirbels noch verstärkt. Noch entsetzlicher war das laute Schnauben und Schlürfen, das vom Grund heraufdrang, als würde das Zodiac in den gierigen Rachen eines riesigen gefräßigen Schweins hineingezogen.

Das Zodiac mit seinen beiden Passagieren war etwa zwei Drittel der steilen Innenwand des Trichters hinabgerutscht. Je mehr der Durchmesser des Trichters sich verringerte, desto schneller wurde die kreisförmige Strömung, bis das Schlauchboot herumgewirbelt wurde wie ein Salatblatt auf dem abfließenden Wasser in einer Küchenspüle.

Je tiefer das Boot sank, desto düsterer wurde das unterweltartige Szenario, das sie umgab. Die dichten Nebelschwaden, die vom Grund des Strudels hochwallten, verschluckten in zunehmendem Maß das wenige Sonnenlicht, das in den Trichter drang. Beide Trouts litten unter einem heftigen Schwindelgefühl, das durch die ständige Drehbewegung hervorgerufen wurde. Die mit Wasser gesättigte Luft wäre auch ohne die erstickenden Ausdünstungen vom Grund des Schachtes kaum atembar gewesen: eine Übelkeit erzeugende Mischung aus Salz, Fischen, Fäulnis und Unrat, die stank wie der seit Ewigkeiten nicht gesäuberte Laderaum eines Fischkutters.

Das Boot hatte die gleiche schräge Lage parallel zur Innenwand des Strudels beibehalten. Gamay und Paul saßen so dicht nebeneinander, als wären sie an den Hüften zusammengewachsen. Sie klammerten sich an die Sicherheitsleine des Bootes und gaben einander zusätzlichen Halt. Sie waren benommen vor Erschöpfung von ihrem Ritt in einer halb stehenden, halb sitzenden Position, die Körper verdreht und die Füße unter dem unteren Randwulst verkeilt. Nässe war durch ihre Regenhäute gedrungen, tränkte ihre Kleidung, und eisige Kälte verschlimmerte ihre prekäre Lage.

Je schneller sie sanken, desto klarer wurde ihnen, dass ihre Leiden schon in Kürze enden würden. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis sie völlig von den hochgeschleuderten Nebelschwaden verschluckt würden. Gamay reckte den Kopf und blickte nach oben, um vielleicht ein letztes Mal die Sonne sehen zu können. Sie blinzelte und konnte nicht glauben, was ihre Augen registrierten.

Ein Mann baumelte über dem Schlauchboot. Er zeichnete sich als Silhouette vor dem matten Sonnenlicht ab, und obwohl sie sein Gesicht nicht erkennen konnte, ließen seine breiten Schultern keinen Zweifel zu.

Kurt Austin.

Er hing an einem Seil, das an einem Helikopter befestigt war. Er winkte mit einem Arm und brüllte sich fast die Seele aus dem Leib, doch das Getöse des Strudels übertönte sowohl seine Stimme als auch den Lärm der wirbelnden Rotoren.

Gamay rammte Paul einen Ellbogen in die Seite. Er brachte ein grimmiges Lächeln zustande, als er ihrem deutenden Finger folgte und Austin bei seiner Peter-Pan-Imitation über ihren Köpfen bemerkte.

Der Helikopter hielt sich über dem Zodiac und folgte seiner Bahn an der Innenseite des Wasserwirbels entlang. In einer atemberaubenden Demonstration seiner Flugkunst hatte Zavala den Hubschrauber in Schräglage versetzt, um zu vermeiden, dass die Rotoren die Wasserwand des Trichters berührten. Ein falsches Manöver, eine Kursabweichung von wenigen Zentimetern, und der Hubschrauber würde in einem Wirbel zerbrochener Rotorflügel auf das Schlauchboot stürzen.

Die Rettungsaktion war in höchster Eile improvisiert worden. Während der Helikopter in den Strudel hinabtauchte, hatte Austin einen winzigen gelben Fleck tief unten an der Innenseite des Trichters entdeckt. Er erkannte Trouts Regenanzug auf Anhieb und machte Zavala darauf aufmerksam.

Der Helikopter folgte dem rotierenden Schlauchboot wie ein Streifenwagen auf der Jagd nach einem Raser. Austin klinkte schnell einige Gurtsysteme in die Rettungsleine ein. Mit einem Fuß in einer dieser Schlingen und einer Hand in einer anderen schwang er in den von den Rotoren und von den rotierenden Wassermassen erzeugten Luftwirbeln hin und her.

Trout gab Gamay ein Zeichen, es als Erste zu versuchen. Sie gab Austin durch ein Winken zu verstehen, dass sie bereit war. Der Helikopter sank tiefer, bis die untere Schlinge der Strickleiter sich knapp dreißig Zentimeter über ihren ausgestreckten Händen befand.

Austin war bis zum unteren Ende der Behelfsleiter hinabgestiegen in der Hoffnung, dass sein Gewicht sie stabilisieren würde. Doch die Leine zuckte und schlug hin und her wie eine Bullenpeitsche.

Die Rettungsleine berührte Gamays Fingerspitzen, entglitt jedoch ihrem Zugriff. Sie versuchte noch zweimal, die Schlinge zu fassen, doch ohne Erfolg. In einer verzweifelten Aktion streckte sie ihren Körper und zog sich hoch, bis sie auf dem oberen Randwulst des Schlauchboots hockte.