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Austin verspürte einen adrenalinbedingten Schub neuer Energie. Er streckte sich, und seine Finger schlossen sich um das Seil. Gamay bediente es und ließ ausreichend Länge nach. Seine kalten Finger zogen das Seil unter Trouts Achselhöhlen hindurch, dann wickelte er es um seinen eigenen Körper. Anschließend gab er Zavala ein Zeichen, sie hochzuhieven.

Während sie in die Luft stiegen und die Wellen unter ihnen zurückblieben, konnte Austin beobachten, wie das NOAA-Schiff und die Throckmorton mit hoher Fahrt auf sie zusteuerten.

Er blickte nach unten, und seine Augen weiteten sich bei dem Anblick, der sich ihm darbot. Der Strudel war praktisch verschwunden, und an seiner Stelle befand sich ein weiter, dunkler Kreis langsam rotierenden Wassers, in dem jede Menge ozeanischen Mülls trieb.

In der Mitte des Kreises stiegen Luftblasen auf, wie sie entstehen, wenn ein Taucher im Begriff, ist zur Wasseroberfläche aufzusteigen, nur viel größer. Dann wölbte das Wasser sich zu einem grünlich weißen Hügel auf, und ein riesiges Objekt tauchte aus dem Meer auf und wälzte sich in den Wellen.

In seinem Todeskampf hatte der Mahlstrom ein Schiff herausgewürgt.

11

Das LA-250 Renegade Wasserflugzeug war der felsigen Küste von Maine bis nach Camden gefolgt, wo es über einer Kette schwanengleicher Segelschiffe kreiste, die soeben den malerischen Hafen verließen, und flog nun über die Penobscot Bay nach Osten. Sein Ziel war eine birnenförmige Insel, die durch den rot-weiß gestreiften Leuchtturm markiert wurde, der auf einer hohen Felsformation an ihrem schmalen Ende aufragte.

Das Flugzeug landete in der Nähe des Leuchtturms auf dem Wasser und steuerte eine Vertäuboje an. Zwei Männer stiegen aus dem Flugzeug und kletterten in ein Boot mit Außenbordmotor, das an der Boje vertäut war, und nahmen Kurs auf einen Holzpier, an dem ein Powerboot und ein Achtundvierzig-Fuß-Schoner lagen. Sie verließen das Boot und gingen über den Pier zu einer steilen Treppe, die an einer zerklüfteten Klippe nach oben führte.

Die Strahlen der hellen Mainesonne wurden von Spider Barretts kahl rasiertem Schädel und der farbigen Tätowierung reflektiert. Barrett sah aus, als könne er ganz alleine einen Biker-Aufstand anzetteln. Er trug schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das den Blick auf dicke, mit Schädeltätowierungen bedeckte Arme erlaubte. Seine Augen waren hinter den blau verspiegelten Gläsern einer Sonnenbrille verborgen. Ein goldener Ring baumelte an einem Ohrläppchen, ein silberner Knopf zierte seine Nase, und um den Hals trug er eine silberne Kette, an der ein Eisernes Kreuz hing.

Der Hell’s-Angels-Look war irreführend. Obgleich Barrett ein Vermögen an klassischen Harley-Davidson-Motorrädern besaß, war er ein Elitestudent des Massachusetts Institute of Technology, wo er ein Diplom in Quantenphysik erworben hatte.

Der Pilot, Mickey Doyle, war gedrungen und sah aus wie eine wandelnde Bar für Sportfans. Er trug ein Celtics-T-Shirt und ein New-England-Patriots-Sweatshirt mit Reißverschluss. Eine Red-Sox-Baseballmütze saß auf einem Wust widerspenstiger Haare, die die Farbe von Karottensaft hatten. Außerdem kaute er auf einem dicken Zigarrenstummel. Aufgewachsen war Doyle im verrufenen, vorwiegend von der Arbeiterklasse bewohnten South Boston. Er verfügte über eine wache, mit straßenköterhafter Raffinesse gepaarte Intelligenz und einen altmodischen irischen Humor. Hinzu kam ein stets entwaffnendes Lächeln, das den arglosen Gesprächspartner täuschte, jedoch die Härte in seinen blauen Augen nicht mildern konnte.

Ein Mann mit einer Maschinenpistole unter dem Arm tauchte aus einem Dickicht niedriger Blaubeerbüsche auf. Er trug einen Tarnanzug, und auf seinem Kopf saß schräg eine schwarze Baskenmütze, die ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Er betrachtete die Männer ausgesprochen feindselig, deutete mit dem Lauf der MP auf die Felswand und folgte ihnen dann mit einigen Schritten Abstand. Dabei hielt er seine Waffe wachsam im Anschlag.

Am Fuß des Felsens betätigte der Wächter eine Fernbedienung, und eine als Felsen getarnte Tür öffnete sich. Dahinter wartete eine Liftkabine, die sie schnell nach oben zum Leuchtturm brachte.

Als sie aus dem Leuchtturm traten, erblickten sie Tristan Margrave, der Holz gehackt hatte und es soeben zu einem Stapel aufschichtete. Er legte seine Axt beiseite, winkte dem bewaffneten Wächter und kam herüber, um die Neuankömmlinge mit Handschlag zu begrüßen.

»Damit dürften Ruhe und Frieden für mich wohl beendet sein«, stellte er fest, während die Andeutung eines Grinsens über sein schmales Satansgesicht glitt.

Er überragte seine beiden Besucher um etwa dreißig Zentimeter. Obgleich seine Hände vom Holzhacken Schwielen aufwiesen, war er weder ein Arbeiter noch ein Reporter der New York Times namens Barnes, als der er sich Detective Frank Malloy vorgestellt hatte. Er hatte Barrett am MIT kennen gelernt, wo er ein Diplom in Computertechnik erworben hatte. Während ihrer späteren Zusammenarbeit hatten sie innovative Computerprogramme entwickelt, die sie zu mehrfachen Millionären gemacht hatten.

Barrett verfolgte, wie der Wächter sich entfernte und zwischen den Bäumen verschwand. »Als ich das letzte Mal hier war, hattest du noch keinen Wachhund.«

»Er gehört zu der Sicherheitsfirma, die ich engagiert habe«, erwiderte Margrave wegwerfend. »Ein Trupp von ihnen kampiert ein Stück die Küste hinunter auf der Insel. Gant und ich fanden, dass es vielleicht ganz gut wäre, sie anzuheuern.«

»Und was Gant sich wünscht, das kriegt er.«

»Ich weiß, dass du den Burschen nicht magst, aber Jordan ist lebenswichtig für unsere Bemühungen. Wir brauchen seine Stiftung, um die politischen Zugeständnisse zu erreichen, über die wir nach Abschluss unserer Arbeit verhandeln werden.«

»Ist Lucifer’s Legion für dich nicht mehr gut genug?«

Margrave kicherte. »Meine sogenannte Legion begann sich aufzulösen, sobald von Disziplin die Rede war. Du weißt, dass Anarchisten Autorität per se hassen. Ich brauchte Profis. Heutzutage nennen sie sich ›Berater‹ und verlangen ein Vermögen für ihre Dienste. Er hat lediglich seinen Job gemacht.«

»Und was istsein Job?«

»Dafür zu sorgen, dass keine unbefugten Besucher sich auf die Insel verirren.«

»Hast du denn Besucher erwartet?«

»Unser Unternehmen ist zu wichtig, als dass wir uns einen Fehlschlag leisten können.« Margrave grinste. »Verdammt, was wäre, wenn jemand einen Typen mit einer Spinnentätowierung auf dem Schädel zu Gesicht bekäme und anfinge, neugierige Fragen zu stellen?«

Barrett zuckte die Achseln und warf einen Blick auf den Holzstapel. »Es freut mich, dass du konsequent nach deiner Retro-Philosophie lebst, aber das Zerkleinern des Holzes wäre mit einer Kettensäge erheblich einfacher gewesen. Du weißt, dass ich mir so ein Ding leisten kann.«

»Ich bin weder ein Neo-Anarchist noch ein Neo-Luddit. Ich glaube an die Technologie, wenn sie zum Nutzen der Menschheit eingesetzt wird. Außerdem ist die Kettensäge defekt.« Er wandte sich an den Piloten. »Wie war der Flug von Portland hierher, Mickey?«

»Gemütlich. Ich habe Kurs über Camden genommen in der Hoffnung, die schnuckeligen Segelboote würden deinen Partner aufheitern.«

»Warum muss er aufgeheitert werden?«, fragte Margrave. »Er ist im Begriff, in den Olymp der Wissenschaft aufgenommen zu werden. Was ist los, Spider?«

»Wir haben ein Problem.«

»Das hast du schon am Telefon angedeutet. Ich dachte, du hättest nur einen Witz gemacht.«

Barrett lächelte düster. »Diesmal nicht.«

»Ich glaube, in diesem Fall brauchen wir alle etwas zu trinken.« Margrave ging über einen gepflasterten Weg voraus und führte sie zu einem großen, zweistöckigen weißen Holzhaus, das neben dem Leuchtturm stand.

Als Margrave die Insel drei Jahre zuvor gekauft hatte, hatte er entschieden, das Wärterhaus in seinem alten Zustand zu belassen, in dem es die schweigsamen Männer beherbergt hatte, die den einsamen Leuchtturm bedienten. Die Kiefernholzwände waren getäfelt, und der abgewetzte Linoleumfußboden sowie die Spüle aus Schiefer und die Handwasserpumpe in der Küche gehörten zur ursprünglichen Einrichtung.