»Wie ich sehe, haben Sie, wie von mir gewünscht, die Fallakten und Disketten mitgebracht«, stellte Gant fest.
Sacker reichte ihm einen Aktenkoffer. »Normalerweise behalten wir eine Sicherungskopie unserer Akten in der Kanzlei, aber da Sie so großzügig für höchste Verschwiegenheit bezahlten, haben wir sämtliche Daten aus unseren Computern und Akten gelöscht und entfernt. Alles ist in diesem Koffer. Es ist so, als hätten wir Ihren Fall niemals bearbeitet.«
»Im Namen des Global Interests Network möchte ich mich für Ihre umfangreiche Arbeit bedanken. Ich danke Ihnen außerdem dafür, dass Sie das gesamte Projekt geheim gehalten haben.«
»Wir haben lediglich unseren Job gemacht«, sagte Sacker.
»Es war eine interessante Aufgabe. Was wir auf Papier für Sie entwickelt haben, ist ein Megakonzern, der jede Art von elektronischer Kommunikation auf diesem Planeten kontrollieren würde. Mobilfunknetze. Satelliten. Telekommunikation. Den gesamten dicken Kuchen.«
»Sie werden zugeben, dass dies genau das ist, wohin sich alles schon seit langem entwickelt hat, wenn man sich die Übernahmen und Fusionen in der Kommunikationsindustrie ansieht.«
»Diese Arrangements sind im Vergleich mit dem Gebilde, das wir für Sie konstruiert haben, billige Imbissbuden.«
»Dann haben Sie genau das geleistet, zu was Sie beauftragt wurden.«
»In diesem Fall hoffe ich, dass Sie uns für jede kartellrechtliche Klage, die gegen Sie eingereicht werden kann, als Klient erhalten bleiben«, meinte Sacker grinsend.
Gant kicherte. »Sie stehen auf meiner Liste ganz oben.«
»Gestatten Sie mir eine Frage, Mr. Gant?«
»Natürlich. Schießen Sie los.«
»Diese Übereinkünfte und Verträge würden, unter höchst unwahrscheinlichen Umständen, jemanden in die Lage versetzen, die Kontrolle über die bedeutenden Kommunikationssysteme der Welt an sich zu reißen. Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber Ihre Stiftung zieht doch gegen das zu Felde, was Sie als schikanöse Unterdrückung durch Welthandel, Marktsystem und Kapitalismus betrachten.«
»Das ist richtig. Das GIN vertritt demokratische Prinzipien und ist absolut unparteiisch. Wir sind der Meinung, dass der freie Handel segensreich für die Weiterentwicklung von Nationen und die Förderung des Friedens sein kann. Aber wir kämpfen gegen das derzeit gültige Freihandels-Modell. Wir wehren uns dagegen, dass wirtschaftliche Interessen über Sicherheitsstandards gesetzt und Vorschriften zum Umweltschutz als Barrieren für den freien Handel betrachtet werden. Wir sind gegen die Konzentration von Macht in den Händen weniger multinationaler Konzerne. Wir sind gegen eine Verteilung von Investitionen über wirtschaftliche Grenzen hinweg, um regionale Gesetze zu umgehen. Wir betrachten die Weltbank, die WTO und die IMF als Institutionen, die sich über nationale Regierungen hinwegsetzen.« Er griff nach einer rot-weiß-blauen Broschüre und reichte sie Sacker. »Sie können alles über unser Freedom Project in dieser hübschen kleinen Schrift nachlesen.«
»Ich habe sie gelesen«, erwiderte Sacker, »und ich habe gegen einige Ihrer dort beschriebenen Positionen nichts einzuwenden.« Er sah zu den Postern an der Wand, auf denen die WTO als riesiger Krake dargestellt war. »Warum will eine Stiftung wie die Ihre eine Menge Geld für die Gründung von etwas ausgeben, wogegen Sie eigentlich kämpfen?«
»Das ist einfach. Wir finden, dass der Megakonzern, den Sie entworfen haben, schon in naher Zukunft Realität sein wird. Wenn man erfolgreich gegen einen Feind kämpfen will, dann muss man ihn kennen. Wir betrachten uns im Wesentlichen als Denkfabrik. Die Blaupause, die Sie vorbereitet haben, verschafft uns die Möglichkeit, sowohl die Schwächen wie auch die Stärken eines globalisierten Kommunikationsnetzes aufzuspüren oder zu testen.«
»Sehr clever. Es scheint, als sei GIN bereits ganz gut im Geschäft. Ich kann nicht mehr die Fernsehnachrichten einschalten, ohne einen Ihrer sprechenden Köpfe dabei zu erwischen, wie er sich über das jeweilige Tagesthema äußert.«
»Vielen Dank. Unsere Reichweite ist ganz schön beeindruckend, aber dabei geht es nur um Einfluss, nicht um Macht.«
Sacker schaute auf die Uhr und stemmte sich dann aus seinem Sessel hoch. Gant schüttelte jedem der Anwälte die Hand und geleitete sie zur Tür. »Noch einmal vielen Dank. Sie werden von mir hören.«
Als die Anwälte den Raum verlassen hatten, drückte Gant auf den Intercomknopf seines Telefons und sagte ein paar Worte. Die Seitentür des Büros öffnete sich, und Mickey Doyle kam herein.
»Hallo, Mickey«, sagte Gant. »Hast du’s gehört?«
Doyle nickte. »Sacker ist ein schlauer Bursche. Ihm ist irgendetwas aufgefallen, er wusste nur nicht genau, was.«
»Ich glaube, ich habe ihn mit meiner Erklärung abgelenkt, aber ich bin mir nicht so sicher, ob er mir wirklich geglaubt hat. Ist auch egal. Hast du seit dem Zwischenfall mit Barrett schon mit Margrave gesprochen?«
»Heute Morgen. Er sagte, er habe versucht, Spider anzurufen, ihn allerdings nicht erreicht. Ich erklärte ihm, dass Barrett, als ich ihn auf dem Flughafen in Portland absetzte, gemeint habe, er wolle für ein paar Tage in Klausur gehen, um in Ruhe über alles nachzudenken.«
»Gute Arbeit.« Gant öffnete eine Schreibtischschublade und zog einen in Leder gebundenen Hefter heraus. Um Fragen zu dem Einschussloch in der alten Mappe zuvorzukommen, hatte Doyle sie durch eine neue ersetzt. »Ich habe das Material von Karla Janos gelesen. Es ist eindeutig, dass sie etwas weiß.«
»Davon war Spider ebenfalls überzeugt. Wie soll ich mit ihr verfahren?«
»Das ist bereits in Arbeit. Als du mich von der Insel aus angerufen und mir die Neuigkeit über ein Gegenmittel, das unser Vorhaben vereiteln könnte, mitgeteilt hast, habe ich beschlossen, schnell zu reagieren. Unsere Sicherheitsleute haben die Frau an der Universität von Alaska in Fairbanks aufgespürt. Unglücklicherweise haben wir sie knapp verfehlt. Sie befindet sich zurzeit auf einer wissenschaftlichen Expedition in Sibirien.«
»Sibirien! Mein Gott! Warum nicht gleich auf dem Mond?«
»Keine Sorge. Die Leute, die hier in der Stiftung die Rechnungen bezahlen, haben einen langen Arm. Sie machen regelmäßig in Russland Geschäfte und konnten den Kontakt zu einem Gentleman in Moskau herstellen. Er hat seine Leute in Sibirien benachrichtigt, und sie haben Ms. Janos auf einer einsamen Insel aufgestöbert. Sie werden sie entführen und festhalten. Unterdessen ist ein Team unterwegs, um sie auszufragen und in Erfahrung zu bringen, was sie weiß.«
»Glaubst du, sie weiß etwas, das das Projekt in Gefahr bringen könnte?«
»Selbst wenn, hätte es keinerlei Konsequenzen«, sagte Gant. »Wir wollen lediglich wissen, ob sie mit jemandem geredet hat. Dann schaffen wir sie beiseite. Möglicherweise müssen wir uns auch noch mit einem anderen Problem befassen. Kurt Austin, dieser NUMA-Mann, den Barrett erwähnte. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass er den Spulenmechanismus gesehen hat.«
»Wir behalten ihn im Auge.«
»Gut. Ich habe Austin per Computer überprüfen lassen. Er hat einen beeindruckenden Hintergrund. Wir wollen nicht, dass er irgendwelche Schwierigkeiten macht. Sobald wir ihn als Bedrohung betrachten, muss er schnellstens eliminiert werden. In der Zwischenzeit bleib in Margraves Nähe und melde dich sofort, falls dir irgendetwas auffällt, das du für wichtig hältst. Wir wollen, dass er dieses Projekt unter Einsatz eigener Mittel und Energie bis zum Ende durchzieht.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein.«
Gant war ein Meister darin, seine eigenen Emotionen zu verbergen, aber er hatte ein einmaliges Talent, Emotionen und Ausdruck anderer zu deuten. Doyle sah in diesem Moment aus wie eine Bulldogge, der gleich ein Steak vorgesetzt wird.
»Du magst ihn nicht, oder?«
»Tris? Nein. Er hat mich immer wie den letzten Dreck behandelt. Er glaubt, ich sei sein Äffchen. Befiehlt mir, Kaffee zu kochen und Drinks zu servieren, und als Belohnung darf ich mir eine Dose Bier holen. Für jemanden wie ihn bin ich mehr oder weniger unsichtbar.«