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»Es sind noch jahrzehntelange Studien nötig, ehe wir die ganze Geschichte kennen, aber ich glaube, dass die Stadt während der Steinzeit in der Magmakammer erbaut wurde, nachdem der Vulkan schon lange erkaltet war.«

»Warum unterirdisch?«

»Aus den üblichen Gründen. Weil sie sich dort besser verteidigen ließ oder wegen drastischer Klimaveränderungen. Sie haben Mammuts als Lasttiere eingesetzt, wodurch sie in der Lage waren, die riesigen Steinblöcke vom Fleck zu bewegen.«

»Und was geschah mit den Bewohnern?«

»Die Klimaveränderungen können zur Folge gehabt haben, dass sie keine Nahrung mehr anbauen konnten. Ein Polsprung könnte ein Hochwasser oder ein Erdbeben ausgelöst haben, was zu einem teilweisen Zusammenbruch der Kammerdecke geführt hat, wodurch sich auch die seltsame Form der Caldera erklären ließe. Dieser Weg an der Bergseite deutet darauf hin, dass der gewöhnliche Zugang zur Stadt aus irgendeinem Grund verschüttet wurde.«

»Haben Sie auch schon eine Idee, wie die Mammuts es schaffen konnten zu überleben?«

»Aufgrund reiner Anpassungsfähigkeit. Da die Nahrungs­quellen geringer wurden, reduzierte sich auch ihr Größen­wachstum, um sie an die Umweltbedingungen anzupassen. Außerdem scheinen sie die Fähigkeit erlangt zu haben, die kälteste Zeit des Jahres im Winterschlaf zu überdauern.«

»Was ist mit den Stadtbewohnern? Wer waren sie?«

»Das ist ein großes Rätsel. Durchaus möglich, dass jahrzehnte­lange Forschungen nötig sind, ehe man auch nur eine vage Vorstellung davon hat, wer sie waren und was ihnen zugestoßen ist.«

»Wie geht es den kleinen Wollknäueln?«

»Den Mammuts? Bestens. Sie scheinen sich in dem Pferch, den wir für sie gebaut haben, wohlzufühlen, solange wir sie regelmäßig füttern. Dafür ist Maria Arbatov zuständig. Am schwierigsten wird es sein, sie vor der Welt draußen zu beschützen. Wir kriegen jede Menge Presseanfragen, wie Sie sich sicher vorstellen können, und wir versuchen, das Ganze ein wenig einzudämmen.«

Er ließ den Blick über die Insel schweifen. »Ich hoffe, dass dies alles unseren aggressiven Forscherdrang übersteht.«

»Ich denke schon. Diese Forschungsbemühungen erscheinen mir um einiges seriöser und vielversprechender als der Versuch, Mammuts zu klonen.«

»Was kommt als Nächstes?«

»Ich werde noch ein paar Wochen hierbleiben und dann zurückkehren, um Onkel Karl in Montana zu besuchen. Im nächsten Monat bin ich in Washington, wo ich im Smithsonian einen Vortrag halten werde.«

»Das ist eine gute Nachricht. Wenn Sie in Washington sind, wie wäre es dann mit ein paar Cocktails, einem Abendessen und was sich sonst noch ergibt?«

Die rauchgrauen Augen musterten ihn über den Glasrand. »Vor allem bin ich auf das was sich sonst noch ergibtgespannt.«

»Dann steht die Verabredung. Ich denke, es wird Zeit, einen Toast auszubringen. Ladies first.«

Sie brauchte nur eine Sekunde lang nachzudenken.

»Auf Onkel Karl. Wenn er nicht meinem Großvater das Leben gerettet hätte, dann wäre all das hier nicht möglich gewesen.«

»Darauf trinke ich. Ohne Onkel Karl wären auch Sienicht möglich.«

Sie schenkte Austin ein verheißungsvolles Lächeln. Dann, im Licht der arktischen Morgendämmerung, hoben sie ihre Gläser und stießen miteinander an.

Obwohl der Tod ihm für einen großen Teil seines Lebens ein enger und vertrauter Gefährte gewesen war, konnte Schroeder sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal an einer Beerdigung teilgenommen hatte. Er wollte Schatsky stilvoll und mit allen Ehren begraben. Der kleine Dackel, der von einem von Gants Killern getötet worden war, hatte sich immer als ein guter Gefährte erwiesen. Glücklicherweise war die Temperatur in seiner Berghütte über längere Zeit so niedrig gewesen, dass Schatskys Kadaver während seiner Abwesenheit erhalten geblieben war.

Er nahm den kleinen Körper, wusch das Blut ab, so gut er konnte, und wickelte den Hund in seine Lieblingsdecke. Indem er das Hundebett als Sarg benutzte, trug er ihn in den Wald hinter seinem Haus. Er grub ein tiefes Loch, wickelte den Hund mitsamt seinem Bett in Segeltuch ein und vergrub ihn dann zusammen mit einem Karton Hundeknochen und Schatskys liebstem Kauspielzeug.

Das Grab markierte Schroeder mit einem großen Stein. Danach kehrte er in seine Hütte zurück, wuchtete eine Holzkiste hoch und schleppte sie in den Wald, wo er nicht weit vom Grab des Hundes entfernt ein zweites Loch aushob. Er kippte die Kollektion automatischer und halbautomatischer Waffen in die Grube und bedeckte sie mit Erde. Die Schrotflinte hatte er im Haus behalten, nur für alle Fälle, aber die tödlichen Waffen, die er unter dem Fußboden versteckt hatte, brauchte er nicht mehr.

Es war seine Art, das Ende eines Kapitels seines Lebens zu zelebrieren. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass ihn etwas Unangenehmes aus seiner Vergangenheit einholte, aber das wurde im gleichen Maße unwahrscheinlicher, wie er älter wurde. Karla würde ihn bald besuchen, und er hatte eine Menge Arbeit vor sich, die Kajaks und Kanus für seinen Job als Jagdführer einsatzfähig zu machen. Aber ohne den kleinen Hund, der ihm ständig zwischen den Füßen herumgelaufen war, erschien die Hütte furchtbar einsam.

Er stieg in seinen Pick-up und fuhr vom Berg hinunter zu seiner Stammkneipe. Es war noch früh am Tag, und in der Bar herrschte wenig Betrieb. Ohne einige Stammgäste, die ihn begrüßt hätten, fühlte er sich sogar noch einsamer.

Ach, zum Teufel damit. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier. Und ein zweites. Er fing gerade an, sich selbst leid zu tun, als ihm jemand auf die Schulter klopfte. Er drehte sich um und sah eine Frau, wahrscheinlich Mitte sechzig, hinter sich stehen. Sie hatte langes silbergraues Haar, große braune Augen, und ihre gebräunte Haut wies kaum nennenswerte Falten auf.

Sie stellte sich als Künstlerin vor, die von New York nach Montana umgezogen war. Sie hatte ein offenes, freundliches Gesicht und ein ansteckendes Lachen sowie einen wachen Sinn für Humor, den sie demonstrierte, als sie die kulturellen Unterschiede zwischen beiden Orten beschrieb. Schroeder war von ihr derart fasziniert, dass er völlig vergaß, sich vorzustellen.

»Ich glaube, bei Ihnen einen leichten Akzent herauszuhören«, sagte sie.

Schroeder wollte schon zu seiner üblichen Erklärung ansetzen, dass er Schwede sei und Arne Svensen hieße, aber er hielt inne. Irgendwann würde eine Zeit kommen, wenn er beginnen würde, anderen Menschen zu vertrauen, und damit könnte er genauso gut schon jetzt anfangen. »Sie haben gute Ohren. Ich bin Österreicher. Mein Name ist Karl Schroeder.«

»Nett, Sie kennen zu lernen, Karl«, sagte sie mit einem aufrichtigen Lächeln. »Ich würde gerne Forellen fischen, aber ich weiß nicht wo. Können Sie mir einen zuverlässigen Führer empfehlen?«

Schroeder schenkte ihr sein fröhlichstes Grinsen. »Aber sicher«, sagte er. »Da kenne ich genau den richtigen für Sie.«

Danksagungen

Bei der Darstellung der Ereignisse im Zusammenhang mit einer der furchtbarsten historischen Katastrophen, der Versenkung des Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloffdurch einen U-Boot-Angriff, stützte dieses Buch sich im Wesentlichen auf Die Versenkung der» Wilhelm Gustloff« von Christopher Dobson, John Miller und Ronald Payne. Eine Anzahl von Quellen lieferte Anregungen für die Kapitel über Monsterwellen, doch die anschaulichste war die BBC-Produktion Freak Wave,die Interviews mit Wissenschaftlern wie auch Seeleuten einschloss. Außerdem gilt unser Dank Sue Davis, Direktorin und Geschäftsführerin des Stanley Museum in Kingfield, Maine.