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Sie kletterten die Böschung hinunter und näherten sich den drei Gestalten. Die drei Männer waren erschossen worden. Austin biss die Zähne zusammen, und aus seinen hellblauen Augen verflüchtigte sich auch noch der letzte Rest von Wärme. Er dachte an Maria Arbatovs qualvolle Flucht flussabwärts und schwor sich, dass wer immer dieses Werk vollbracht hatte, in voller Höhe dafür bezahlen würde.

Zavala beugte sich über Fußspuren im groben Sand. »Diese Kerle haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen. Ihnen zu folgen dürfte nicht allzu schwierig sein.«

»Dann los, machen wir ihnen unsere Aufwartung«, entschied Austin.

Mit den Pistolen schussbereit in den Händen, folgten sie den Fußabdrücken durch den gewundenen Canyon. Als sie um eine Ecke bogen, stießen sie auf eine vierte Leiche.

Zavala kniete sich neben den Mann. »Eine Messerwunde zwischen den Schulterblättern. Seltsam. Dieser Gentleman wurde nicht erschossen wie die anderen Leute. Ich wüsste gerne, wer er ist.«

Austin drehte die Leiche auf den Rücken und blickte in ein unrasiertes Gesicht. »Nicht gerade die Art von Physiognomie, die man bei einer Handelskonferenz erwarten würde.«

Der Boden in der näheren Umgebung des Mannes wies Spuren eines Ringkampfs auf, und Fußabdrücke führten von der Leiche weg. Austin glaubte die kleineren Fußabdrücke einer Frau zwischen den anderen erkennen zu können. Sich noch leiser bewegend, setzten sie den Weg durch die Schlucht fort und gelangten zu einer Stelle, wo die Fußabdrücke endeten und wo die Böschung abgerutscht war.

Sie kletterten aus der Schlucht heraus und nahmen die Spur wieder im Permafrost auf. Obgleich die Landschaft eben war und sie kilometerweit blicken konnten, entdeckten sie bis auf ein paar in der Luft kreisende Seevögel keinerlei Lebenszeichen. Die Spur führte zu einer flachen Senke, die vor einem Höhleneingang endete.

»Jemand hat hier offensichtlich gegraben«, stellte Zavala fest.

»Sehr gut kombiniert, Sherlock.« Austin hob einen Presslufthammer hoch, der mit einem tragbaren Kompressor verbunden war. Beides hatte unweit des Höhleneingangs im Gesteinsschutt gelegen.

Zavalas scharfer Blick untersuchte das teilweise geschwärzte Geröll rund um die Höhlenöffnung. »Okay, Watson, gesprengt wurde hier ebenfalls.«

Austin schüttelte den Kopf. »Wir sind zwar erst weniger als eine Stunde hier, aber ich entwickle schon jetzt eine tiefe Abneigung gegen Ivory Island.«

Er kroch in das Loch und kam eine Minute später kopfschüttelnd wieder heraus. »Es wäre der reinste Selbstmord. Wir wissen nicht, wie weit es hineingeht. Und wir haben noch nicht einmal eine Taschenlampe.«

Sie kehrten zu ihrem Paraglider zurück, riefen den Eisbrecher und baten Ivanov, ein paar Männer herüberzuschicken, um die Toten einzusammeln und Lampen heranzuschaffen. Austin empfahl, die Männer mit Waffen auszurüsten. Das besondere Interesse des Kapitäns berücksichtigend, meinte Austin noch, er hoffe, dass Karla noch am Leben war. Der Kapitän meldete, Maria Arbatov sei fachkundig versorgt worden, und es gehe ihr den Umständen entsprechend gut. Dann wünschten sie einander Glück und unterbrachen die Verbindung.

Austin benutzte ihre Startposition als zentralen Bezugspunkt und flog dann eine weiter werdende Spirale, die den Überblick über ein großes Gebiet gestattete. Sie sahen jedoch nur gleichförmigen Permafrost. Austin war schon im Begriff, zum Strand zurückzukehren und dort auf das Boot des Eisbrechers zu warten, als Zavala ihm etwas ins Ohr rief.

Austins Blick folgte Zavalas deutendem Finger, und er entdeckte eine eindeutig identifizierbare Spur, die am Hang des Vulkans aufwärtsführte. Sie flogen zum Vulkan und sahen, dass der Weg nicht natürlichen Ursprungs war, sondern dass es sich um eine Reihe von Serpentinen handelte, die in den Berghang hineingeschnitten worden waren. Austin vermutete, dass hier die Hand eines Menschen mit im Spiel gewesen sein musste.

»Das sieht fast so aus wie eine Art Straße«, sagte Austin.

»Genau das habe ich mir auch gedacht. Sollen wir es uns mal ansehen?«

Die Frage war unnötig. Austin hatte mit dem Paraglider bereits eine Kehre geflogen, und sie steuerten auf den Rand der Caldera zu.

30

Die unterirdische Stadt erstreckte sich schachbrettartig unter der kuppelförmig gewölbten Decke einer riesigen Höhle. Die uralte Metropole war von der Sonne abgeschnitten und hätte in totaler Dunkelheit liegen müssen, jedoch erstrahlte sie in einem silbrig grünen Licht, das von jedem Gebäude und jeder Straße ausgestrahlt zu werden schien.

»Wie kommt es, dass alles so hell leuchtet?«, fragte Schroeder, während er mit Karla an seiner Seite durch eine Straße humpelte.

»Ich habe mich im Zuge eines Kurses in Geologie auch mit Licht aussendenden Mineralien beschäftigt«, sagte Karla.

»Einige Mineralien beginnen unter dem Einfluss von ultravioletter Strahlung zu leuchten. Andere leuchten aufgrund von Strahlung oder chemischer Veränderung. Aber wenn wir richtig liegen und dies ein alter Vulkan ist, dann haben wir es vielleicht mit einem thermoluminiszenten Effekt zu tun, der durch Wärme ausgelöst wird.«

»Könnte dies eine alte Magmakammer sein?«, fragte Schroeder.

»Möglich ist das schon. Aber ich weiß es nicht. In einem Punkt bin ich mir jedoch ganz sicher.«

»Und der wäre, meine Liebe?«

Sie blickte geradezu andächtig auf die leuchtenden Bauwerke, die sich in jede Richtung erstreckten. »Wir sind Fremde in einem fremden Land.«

Nachdem sie den Tunnel verlassen hatten, der zu der Stadt führte, waren sie unter einem Spitzbogen hindurch- und über eine breite Rampe zu einem offenen Platz hinuntergegangen, in dessen Mitte sich eine aus massiven Steinquadern erbaute Stufenpyramide erhob. Das Prozessionsmotiv inklusive der domestizierten Wollhaarmammuts setzte sich auf den äußeren Etagen der Pyramide fort, obgleich hier die Farben bei Weitem nicht so kräftig waren wie im Tunnel. Karla vermutete, dass dies ein Tempel oder ein Podium für Priester oder Redner war, von wo aus sie sich an die Menschen wandten, die sich auf dem Platz versammelt hatten.

Eine gepflasterte Prachtstraße von etwa zwanzig Metern Breite führte ins Zentrum der Stadt. Sie waren über den Boulevard geschlendert wie ein Touristenpaar, das von den Neonreklamen des Broadway verzaubert wurde. Die Gebäude waren viel kleiner als die Wolkenkratzer Manhattans — höchstens drei Stockwerke hoch –, dennoch waren sie architektonische Wunderwerke, wenn man ihr vermutliches Alter berücksichtigte.

Die Promenade war mit Podesten gesäumt. Die Statuen, die einst auf ihnen gestanden hatten, lagen als nicht identifizierbare Schutthaufen neben und hinter ihnen, als wären sie von Vandalen mutwillig umgestoßen worden.

Schroeder entlastete seinen lädierten Fußknöchel ein wenig, dann untersuchten er und Karla zwei Gebäude, doch sie waren so leer, als wären sie von einem riesigen Besen ausgefegt worden.

»Was meinst du, wie alt dies hier ist?«, fragte Schroeder, während sie tiefer in die Stadt eindrangen.

»Jedes Mal, wenn ich versuche, mich auf ein Datum festzulegen, entdecke ich neue Widersprüche. Die Tatsache, dass die Wandmalereien Menschen und Mammuts in friedlicher Koexistenz zeigen, verlegt diese Stadt ins Pleistozän. Dies war ein Zeitraum, der sich von vor eins Komma acht Millionen Jahren bis vor zehntausend Jahren erstreckte. Selbst wenn wir uns auf das jüngste Datum von zehntausend Jahren festlegen, ist der hohe Grad von Zivilisation, den wir hier erkennen können, absolut erstaunlich. Wir sind immer davon ausgegangen, dass der Mensch sich erst sehr viel später aus seinem primitiven Stadium weiterentwickelt hat. Die ägyptische Zivilisation ist erst fünftausend Jahre alt.«

»Was meinst du, wer diese wunderschöne Stadt erbaut hat?«

»Alte Sibirer. Diese Insel war mit einem arktischen Kontinentalsockel verbunden, der zum Festland gehörte. Ich habe keine Zeichnungen von Booten gesehen, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine ans Festland gebundene Gesellschaft gehandelt hat. Dem äußeren Anschein nach war dies eine reiche Stadt.«