»Nach der Entdeckung dieser Tiere auf der Insel ist mein Aufsatz nur noch ein Witz. Ich kann es kaum erwarten, dorthin zurückzukehren und weiterzuforschen.«
»Petrow hat versprochen, sich akademischer Kreise und nicht so sehr irgendwelcher Regierungsvertreter zu bedienen, um Ihre pelzigen Freunde zu schützen. Er hatte einigen politischen Ärger und glaubt, dass diese Geschichte ihm nützen könnte.«
»Das freut mich zu hören. Aber zurück zu meinem Großvater. Als ich auf dem College war, ging ich mit meiner Theorie von einem durch eine Katastrophe ausgelösten Aussterben zu meinem Großvater, weil er der einzige Naturwissenschaftler war, den ich damals kannte. Es herrschte allgemeine Skepsis darüber, dass ein Polsprung überhaupt möglich sein sollte. Er sagte jedoch, dass so etwas geschehen könne und dass es schon mal geschehen sei. Dass ein solcher Vorgang durch natürliche Phänomene eingeleitet werden könne, oder, in der Zukunft, auch durch menschliches Zutun, wenn die entsprechende Technologie zur Verfügung stünde. Er zeigte mir einige Berechnungen, die mit Elektromagnetismus zu tun hatten und angeblich seine Theorie bewiesen. Das ist alles. Später, als ich nach seinem Tod an meiner Doktorarbeit saß, stützte ich mich mitunter auch auf seine Erkenntnisse.«
»Ist das alles, was er zu diesem Thema äußerte?«
»Ja. Wir haben uns kaum über Naturwissenschaft unterhalten. Als meine Eltern starben, wurde er für mich Vater und Mutter zugleich. Ich erinnere mich, dass er sich Gute-Nacht-Gedichte ausdachte, damit ich schneller einschlief.«
Sie trank von ihrem Kaffee. »Wie kam es, dass Sie und Joe uns gerettet haben?«
»Ich hörte aus zuverlässiger Quelle, dass Ihr Leben aufgrund Ihrer familiären Verbindungen in Gefahr sein könnte.«
»Sie sind nur deswegen um die halbe Welt gereist?«
»Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr Onkel Karl die Geschichte so gut im Griff hatte, wären meine Sorgen um einiges geringer gewesen.«
»Onkel Karl hat mir das Leben gerettet, aber ich fürchte, dass wir beide aus dem letzten Loch pfiffen, als Sie und Joe vom Himmel gefallen sind. Eigentlich bin ich ziemlich verwirrt. Ich dachte immer, die NUMA habe ausschließlich mit Ozeanen zu tun.«
»Genau deshalb bin ich hier. Es hat auf See einige heftige Störungen gegeben, die mit etwas in Verbindung stehen könnten, das Ihr Großvater veröffentlicht hat. Es war eine Reihe von Gleichungen, die unter der Bezeichnung Kovacs-Theoreme bekannt wurden.«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie sagten, Lazio Kovacs vertrat die Theorie, dass elektromagnetische Impulse dazu benutzt werden können, um einen Polsprung auszulösen. Irgendwann in der Zukunft.«
»Ja, das ist richtig.«
»Nun, die Zukunft hat angefangen.«
»Wer sollte den Wunsch haben, so etwas zu tun? Und weshalb?«
Austin spreizte die Hände in einer Geste der Ratlosigkeit.
»Das weiß ich nicht. Wenn wir nach Washington zurückkommen, möchte ich, dass Sie sich mit jemandem unterhalten. Vielleicht können Sie in bestimmten Punkten für Klarheit sorgen.«
»Ich hatte gehofft, vorher in Fairbanks vorbeizuschauen.«
»Ich fürchte, dafür reicht die Zeit nicht. Es könnte eine ganze Menge auf dem Spiel stehen.«
»Ich verstehe. Selbst wenn ich für das, was im Gange ist, nicht verantwortlich bin, hat meine Familie doch sehr viel damit zu tun, laut dem, was Sie mir erzählt haben. Ich werde alles tun, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.«
»Ich wusste, dass Sie das sagen würden. Wir landen morgen. Danach wird uns ein NUMA-Flugzeug nach Washington bringen. Meine Kollegen Gamay und Paul Trout besitzen ein Stadthaus in Georgetown, und ich denke, sie werden sich freuen, Sie bei sich aufzunehmen. Die NUMA wird die Rechnungen für Kleidung, die Sie brauchen werden, gerne übernehmen.«
Karla tat etwas Unerwartetes. Sie beugte sich über den Tisch und hauchte Austin einen Kuss auf den Mund. »Vielen Dank für alles, was Sie für mich und Onkel Karl getan haben. Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen kann.«
Normalerweise hätte Austin auf eine solche Bemerkung von einer schönen und intelligenten Frau wie Karla mit einer Einladung zu einem Abendessen reagiert. Doch ihre Geste überraschte ihn derart, dass das Beste, was er zustande brachte, ein höfliches »Gern geschehen« und die Empfehlung, lieber schlafen zu gehen, war.
Karla erwiderte, dass sie noch ein paar Minuten sitzen bleiben wolle und dass man sich bestimmt am nächsten Morgen sehen werde. Sie tauschten einen Händedruck und wünschten einander eine gute Nacht. Während er die Messe verließ, drehte Austin sich noch einmal um. Karla hatte das Kinn in die Hände gestützt und dachte offenbar angestrengt nach. Trotz all seiner philosophischen Kenntnisse war Austin einigermaßen ratlos, wenn es um die Wege des Schicksals ging. Die Götter mussten sich über ihren letzten Schabernack köstlich amüsieren. Sie hatten das Geheimnis, das die Welt retten konnte, im makellos geformten Kopf einer reizenden jungen Frau versteckt.
33
Gant betrachtete die letzten Momente einer Fuchsjagd als die erhabensten. Die dahinjagenden roten Jacken, der Klang der Jagdhörner, das laute Gebrüll der Jäger und das Donnern der Hufe waren lediglich ein Vorspiel zu jenem Augenblick der Wahrheit, wenn die kläffenden Hunde das verängstigte Tier erwischten und in blutige Fetzen rissen.
Die Beute war ungewöhnlich wendig gewesen. Das verschlagene Tier war einen Bach hinaufgerannt, hatte über einen umgestürzten Baum gesetzt und war bei einem Versuch, seine Verfolger abzuschütteln, diesen einmal sogar entgegengelaufen. Am Ende hatte die Hundemeute das Tier jedoch vor einer Ligusterhecke gestellt, die Gant hatte anpflanzen lassen, um aufgespürte und gehetzte Füchse in eine Sackgasse zu leiten, die vor einer Mauer endete. Selbst dann noch hatte der Fuchs sich gewehrt, ehe er schließlich zerfleischt wurde.
Gant hatte die anderen Jäger zu seinem Haus zurückgeschickt, um das erfolgreiche Ende der Jagd zu feiern. Er saß neben der Hecke ab und durchlebte noch einmal die letzten Sekunden des Ganzen. Die Jagd war eine grausame Praxis, aber er betrachtete sie als eine Metapher für das Leben allgemein. Die Jagd verkörperte den Kampf zwischen den Starken und den Schwachen.
Ein Pferd wieherte. Gant blickte zu einem flachen Hügel hinauf, und seine Miene verfinsterte sich. Ein Reiter war als Silhouette vor dem blauen Himmel zu sehen. Niemand durfte über sein Land reiten, außer den Fuchsjägern. Er schwang sich wieder in den Sattel, gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte den Hügel hinauf.
Der Mann verfolgte Gants Ritt aus dem Sattel eines kastanienbraunen Arabers. Im Gegensatz zu den Fuchsjägern in ihren roten Jacken trug dieser Mann lediglich eine verwaschene Jeans und ein türkisfarbenes Polohemd. Eine schwarze Baseballmütze mit einem Harley-Davidson-Emblem auf der Krone bedeckte sein platinsilbernes Haar.
Gant brachte sein Pferd zum Stehen. »Sie haben sich widerrechtlich Zugang verschafft«, schnappte er. »Dies hier ist Privatgrund.«
Den Mann schien das nicht zu erschüttern, und seine hellblauen Augen veränderten kaum ihren leicht spöttischen Ausdruck.
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte er.
»Ich könnte Sie anzeigen«, drohte Gant.
Der Mund des Mannes verzog sich zu einem gelangweilten Lächeln. »Und ich könnte Sie wegen Ihrer Fuchsjagd verhaften lassen. Sogar bei den Engländern ist sie mittlerweile verboten.«
Gant war es nicht gewöhnt, dass man ihm widersprach. Er richtete sich in seinen Steigbügeln auf. »Ich besitze riesige Ländereien, und mir gehört alles, was darauf kreucht und fleucht. Und ich tue mit meinem und auf meinem Besitz, was immer ich will.« Seine Hand wanderte zu einem Sprechfunkgerät, das an seiner Jacke befestigt war. »Verschwinden Sie von meinem Grund und Boden, oder soll ich meinen Sicherheitsdienst benachrichtigen?«
»Es ist nicht nötig, die Kavallerie zu rufen. Ich kenne den Weg hinaus. Die Tierschützer werden sich nicht gerade freuen, wenn sie erfahren, dass Sie Ihren Kötern erlaubt haben, einen Vertreter der örtlichen Fauna in Hackfleisch zu verwandeln.«