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»Siehst du noch weitere Wächter?«, fragte Trout.

»Nur diesen einen. Am Bord könnten weitere sein.«

»Vielleicht auch nicht. Sie wollen sicherlich kein Misstrauen wecken, indem sie hier zu viele Sicherheitsleute herumlaufen lassen. Das könnte für uns eine günstige Gelegenheit sein, uns einmal umzuschauen.«

»Ja, aber er hatte eine ziemlich große Kanone. Wie willst du an der vorbeikommen?«

Trout sah Gamay mit einem schiefen Grinsen an. »Ich dachte mir, dass eine schöne Frau für ein, hm, wenig Ablenkung sorgen könnte.«

»Da haben wir es wieder. Cherchez la femme.Der älteste Trick der Welt. Meinst du, er fällt auf eine solche List herein?«

»Du machst wohl Witze«, meinte Trout kichernd. »Wir haben es hier mit heißblütigen männlichen Latinos zu tun.«

»Unglücklicherweise«, seufzte Gamay, »dürftest du wieder mal Recht haben. Okay, ich ziehe meine Mata-Hari-Nummer ab, aber dann bezahlst du das Abendessen.«

Eine halbe Stunde später waren sie wieder in ihrem Hotelzimmer. Paul mixte zwei kalte Rumcocktails, und sie setzten sich auf den Balkon, nippten an ihren Gläsern und wechselten sich dabei ab, die Schiffe durchs Fernglas zu beobachten, bis die Sonne unterging.

Nach dem Abendessen, das sie vom Zimmerservice hatten heraufbringen lassen, duschte Gamay, besprühte sich reichlich mit Parfüm und schlüpfte in ein tief ausgeschnittenes rotes Kleid. In Rio wimmelte es von schönen Frauen, aber Gamay zog trotzdem die Blicke aller Männer im Hotelfoyer auf sich, als sie und Trout zum Ausgang gingen.

Der Charakter des Frachtdocks hatte sich grundlegend verändert. Die Lastwagen, Hafenarbeiter und Schauerleute hatten Feierabend gemacht, und auf dem gesamten Dockareal herrschte eine schmuddelige, drohende Atmosphäre. Wahllos verstreute Lampenmasten warfen gelbe Lichtkreise auf den Asphalt, die von Nebelschwaden, die vom Hafen herüberzogen, zerstreut wurden. In der Ferne erklang ein Nebelhorn.

Gamay fuhr an dem leeren Liegeplatz vorbei, den die Polar Adventureeingenommen hatte, lenkte den Wagen zur Seite und parkte unter einem Lampenmast unweit des Wachhauses. Sie stieg aus dem Wagen, blieb einen Moment lang im Licht stehen und trank einen Schluck aus einer Rumflasche. Mit großem Trara öffnete sie die Motorhaube und verschwand mit dem Kopf darunter. Dann, laut auf Spanisch fluchend, versetzte sie dem Kotflügel einen Tritt, schaute sich um und winkte dem Wächter. Leicht schwankend ging sie dann auf das Wachhaus zu.

Der Wächter war ein dunkelhäutiger, muskulöser Mann mit einem Ausdruck gelangweilten Misstrauens auf seinem flachen, primitiven Gesicht. Gamay sprach perfekt spanisch, aber um das Interesse des Wächters zu wecken, nuschelte sie ihre Worte. Sie sagte, ihr dämlicher Wagen habe den Geist aufgegeben, und fragte ihn, ob er nicht einmal nachschauen könne. Er blickte hinüber zum Wagen, der teilweise von den Schatten verschluckt wurde, und zögerte.

»Erzähl mir bloß nicht, dass du mit deiner großen Kanone Angst vor mir hast.«

Sie stolperte und schien hinzufallen, ehe sie sich an der Schulter des Wächters abstützte und ihm eine Wolke rumgetränkten Atems ins Gesicht blies. Die Verlockung, die von einer sexy aussehenden betrunkenen Frau ausgeht, und die versteckte Anspielung auf seine Männlichkeit verfehlten ihre Wirkung nicht. Er lachte lüstern und legte einen Arm um ihre Schultern. Gamay lachte ebenfalls, und gemeinsam gingen sie zum Wagen zurück.

»Ich glaube, sie haben mich beschissen, und es ist gar kein Motor drin«, sagte sie und stützte eine Hand auf die Hüfte.

Sie vertraute darauf, dass er dem männlichen Instinkt folgen und den Kopf unter die Motorhaube stecken würde. Als er es tat, tauchte Trout aus dem Schatten auf, tippte ihm auf die Schulter und streckte den Wächter dann mit einer rechten Geraden zu Boden. Mit Gamays Hilfe knebelten und fesselten sie den benommenen Wächter mit Handtüchern, die sie sich im Hotel ausgeliehen hatten, nahmen ihm seine Waffen ab und verstauten ihn auf dem Rücksitz des Wagens.

Trout setzte sich die Mütze des Mannes auf den Kopf, steckte sich eine Stablampe in die Tasche seiner Windjacke und schob sich die Pistole in den Hosenbund. »Ruf die Kavallerie, wenn ich in zwanzig Minuten nicht wieder zurück bin.«

Gamay wog das Gewehr in der Hand. »Sei vorsichtig«, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Du siehst die Kavallerie vor dir.«

Lieber wusste Trout Gamay in seinem Rücken als hundert John Waynes. Sie war eine erfahrene Scharfschützin, und jeder, der ihr vors Visier kam, hätte nicht mehr lange zu leben. Er huschte schnell die Gangway hinauf und sah sich auf dem Deck um. Der Nebel, der über dem Schiff hing und die Decksbeleuchtung dämpfte, würde dafür sorgen, dass er nicht so leicht zu entdecken wäre, aber er bot auch jedem Wächter eine willkommene Tarnung, der das Deck beobachtete.

Er hatte die Fotos gesehen, die Austin und Zavala von dem Schiff geschossen hatten, das von dem Strudel an die Wasseroberfläche gespült worden war, und hatte daher eine ungefähre Vorstellung von den Örtlichkeiten. Blind navigierte er sich durch den Dunst und fand den Decksaufbau, ohne mit dem Gesicht dagegenzuprallen. Er tastete sich an seiner Außenwand entlang, bis seine suchenden Finger auf eine Tür stießen. Er trat in den dunklen Raum dahinter und knipste die Stablampe, die er sich von dem Wächter ausgeliehen hatte, an. Ein Laufgang führte zum darunterliegenden Deck.

Mit der Pistole des Wächters schussbereit in der freien Hand, schlich er die Treppe hinunter und folgte dann einem Labyrinth von Korridoren. Am Ende eines Ganges hielt er inne, presste ein Ohr gegen eine Stahltür, dann drückte er die Klinke nach unten. Die Tür war nicht verriegelt. Er öffnete sie und trat hindurch.

Seine Schritte hallten leise wider, während er langsam zu einer Reling ging und feststellte, dass er auf einer Art Balkon stand. Er befand sich in einem höhlenartigen Saal, offensichtlich der Generatorraum, den Austin und Zavala beschrieben hatten. Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe herumwandern und stellte fest, weshalb nur ein Mann die Schiffe bewachte. Es gab nichts zu bewachen. Der Raum war leer.

Trout kehrte zum Hauptdeck zurück. Austin hatte von einem Schacht gesprochen, der vom Deck durch den Rumpf bis hinunter ins Wasser verlief. Er fand ihn zusammen mit dem Rahmenaufbau um die rechteckige Öffnung. Aber nirgendwo eine Spur von dem kegelförmigen Gebilde. Das Schiff schien total ausgeräumt worden zu sein. Er überlegte, ob er auch noch dem Kontrollraum einen Besuch abstatten sollte, entschied jedoch, dass dazu die Zeit zu knapp war.

Gamay würde das Schiff stürmen und nach Trout suchen, wenn er nicht innerhalb der Frist zurückkäme, die er festgesetzt hatte. Er ging zur Gangway.

Der Wächter hatte mittlerweile das Bewusstsein wiedererlangt, und Gamay hatte ihm mit der Pistole drohen müssen, um ihn zum Schweigen zu bringen, doch ansonsten hatte es keinen Zwischenfall gegeben.

»Was hast du gefunden?«, wollte sie wissen.

» Nichts.Und das finde ich hochinteressant. Ich würde ver­muten, dass die anderen Schiffe ebenfalls ausgeräumt wurden.«

Sie zogen den Wächter aus dem Wagen und ließen ihn im Schatten liegen. Er hatte angefangen, sich gegen seine behelfsmäßigen Fesseln zu wehren. Mit ein wenig zusätzlicher Mühe würde er sich am Ende selbst befreien können. Etwa dreißig Meter vom Wachhaus entfernt warfen sie seine Waffen ins Hafenbecken. Es bestand nur eine geringe Gefahr, dass er Alarm schlagen würde, sobald er frei war. Seine Arbeitgeber wären ganz und gar nicht erfreut, wenn sie erführen, dass er in seinem Job versagt hatte. Er würde schon genug Probleme haben zu erklären, was mit seinen Waffen geschehen war.

Während der Rückfahrt zum Hotel beschrieb Trout seine Inspektion des Schiffs und die überraschenden Ergebnisse.

»Aber warum? Was haben sie mit dem gesamten Kram gemacht?«

Trout schüttelte den Kopf, holte sein Mobiltelefon aus der Tasche und tippte eine Nummer aus dem Telefonverzeichnis ein.