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»Ja, können du und ich nicht zusammen in die Sauna gehen? Du könntest mir zeigen, wie es in einer richtigen finnischen Sauna zugeht.«

»Anja«, sagt er behutsam. »Ich habe fast mein ganzes Leben in Stockholm verbracht.«

Joona geht in den Flur und Richtung Wohnungstür.

»Du bist ein Schwede finnischer Abstammung, ich weiß«, fährt Anja am Telefon fort. »Langweiliger ging es wohl nicht, was? Warum kannst du nicht aus El Salvador kommen? Hast du die Artikel von Penelope Fernandez gelesen? Du solltest sie mal sehen – vor ein paar Tagen hat sie im Fernsehen alle schwedischen Waffenexporte verurteilt.«

Er verlässt die Wohnung von Penelope Fernandez, sieht die blutigen Fußspuren der Rettungssanitäter auf dem Treppenabsatz und spürt einen kurzen Schauer über seinen Schädel laufen, als er daran zurückdenkt, dass sein Kollege mit weit gespreizten Beinen im Treppenhaus gelegen hat und sein Gesicht immer blasser geworden ist.

Joona überlegt, dass der Killer davon ausgegangen sein muss, Penelope Fernandez getötet zu haben. Dieser Teil seines Auftrags war also abgehakt. Der zweite Teil bestand darin, sich aus irgendeinem Grund Zugang zu ihrer Wohnung zu verschaffen.

Wenn sie noch lebt, muss sie möglichst schnell gefunden werden, denn der Killer wird seinen Irrtum bald erkennen und die Jagd erneut aufnehmen.

»Björn und Penelope wohnen nicht zusammen«, sagt Anja.

»Das weiß ich«, erwidert er.

»Man kann sich trotzdem lieben – genau wie du und ich.«

»Genau.«

Joona tritt in das grelle Sonnenlicht hinaus, die Luft ist schwer und noch stickiger als zuvor.

»Kannst du mir Björn Almskogs Adresse geben?«

Anjas Finger laufen mit kleinen tickenden Lauten über die Computertastatur.

»Almskog, Pontonjärgatan 47, zweiter Stock …«

»Ich fahre mal hin, bevor ich …«

»Warte mal«, sagt Anja plötzlich. »Das geht nicht, es … Hör dir das mal an, ich habe gerade unter der Adresse gesucht. In dem Haus hat es letzten Freitag gebrannt.«

»In Björns Wohnung?«

»Die ganze Etage wurde zerstört«, antwortet sie.

19

Eine wellige Landschaft aus Asche

Kriminalkommissar Joona Linna steigt die Treppen hoch, hält inne, steht vollkommen regungslos und blickt in einen schwarzen Raum. Fußboden, Wände und Decke sind verkohlt. Es stinkt bestialisch. Von den nicht tragenden Innenwänden ist kaum etwas übrig geblieben. Schwarze Stalaktiten hängen von der Decke herab. Verkohlte Stümpfe von Türriegeln ragen aus einer welligen Landschaft aus Asche. An manchen Stellen kann man durch den Zwischenboden geradewegs in die untere Etage schauen. Es lässt sich nicht mehr feststellen, welcher Teil des Stockwerks Björn Almskogs Wohnung gewesen ist.

Graue Plastikplane ist vor die leeren Fensteröffnungen gespannt worden, dahinter liegt der Sommertag und eine grüne Fassade auf der anderen Straßenseite.

Dass bei dem Brand in der Pontonjärgatan 47 niemand verletzt wurde, ist dem Umstand zu verdanken gewesen, dass die meisten Bewohner arbeiten waren, als er ausbrach.

Fünf nach elf ging der erste Anruf bei der Einsatzzentrale ein, und obwohl die Brandwache auf Kungsholmen ganz in der Nähe des Hauses liegt, breiteten sich die Flammen so schnell aus, dass vier Wohnungen vollkommen zerstört wurden.

Joona denkt an sein Gespräch mit dem Brandexperten Hassan Sükür. Er hatte den zweithöchsten Grad auf der Gutachtenskala des Staatlichen Kriminaltechnischen Labors benutzt, als er erläuterte, dass die Ergebnisse eindeutig dafür sprechen, dass das Feuer bei Björn Almskogs achtzigjähriger Nachbarin Lisbet Wirén ausgebrochen ist. Die Frau war zu einem nahe gelegenen Lebensmittelgeschäft gegangen, um einen kleinen Losgewinn gegen zwei neue Lose einzutauschen, und konnte sich nicht mehr erinnern, ob sie das Bügeleisen ausgeschaltet hatte oder nicht. Das Feuer hatte sich rasend schnell ausgebreitet, und alles deutete darauf hin, dass das Feuer in ihrem Wohnzimmer an dem Bügeleisen auf einem Bügelbrett ausgebrochen war.

Joona schaut sich zwischen den rußschwarzen Wohnungen auf der Etage um. Von den Möbeln in den Zimmern sind lediglich einzelne verformte Metallteile übrig geblieben, die Reste eines Kühlschranks, ein Bettgerüst, eine rußige Badewanne.

Joona geht wieder hinunter. Wände und Decke im Treppenhaus sind durch den Rauch beschädigt worden. Er bleibt beim Absperrungsband der Polizei stehen, dreht sich um und blickt erneut zu dem schwarzen Loch hinauf.

Als er sich unter das Plastikband bückt, sieht er, dass die Brandexperten einige Druckverschlussbeutel verloren haben, die benutzt werden, um rasch verdunstende Stoffe zu sichern. Joona setzt seinen Weg an dem grün marmorierten Eingangsbereich vorbei fort und tritt auf die Straße, geht in Richtung Landespolizeiamt, zieht das Handy aus der Tasche und ruft noch einmal Hassan Sükür an, der sich direkt meldet und das Radio leiser stellt.

»Haben Sie Spuren brennbarer Flüssigkeiten gefunden?«, erkundigt sich Joona. »Sie haben auf der Treppe einige Druckverschlussbeutel verloren, deshalb dachte ich …«

»Also, es ist so, wenn jemand Brennspiritus verschüttet, verbrennt der natürlich als Erstes …«

»Ich weiß, aber …«

»Aber ich finde in der Regel trotzdem Spuren«, fährt Sükür fort. »Denn oft läuft der Spiritus in die Ritzen zwischen den Bodendielen, landet im Zwischenboden, in der Glaswolle oder unter der Zwischenbodenplatte, die eventuell nicht verbrannt ist.«

»Und dort gab es keine solchen Spuren?«, fragt Joona, während er die steile Hantverkargatan hinuntergeht.

»Nichts«, antwortet Hassan.

»Aber wenn man weiß, wo Spiritus Spuren hinterlassen kann, besteht dann nicht die Möglichkeit, zu verhindern, dass Reste entdeckt werden?«

»Natürlich. Ich würde einen solchen Fehler niemals begehen, wenn ich Brandstifter wäre«, antwortet Hassan fröhlich.

»Aber Sie sind sicher, dass in diesem Fall das Bügeleisen die Brandursache ist?«

»Ja, es war ein Unfall.«

»Dann haben Sie die Ermittlungen also eingestellt?«, fragt Joona.

20

Das Haus

Penelope spürt, dass sie erneut das Grauen packt. Als holte es zwischendurch nur tief Luft, um anschließend in ihr zu schreien. Sie wischt sich die Tränen von den Wangen und versucht aufzustehen. Kalter Schweiß rinnt zwischen ihren Brüsten und aus den Achselhöhlen herab. Ihr Körper schmerzt und zittert vor Anstrengung. Durch den Schmutz auf ihren Handflächen dringt Blut.

»Hier können wir nicht bleiben«, flüstert sie und zieht Björn mit sich.

Im Wald ist es noch dunkel, aber die Nacht weicht allmählich dem neuen Morgen. Gemeinsam gehen sie schnell wieder zum Ufer, diesmal allerdings weit südlich von dem Haus und der Party. So weit von ihrem Verfolger entfernt wie möglich.

Trotzdem wissen beide, dass sie Hilfe brauchen, ein Telefon auftreiben müssen.

Der Wald wird zum Wasser hin immer lichter, und sie laufen wieder los. Zwischen den Bäumen sehen sie ein Haus. Es ist etwa einen halben Kilometer entfernt, vielleicht auch weniger. Irgendwo in der Ferne donnert ein Hubschrauber vorbei.

Björn scheint schwindlig zu sein, und als sie sieht, wie er sich auf der Erde abstützt oder an Baumstämmen Halt sucht, packt sie die Angst, dass er womöglich nicht mehr weiterlaufen könnte.

Irgendwo hinter ihnen knackt ein Ast, als wäre er unter dem Gewicht eines Menschen gebrochen.

Penelope läuft so schnell sie kann durch den Wald.

Der Wald wird lichter, und sie sieht erneut das Haus, es ist nur noch hundert Meter entfernt. Das Licht in den Fenstern spiegelt sich im roten Lack eines geparkten Fords.

Ein aufgescheuchter Hase hoppelt davon, rennt über Moos und Gras.

Keuchend und verängstigt laufen sie zu dem Kiesweg.

Als sie stehen bleiben und sich umschauen, haben sie vor Anstrengung Stiche in den Waden. Sie gehen die Eingangstreppe hinauf, öffnen die unverschlossene Haustür und treten ein.

»Hallo? Wir brauchen Hilfe!«, ruft Penelope.

Nach dem heißen Vortag ist es warm im Haus. Björn humpelt, seine nackten Füße hinterlassen eine Blutspur im Flur.