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Der Mann in der Wildlederjacke hat den roten Benzinkanister herausgezogen, den die Jungen im Unkraut neben dem Bauwagen versteckt haben, und leert ihn rund um den Bauwagen. Erst als er sich schon auf der Rückseite befindet, hört man aus dem Wageninneren die ersten Rufe. Der Junge hämmert gegen die Tür und versucht, sie zu öffnen, seine stapfenden Schritte sind zu hören, und sein ängstliches Gesicht taucht undeutlich hinter einem der schmutzigen Fenster auf.

»Machen Sie die Tür auf, das ist nicht witzig«, sagt er mit lauter Stimme.

Der Mann in der Wildlederjacke setzt seinen Weg rund um den Bauwagen fort, schüttet die letzten Tropfen Benzin aus und stellt den Kanister anschließend an seinen Platz zurück.

»Was tun Sie da?«, ruft der Junge.

Er wirft sich gegen die Tür und versucht, sie aufzutreten, aber sie rührt sich nicht. Er ruft seine Mutter an, aber ihr Telefon ist ausgeschaltet. Sein Herz pocht angstvoll, als er versucht, durch die grauen Striemen auf dem Glas etwas zu erkennen, und geht von einem Fenster zum anderen.

»Sind Sie verrückt?«

Als ihm plötzlich der beißende Geruch der Benzindämpfe in die Nase steigt, wallt das Grauen in seinem Körper auf, und sein Magen krampft sich zusammen.

»Hallo?«, ruft er mit ängstlicher Stimme. »Ich weiß, dass Sie noch da sind!«

Der Mann zieht eine Streichholzschachtel aus der Tasche.

»Was wollen Sie, bitte, sagen Sie mir doch einfach, was Sie von mir wollen …«

»Es ist nicht deine Schuld, aber ein Albtraum muss in Erfüllung gehen«, sagt der Mann, ohne die Stimme zu erheben, und reißt ein Streichholz an.

»Lassen Sie mich raus!«, schreit der Junge.

Der Mann wirft das Streichholz ins feuchte Gras. Es seufzt auf, als führe der Wind blitzschnell in ein großes Segel. Hellblaue Flammen schlagen mit solcher Kraft in die Höhe, dass der Mann mehrere Schritte zurückweichen muss. Der Junge ruft um Hilfe. Die Flammen schließen sich um den Bauwagen. Der Mann tritt weiter zurück, spürt die Hitze auf seinem Gesicht und hört die panischen Schreie.

Der Wagen steht binnen weniger Sekunden lichterloh in Flammen, und durch die Hitze zerspringen die Fensterscheiben hinter den Gittern.

Als die Hitze die Haare auf seinem Kopf in Brand setzt, brüllt der Junge auf.

Der Mann überquert den Bahndamm, stellt sich neben das Industriegebäude und sieht den alten Bauwagen wie eine Fackel brennen. Einige Minuten später nähert sich aus nördlicher Richtung ein Güterzug. Langsam rollt er auf dem Gleis heran, ratternd und knarrend passiert die lange Reihe brauner Waggons die hohen Flammen, während der Mann in der grauen Wildlederjacke sich auf der Stenbygatan entfernt.

23

Die Kriminaltechniker

Es ist Wochenende, aber Carlos Eliasson, der Chef der Landeskriminalpolizei, ist trotzdem in seinem Büro. Seine zunehmende Menschenscheu führt dazu, dass er sich immer stärker dagegen sperrt, spontane Besucher zu empfangen. Die Bürotür ist geschlossen, und eine rot leuchtende Lampe zeigt an, dass er nicht gestört werden will. Joona klopft an und tritt im selben Moment ein.

»Wenn die Wasserschutzpolizei etwas findet, will ich benachrichtigt werden«, erklärt er.

Carlos schiebt ein Buch auf seinem Schreibtisch von sich und erwidert ruhig:

»Jemand hat Erixon und dich angegriffen, so etwas nimmt einen mit, ihr müsst das erst einmal verarbeiten.«

»Das tun wir«, sagt Joona.

»Die Suche mit dem Hubschrauber ist beendet worden.«

Joona erstarrt.

»Beendet? Wie groß ist denn das Gebiet, das sie …«

»Das weiß ich nicht«, unterbricht Carlos ihn.

»Wer ist der Einsatzleiter?«

»Die Landeskriminalpolizei hat damit nichts zu tun«, sagt Carlos. »Die Wasserschutzpolizei und …«

»Aber es wäre für uns schon hilfreich zu erfahren, ob wir in einem oder drei Mordfällen ermitteln«, sagt Joona schneidend.

»Joona, du ermittelst im Moment gar nichts. Ich habe den Fall bei Jens Svanehjälm verankert. Wir stellen zusammen mit dem Staatsschutz ein Team zusammen. Für die Kripo wird Petter Näslund dabei sein, Tommy Kofoed stößt von der Landesmordkommission dazu und …«

»Welche Aufgabe übernehme ich?«

»Du nimmst dir eine Woche frei.«

»Nein.«

»Dann wirst du zur Polizeihochschule fahren und Vorlesungen halten müssen.«

»Nein.«

»Jetzt sei doch nicht so dickköpfig«, sagt Carlos. »Diese Sturheit ist nicht so charmant wie …«

»Ich scheiße auf dich«, sagt Joona. »Denn Penelope …«

»Du scheißt auf mich«, unterbricht Carlos ihn verblüfft. »Ich bin der Chef der …«

»Penelope Fernandez und Björn Almskog leben vielleicht noch«, fährt Joona mit harter Stimme fort. »Seine Wohnung ist ausgebrannt, und ihre wäre es auch, wenn ich nicht da gewesen wäre. Ich glaube, dass der Mörder nach etwas sucht, das die beiden haben, ich glaube, dass er versucht hat, etwas aus Viola herauszuquetschen, bevor er sie ertränkt hat …«

»Vielen Dank«, unterbricht Carlos ihn. »Danke für deine interessanten Überlegungen, aber wir haben … Nein, gib mir bitte eine Sekunde. Ich weiß, es fällt dir schwer, das zu akzeptieren, aber es gibt außer dir auch noch andere Polizisten, Joona. Und weißt du was, die meisten von ihnen sind sogar richtig gut.«

»Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagt Joona zögernd. »Und du solltest gut auf sie aufpassen, Carlos.«

Joona betrachtet die bräunlichen Flecken von Erixons Blut auf seinen Hemdärmeln.

»Wie meinst du das?«

»Ich bin dem Täter begegnet und glaube, dass wir bei diesen Ermittlungen mit dem Tod von Polizisten rechnen müssen.«

»Ihr seid überrumpelt worden. Ich verstehe, dass es furchtbar war …«

»Okay«, sagt Joona hart.

»Tommy Kofoed kümmert sich um die Untersuchung des Tatorts, und ich rufe bei Brittis in der Polizeihochschule an und sage ihr, dass du vorbeikommst und nächste Woche Gastvorlesungen hältst«, sagt Carlos.

Als Joona das Landeskriminalamt verlässt, schlägt ihm die Wärme entgegen. Er zieht sein Jackett aus und merkt, dass sich ihm jemand aus den Schatten im Park und auf der Straße zwischen den parkenden Autos hindurch nähert. Er dreht sich um und sieht, dass es Claudia Fernandez, Penelopes Mutter, ist.

»Joona Linna.« Sie wirkt angespannt.

»Frau Fernandez. Wie geht es Ihnen?«

Sie schüttelt nur den Kopf. Ihre Augen sind gerötet, in ihrem Gesicht spiegeln sich ihre quälenden Sorgen.

»Finden Sie Penelope, Sie müssen mein Mädchen finden«, sagt sie und reicht ihm einen prall gefüllten Umschlag.

Joona öffnet ihn und sieht, dass er voller Geldscheine ist. Er versucht, ihn zurückzugeben, aber sie will ihn nicht annehmen.

»Bitte, nehmen Sie das Geld. Es ist alles, was ich habe«, sagt sie. »Aber ich kann mehr beschaffen, ich kann das Haus verkaufen, Hauptsache, Sie finden sie.«

»Es tut mir leid, Frau Fernandez, aber ich kann Ihr Geld nicht annehmen«, sagt er.

»Bitte …«

Joona gibt Claudia Fernandez den Umschlag zurück, sie hält ihn abwesend in der Hand und murmelt schließlich, dass sie nach Hause gehen und am Telefon warten wird. Doch dann hält sie Joona noch einmal zurück und versucht, es ihm nochmals zu erklären.

»Ich habe ihr gesagt, dass sie zu Hause nicht willkommen ist … sie wird mich niemals anrufen.«

»Sie haben sich gestritten, davon geht die Welt nicht unter.«

»Aber wie konnte ich nur so etwas sagen? Können Sie das verstehen?«, fragt sie und schlägt sich mit den Fingerknöcheln hart gegen die Stirn. »Wer sagt so etwas zu seinem eigenen Kind?«

»Es ist so leicht passiert …«

Joonas Stimme erstirbt, am Rücken bricht ihm der Schweiß aus, und er zwingt sich, die aufflackernden Erinnerungsfragmente zu verdrängen.

»Ich ertrage das nicht«, sagt Claudia Fernandez leise.