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Saga Bauer denkt an die Verhaftung Daniel Marklunds vor Penelope Fernandez’ Wohnung. Ihr Chef Verner Zandén hatte entschieden, dass Göran Stone die Vernehmung durchführen sollte. Stone begann aggressiv, um eine Reaktion zu provozieren, erreichte aber nur, dass Marklund einen Anwalt forderte und während des gesamten Verhörs schwieg.

Die Autotür wird geöffnet, und Roland Eriksson steigt mit einer Dose Coca-Cola und einer Tüte Gummibärchen ein und setzt sich.

»Scheiße, wenn ich eine Waffe sehe, schieße ich«, sagt Roland gestresst. »Das geht ganz schnell, man muss einfach nur abdrücken …«

»Wir halten uns an das, was wir ausgemacht haben«, erklärt Göran Stone, »aber falls es zu einem Feuergefecht kommen sollte, braucht der gezielte Schuss nicht auf die Beine gerichtet zu werden …«

»In den Mund damit«, brüllt Roland.

»Jetzt komm mal wieder runter«, sagt Göran.

»Das Gesicht meines Bruders ist …«

»Verdammt, Roland, das wissen wir«, unterbricht Anders ihn genervt.

»Eine verdammte Brandbombe hat er ins Gesicht bekommen. Nach elf Operationen kann er jetzt …«

»Schaffst du das?«, unterbricht Göran Stone ihn mit schneidender Stimme.

»Ja, verdammt«, antwortet Roland schnell.

»Wirklich?«

»Alles okay.«

Roland sieht aus dem Fenster und kratzt nervös mit dem Daumennagel über den Deckel einer Kautabakdose.

Saga Bauer öffnet die Tür und lässt ein wenig Luft in den Wagen. Auch sie ist der Meinung, dass es der richtige Moment für diesen Einsatz ist. Worauf soll man noch warten? Gleichzeitig würde sie jedoch gerne wissen, welche Verbindung zu Penelope Fernandez besteht. Sie begreift nicht, welche Rolle Penelope bei den Linksextremisten spielt und warum ihre Schwester ermordet worden ist. Es gibt zu viele Unklarheiten. Eigentlich müsste sie Daniel Marklund vor dem Einsatz vernehmen, ihm in die Augen sehen und direkte Fragen stellen können. Das hat sie ihrem Chef zu erklären versucht und ihm gesagt, dass es nach dem Einsatz unter Umständen niemanden mehr geben wird, den man vernehmen könnte.

Es ist immer noch meine Ermittlung, denkt Saga, als sie das Auto verlässt und in die schwüle Hitze auf dem Bürgersteig tritt.

»Die Einsatztruppe geht hier, hier und hier rein«, wiederholt Göran Stone und zeigt auf die Gebäudepläne. »Wir stehen hier und werden eventuell gezwungen sein, durchs Theater zu gehen …«

»Wo zum Teufel ist Saga Bauer hin?«, fragt Roland.

»Wahrscheinlich hat sie Schiss und bekommt deswegen ihre Tage«, antwortet Anders grinsend.

30

Der Schmerz

Joona Linna und Nathan Pollock parken auf der Hornsgatan und werfen einen kurzen Blick auf den schlechten Computerausdruck des Fotos von Daniel Marklund. Sie steigen aus dem Wagen, überqueren rasch die stark befahrene Straße und treten durch die Eingangstür eines kleinen Theaters.

Das Theater »Tribunal« ist eine freie Theatergruppe mit einkommensabhängigen Eintrittspreisen, die von der »Orestie« bis zu »Das kommunistische Manifest« eine Reihe großer Inszenierungen auf die Bühne gebracht hat.

Joona und Nathan eilen die breite Treppe zur Bar und Theaterkasse hinunter. Eine Frau mit glatten schwarz gefärbten Haaren und einem silbernem Ring in der Nase lächelt sie an. Sie erwidern ihr Lächeln freundlich, gehen jedoch wortlos an ihr vorbei.

»Suchen Sie jemanden?«, ruft sie, als sie die ersten Stufen der Metalltreppe hinaufsteigen.

»Ja«, antwortet Nathan Pollock fast lautlos.

Sie gelangen in ein unaufgeräumtes Büro mit einem Kopierer, einem Schreibtisch und einer Pinnwand mit Zeitungsausschnitten. An einem Computer sitzt ein schlanker Mann mit verfilzten Haaren und einer noch nicht angezündeten Zigarette im Mundwinkel.

»Hallo Richard«, sagt Pollock.

»Wer sind Sie?«, fragt der Mann zerstreut und wendet den Blick anschließend wieder dem Computerbildschirm zu.

Sie setzen ihren Weg in die Garderoben der Schauspieler mit säuberlich aufgehängten Kleidern, Schminktischen und Waschgelegenheiten fort.

Auf einem Tisch steht in einer Vase ein Blumenstrauß.

Pollock schaut sich um und zeigt anschließend eine bestimmte Richtung an. Dann gehen sie zu einer Stahltür mit der Aufschrift »Stromzentrale«.

»Dahinter soll es sein«, meint Pollock.

»Im Stromkasten eines Theaters?«

Pollock antwortet ihm nicht, sondern bricht das Schloss auf. Sie blicken in einen engen Verschlag mit Stromzählern, Sicherungskästen und jeder Menge Umzugskartons. Die Deckenlampe funktioniert nicht, aber Joona klettert über die Kartons, trampelt auf Papptüten voller Lumpen und findet hinter aufgehängten Verlängerungskabeln eine weitere Tür. Sie führt in einen Gang mit nackten Betonwänden. Nathan Pollock folgt ihm. Die Luft ist stickig. Es riecht nach Müll und feuchter Erde. In der Ferne hört man Musik, einen schwer zu erfassenden Bassrhythmus. Auf dem Fußboden liegt ein Flugblatt, auf dem Che Guevara mit einer brennenden Zündschnur auf dem Kopf abgebildet ist.

»Die Brigade hält sich hier seit etwa zwei Jahren versteckt«, sagt Pollock leise.

»Ich hätte etwas Gebäck mitbringen sollen.«

»Versprich mir bitte, dass du vorsichtig bist.«

»Meine einzige Sorge ist, dass Daniel Marklund doch nicht hier sein könnte.«

»Das ist er, anscheinend ist er fast immer hier.«

»Danke für deine Hilfe, Nathan.«

»Soll ich nicht lieber doch mitkommen?«, fragt Pollock. »Dir bleiben nur ein paar Minuten, denn wenn der Staatsschutz die Räume stürmt, könnte es gefährlich werden.«

Joonas graue Augen werden schmal, aber seine Stimme ist sanft, als er sagt:

»Ich will sie nur besuchen.«

Nathan kehrt ins Theater zurück und hustet, als er die Tür hinter sich zuzieht. Joona bleibt kurz in dem leeren Gang stehen, zieht dann seine Pistole, überprüft, dass das Magazin voll ist, und steckt sie ins Halfter zurück. Er geht zur Stahltür am Ende des Korridors.

Die Tür ist abgeschlossen, und es verstreichen kostbare Sekunden, als er das Schloss aufbricht. In den blauen Lack hat jemand in sehr kleinen Buchstaben »Die Brigade« geritzt, beide Worte kaum größer als zwei Zentimeter.

Joona drückt die Klinke herunter, öffnet vorsichtig die Tür und wird von lauter, kreischender Musik empfangen, die wie eine elektronisch bearbeitete Version von Jimi Hendrix’ »Machine Gun« klingt. Die Musik übertönt alle anderen Geräusche, die kreischenden Gitarrentöne haben einen träumerischen, wogenden Rhythmus.

Joona schließt die Tür hinter sich und eilt im Laufschritt durch einen Raum voller Gerümpel, Bücher- und Zeitungsstapel reichen bis zur Decke. Es ist fast dunkel, aber Joona ahnt, dass die Haufen in dem Raum ein System aus Gängen bilden, ein Labyrinth, das zu neuen Türen führt.

Er eilt durch diese Passage, tritt in bleiches Licht und geht weiter geradeaus, bis der Gang sich teilt und er sich für rechts entscheidet, dann aber rasch wieder kehrtmacht.

Er glaubt, etwas gesehen zu haben, eine hastige Bewegung, einen Schatten,der sofort wieder aus dem Augenwinkel verschwand.

Er ist sich nicht sicher.

Joona geht weiter, bleibt an einer Ecke jedoch stehen und versucht, etwas zu sehen. Eine nackte Glühbirne baumelt an ihrem Kabel von der Decke herab.

Durch die Musik hindurch hört Joona plötzlich einen Schrei, einen Menschen, der hinter schalldämpfenden Wänden brüllt. Er bleibt stehen, geht ein Stück zurück und blickt in einen engen Gang, in dem ein Stapel Illustrierte seitlich umgekippt ist und auf dem Fußboden verstreut liegt.

Joona spürt die Kopfschmerzen, er hätte etwas essen sollen, ein paar Stücke dunkle Schokolade würden schon reichen. Er steigt über die heruntergefallenen Zeitschriften und erreicht eine Wendeltreppe, die zum unteren Stockwerk hinabführt. Es riecht nach süßlichem Rauch. Er hält sich am Geländer fest und versucht, möglichst schnell hinunterzuschleichen, hört aber, dass die Metalltreppe trotzdem Geräusche macht. Auf der untersten Stufe bleibt er vor einem schwarzen Samtvorhang stehen und legt seine Hand auf die Pistole im Halfter.