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Ein Boot wird in den Schären treibend zurückgelassen
Wie ein Messer spaltet der Bug mit einem klebrig fließenden Geräusch die glatte Oberfläche. Sie fahren sehr schnell. Große Wellen schlagen an Land. Sie schwenken abrupt über sich brechende Wogen, holpern klatschend, Wasser spritzt auf. Penelope steuert mit donnernden Motoren auf die Bucht hinaus. Der Bug der Jacht hebt sich, und hinter dem Heck teilt sich weißes schäumendes Wasser.
»Du bist verrückt, Madita«, ruft Viola und zieht die Spange aus ihrem Haar, so wie sie es als Kind immer getan hat, wenn die Frisur gerade fertig war.
Als sie bei der Insel Gåsö haltmachen, wacht Björn auf. Sie kaufen Eis und trinken einen Kaffee. Viola will auf der kleinen Golfbahn Minigolf spielen, und es ist schon Nachmittag, als sie weiterfahren.
Backbord breitet sich die weite Wasserfläche aus wie ein schwindelerregend großer Steinboden.
Sie wollen vor Kastskär anlegen, einer lang gezogenen, unbewohnten Insel mit schmaler Taille, an deren Südseite es eine üppig grüne Bucht gibt, in der sie ankern, baden, grillen und übernachten werden.
»Ich geh nach unten und leg mich was hin«, sagt Viola gähnend.
»Tu das«, erwidert Penelope.
Viola steigt die Treppe hinunter, und Penelope schaut nach vorn. Sie senkt die Geschwindigkeit, und als sie auf Kastskär zugleiten, behält sie das elektronische Lot im Auge, das sie vor Untiefen warnt. Das Wasser wird rasch seichter, von vierzig auf fünf Meter Tiefe.
Björn kommt ins Steuerhaus und küsst Penelope in den Nacken.
»Soll ich das Essen vorbereiten?«, fragt er.
»Viola braucht bestimmt noch ein Stündchen Schlaf.«
»Du hörst dich an wie deine Mutter«, sagt er sanft. »Hat sie schon angerufen?«
»Ja.«
»Um zu hören, ob Viola mitkommen durfte?«
»Ja.«
»Habt ihr euch gestritten?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Was ist los?«, fragt er. »Bist du traurig?«
»Nein, es ist nur, dass Mama …«
»Was?«
Penelope wischt sich lächelnd Tränen von den Wangen.
»Ich darf an Mittsommer nicht zu ihr kommen«, sagt sie.
Björn umarmt sie.
»Du solltest nichts darauf geben, was sie sagt.«
»Mache ich«, beteuert sie.
Langsam, ganz langsam manövriert Penelope das Boot in den innersten Teil der Bucht. Die Motoren grollen sanft. Das Boot ist der Insel jetzt so nah, dass ihr vom Land der Geruch feuchter Vegetation entgegenschlägt.
Sie ankern, lassen noch etwas Kette nachlaufen und treiben auf die Felsen zu. Björn springt mit dem Tau auf die steile Uferböschung und schlingt es um einen Baumstamm.
Die Erde ist moosbewachsen. Er bleibt stehen und sieht Penelope an. Vögel bewegen sich in den Baumwipfeln, als die Ankerwinsch rattert.
Penelope zieht eine Jogginghose und weiße Turnschuhe an, springt an Land und greift nach seiner Hand. Er legt die Arme um sie.
»Wollen wir uns die Insel anschauen?«
»Gab es da nicht was, wovon du mich überzeugen wolltest?«, fragt sie zögernd.
»Die Vorteile des Jedermannsrechts«, erwidert er.
Sie nickt lächelnd, und er streicht ihr die Haare aus dem Gesicht und lässt den Finger über ihre markanten Wangenknochen und die dichten schwarzen Augenbrauen laufen.
»Wie kannst du nur so schön sein?«
Er küsst sie leicht auf den Mund und geht anschließend auf den niedrigen Wald zu.
Mitten auf der Insel gibt es eine kleine Lichtung mit hohem Gras in dichten Soden. Schmetterlinge und kleine Hummeln fliegen über den Blumen. In der Sonne ist es heiß, zwischen den Bäumen zur Nordseite hin glitzert das Wasser. Sie stehen still, zögern, sehen sich lächelnd an und werden dann ernst.
»Und wenn jemand kommt?«, sagt sie.
»Auf dieser Insel ist außer uns kein Mensch.«
»Bist du sicher?«
»Wie viele Inseln gibt es in den Stockholmer Schären? Dreißigtausend? Bestimmt noch mehr«, erwidert er.
Penelope zieht ihr Bikinioberteil aus, streift die Schuhe ab, zieht den Bikinislip zusammen mit der Sporthose herunter und steht plötzlich splitternackt im Gras. Ihr erstes Gefühl von Verlegenheit weicht praktisch sofort reiner Freude. Sie merkt, dass die Seeluft auf ihrer Haut und die Wärme, die noch immer von der Erde abstrahlt, wirklich sehr erregend sind.
Björn betrachtet sie, murmelt, dass er nicht sexistisch erscheinen will, sie aber trotzdem noch ein bisschen länger ansehen möchte. Sie ist groß, ihre Arme sind muskulös und trotzdem üppig weich. Die schmale Taille und die kräftigen Schenkel lassen sie aussehen wie eine antike Göttin.
Björn merkt, dass seine Hände zittern, als er sein T-Shirt und die geblümten, knielangen Badeshorts auszieht. Er ist jünger als sie, sein Körper ist noch jungenhaft, fast unbehaart, auf den Schultern bereits von der Sonne verbrannt.
»Jetzt will ich dich aber auch ansehen«, sagt sie.
Er wird rot und geht breit grinsend zu ihr.
»Darf ich das nicht?«
Er schüttelt den Kopf und verbirgt sein Gesicht an ihrem Hals und in ihren Haaren.
Sie küssen sich, ganz still, stehen nur dicht zusammen und küssen einander. Penelope spürt seine warme Zunge in ihrem Mund und wird von einem überbordenden Glücksgefühl durchflutet. Sie muss ein breites Lächeln unterdrücken, um ihn weiterküssen zu können. Sie atmen schneller. Sie spürt Björns Erektion, sein heftig pochendes Herz. Voller Eifer legen sie sich ins Gras, finden einen Platz zwischen den Soden. Sein Mund bewegt sich zu ihren Brüsten, den braunen Brustwarzen, er küsst ihren Bauch und spreizt ihre Schenkel. Er sieht sie an. Es kommt ihm vor, als leuchteten ihre Körper in der Abendsonne von selbst. Auf einmal ist alles extrem intim und sensibel. Als er anfängt, sie sehr sanft und ruhig zu lecken, ist sie bereits feucht und geschwollen und muss nach kurzer Zeit seinen Kopf wegschieben. Sie schließt die Schenkel, lächelt und errötet unter den Augen. Sie flüstert ihm zu, dass er kommen soll, zieht ihn an sich, weist ihm mit der Hand den Weg und lässt ihn in sich hineingleiten. Er atmet schwer in ihr Ohr, und sie blickt nach oben, in den rosa verfärbten Himmel.
Hinterher steht sie nackt im warmen Gras, streckt sich, geht ein paar Schritte und schaut zu den Bäumen.
»Was ist?«, fragt Björn mit belegter Stimme.
Sie sieht ihn an, er sitzt nackt auf der Erde und lächelt zu ihr hinauf.
»Du hast dir die Schultern verbrannt.«
»Wie jeden Sommer.«
Er streicht vorsichtig über die rote Haut auf seinen Schultern.
»Lass uns zurückgehen – ich habe Hunger«, sagt sie.
»Aber vorher muss ich noch eine Runde schwimmen.«
Sie zieht Slip und Hose wieder an, schlüpft in die Schuhe und hält das Bikinioberteil in der Hand. Sie lässt den Blick über seinen unbehaarten Brustkorb, die Muskeln der Arme, das Tattoo auf der Schulter, den fahrlässigen Sonnenbrand und seinen heiteren, verspielten Blick schweifen.
»Nächstes Mal musst du unten liegen«, sagt sie lächelnd.
»Nächstes Mal«, wiederholt er fröhlich. »Dann habe ich dich also überzeugt, wusste ich’s doch.«
Sie lacht und winkt ihm abwehrend zu. Er legt sich auf den Rücken und blickt in den Himmel. Als sie durch den Wald zu dem kleinen steilen Uferstück zurückgeht, an dem ihr Boot ankert, hört sie ihn vor sich hin pfeifen.
Bevor sie zur Jacht hinuntergeht, bleibt sie stehen und zieht das Bikinioberteil wieder an.
Als Penelope an Bord geht, fragt sie sich, ob Viola noch in der Achterpiek schläft. Sie denkt, dass sie einen Topf mit neuen Kartoffeln und einigen Dillkronen aufsetzen und sich anschließend waschen und umziehen wird. Seltsamerweise ist das Achterdeck ganz feucht wie nach einem Regenschauer. Viola muss es aus irgendeinem Grund gescheuert haben. Das Boot fühlt sich verändert an. Penelope weiß nicht, was es ist, aber vor Unbehagen bekommt sie eine Gänsehaut. Als plötzlich die Vögel verstummen, ist es fast vollkommen still. Nur das leise Gluckern des Wassers gegen den Rumpf und ein gedämpftes Knarren vom Seil um den Baum dringen an ihr Ohr. Auf einmal ist Penelope sich jeder ihrer Bewegungen bewusst. Sie geht achtern die Treppe hinunter und sieht, dass die Tür zur Gästekajüte offen steht. Die Lampe ist an, aber Viola ist nicht da. Penelope merkt, dass ihre Hand zittert, als sie an die Tür zu der kleinen Toilette klopft. In einiger Entfernung sieht sie Björn ins Wasser gehen. Sie winkt ihm zu, aber er bemerkt sie nicht.