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»Drei«, zählte sie mit, während der Angriff weiterging.

»Gewinnen wir?«, frage Liss atemlos.

»Kommt darauf an, was du darunter verstehst.«

Am vierten Zelt scheiterten die Angreifer schließlich. Drei Zauberer-Schlangen hatten sich dort vereint. Vielleicht war Arhys für sie irgendwie unsichtbar, denn sie konzentrierten sich auf Foix. Natürlich — sie mussten annehmen, dass ein anderer Zauberer die größte Bedrohung für sie darstellte, mussten ihn fälschlich für das Herz oder Haupt des feindlichen Vorstoßes halten. Leuchtende Seelenfunken schwankten, ruckten, wirbelten durch Istas benommene Wahrnehmung. Brüllend ging der Bär zu Boden, unter einem Netz aus Feuer. Dann wurden die vierte und die fünfte Schlange enthauptet. Ihre langen Leiber peitschten zornig im Todeskampf, ehe sie in einem strahlenden Licht zerstoben. Ista hörte eine Frau aufschreien, wild und wütend, vor diesem fernen, grün illuminierten Zelt. Doch die roknarischen Worte waren unverständlich und verzerrt vor Entfernung und Zorn.

»Ich glaube, sie haben Foix«, verkündete Ista.

Hinter ihr ertönte ein dreimaliges Keuchen. »Hilfe!«, rief die Näherin. Kreidebleich fuhr Liss herum und nahm wieder ihren Posten an Cattilaras Seite ein.

Sowohl an Cattilaras wie auch an Illvins Oberschenkel klafften lange, dunkle Schnitte. Kurz sah man den rotbraunen, pulsierenden Muskel, das blasse Band einer Sehne, dann füllten sich die Zwillingswunden mit Blut. Die Näherin und Liss, Goram und dy Cabon beeilten sich, jeden Schnitt mit Kompressen zuzudrücken, zu verbinden und den Blutfluss zu stillen.

Ja. Ihre Strategie war gut. Hätte ein einzelner diesen Schwertstreich hinnehmen müssen, wäre er bis auf den Knochen durchgegangen. Doch die halben Wunden waren auch nur halb so ernst. Beinahe hätte sie laut, wenn auch düster aufgelacht, als sie sich das Entsetzen von Arhys’ Gegner vorstellte. Er musste wissen, wie schwer er getroffen hatte — vom Aufprall, anhand der Erschütterung der Klinge nach dem Auftreffen auf dem Knochen, von der Prellung, die seinen eigenen Arm erbeben lassen musste —, und doch würde er nun mit ansehen müssen, wie die Wunde sich vor seinen Augen wieder schloss. Vielleicht war es eben dieser Mann, dessen lauter Aufschrei jetzt aus dem Hain emporschallte. Habt ihr gedacht, ihr könntet alle Arten von Albträumen auf Porifors herabrufen und selbst unbeschadet dabeisitzen? Nun könnt ihr erleben, wie Porifors diesen Gefallen erwidert. Wir halten stand.

Noch für eine kleine Weile.

Sie wandte den Kopf und versuchte wieder, unter den Bäumen etwas wahrzunehmen. Sie hatte den Eindruck, dass sie Arhys’ beständiges Vorankommen im Lager allein anhand der Schreckenslaute verfolgen konnte, als die Gegner vor seinem bleichen Antlitz und seiner tödlichen Klinge schreiend flohen. Und natürlich an den Strömen strahlenden Seelenfeuers, die er auf seinem Weg hinter sich zurückließ. Er war nicht mehr beritten; sie konnte nicht genau sagen, wann das geschehen war. Sie hoffte, dass er noch nicht allein war, dass er noch Kameraden hatte, die ihm den Rücken freihielten.

Ich fürchte, inzwischen ist er allein.

Ein seltsamer feuchter Laut erklang hinter ihr. Sie schaute über die Schulter und sah, dass ihre Helfer eiligst Kompressen gegen Illvins und Cattilaras Leiber drückten. Das war ein Armbrustbolzen. Sie fragte sich, ob Arhys ihn herausgezogen und zurück auf seine verdutzten Feinde geschleudert hatte, oder ob er ihn als eine Art Abzeichen hatte stecken lassen. Für jeden anderen Mann, zu jeder anderen Zeit, wäre es ein tödlicher Treffer gewesen. Und bald wird es mehr davon geben. Bei den Göttern, hier ist ein dy Lutez, der es versteht, dreimal zu sterben. Und drei mal dreimal, wenn es sein muss.

Sie fiel hinter der Brüstung auf die Knie und klammerte sich an die Steine.

Ihr kam es vor, als schmelze ein großer, schwarzer Gletscher in ihrem Herzen, ein eisiger Damm, als Fiele die Hitze von hundert Sommern in einer Stunde darüber her. Risse bildeten sich, er fiel auseinander. Und in dem meilentiefen und meilenlangen See dahinter kräuselten sich Wellen erwartungsvoll im eisig grünen Wasser, liefen von Ufer zu Ufer und wühlten die Fluten auf, von der Oberfläche bis zu den tiefsten Tiefen. Arhys, im Vorhof habe ich Euch gesegnet. Doch Ihr habt den Segen erwidert. Wir retten uns gegenseitig. Die Götter mögen Zeuge sein, wie wir in diesem Morgengrauen zusammen reiten.

Ihr fünf mögt Ehrfurcht in uns erwecken. Doch ich denke, auch wir können eure Ehrfurcht erringen.

»Sieben«, flüsterte sie halblaut.

Und dann ging irgendwas schief. Ein Zögern, ein Zurückweichen. Zu viele, viel zu viele Seelenfunken umschwärmten nun die graue Flamme. Er ist umzingelt, abgeschnitten. Dutzende, die zuvor vor ihm geflohen sind, stürmen ihm nun entgegen, ermutigt von ihrer Zahl, kühn genug, ihn zu Fall zu bringen.

In der Mitte Eurer Feinde hat Euer Vater ein Festmahl für Euch bereitet, an einem Tisch, den er schon vor langer Zeit für Euch gedeckt hat. Und jetzt ist es soweit …

Ein weiterer dumpfer Laut ertönte, und noch einer. Hinter ihr rief Liss mit schriller Stimme: »Herrin, es sind zu viele Wunden! Ihr müsst das beenden!«

Dy Cabon knurrte angespannt: »Majestät, denkt daran, was Ihr Arhys versprochen habt. Cattilara soll leben …«

Und ein gewisser dickbäuchiger weißer Gott hat mir Illvin versprochen, falls ich Ihn nicht missverstanden habe. Falls wir beide überleben. Ein gottgesandter Liebhaber, aufdringlich und frech wie ein narbiger Streunerkater, der sich an meiner Wachsamkeit vorbei in mein Herz schmeichelt. Solange ich ihn füttern kann.

Sie blickte über die Schulter zurück. Illvins Körper zuckte hoch unter der übertragenen Wucht eines massiven Schlages gegen Arhys’ Rücken. Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck drehte Goram ihn auf den Bauch, um den blutigen Riss zu erreichen. Cattilaras weiße Hand wurde am Gelenk halb abgetrennt, und Liss stürzte hinzu und stoppte das hervorschießende Blut. Jetzt. O ja, jetzt. Ista schloss die Hand um den Strom aus weißem Feuer, der an ihrer Schulter vorüberfloss. Der Zufluss endete abrupt. Heftige Erschütterungen pulsierten von ihrer Hand aus in beide Richtungen. Die violette Umfassung zersplitterte. Das weiße Feuer, seit Tagen der beständige Begleiter in ihrem zweiten Gesicht, erlosch.

Ein Augenblick der Stille. Dann erscholl aus dem dunklen Hain ein groteskes, mit Hysterie vermischtes, triumphierendes Brüllen von einem halben Hundert Jokonern.

Der Damm aus Eis zerbarst. Eine Wasserwand ragte auf, neigte sich und brach, schoss voran und brandete gegen die Ufer, drückte Istas Seele weit und noch weiter auf, wusch und spülte die Steine, die Trümmer, den modrigen, verklumpten Unrat einer ganzen Lebensspanne vor sich her, schwemmte alles brodelnd und donnernd vor sich her. Ista breitete weit die Arme aus, öffnete den Mund und ließ es heraus.

Der graue Faden war unter den heftigen Bränden kaum mehr zu sehen. Er spannte sich zu einem straffen Tau und bewegte sich zurück durch ihre plötzlich geweitete Seele, schneller und schneller, bis er sich unter der raschen Bewegung zu erhitzen schien. Er glich einem überbeanspruchten Seil, das jederzeit verkohlen oder in Flammen ausbrechen konnte. Für einen kurzen Augenblick querte Arhys überraschte, gequälte, ekstatische Seele die ihre.

Ja. Wir alle, ein jedes lebende Wesen, sind Tore zwischen den Reichen — dem des Stofflichen, in dem wir geboren werden, und dem des Geistes, in das wir alle durch den Tod neu geboren werden. Arhys war von seinem eigenen Tor abgeschnitten und hatte für immer den Weg dorthin verloren. Also oblag es mir, ihm für eine Weile das meine zu leihen. Doch eine so große Seele braucht ein weites Portal. Deshalb reiß meine Tore aus den Angeln, stürze meine Mauern nieder, drücke die Hindernisse meiner Seele beiseite und schaffe dir deinen Weg. Ich gebe dir die Erlaubnis. Und sage dir Lebewohl.