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Oh. Nun weiß ich, wie ich es anfangen muss.

Sie griff mit den Händen ihres Geistes zu und holte den Dämon mitsamt seiner sich zurückziehenden Ausläufer aus Cattilaras Seele. Er kam nur widerwillig, wälzte sich in Panik umher wie ein Geschöpf der See, das aus dem Wasser gezerrt wird. Ista streckte eine materielle Hand aus, faltete die Finger wie einen Fächer auseinander und schob die mitgerissenen Fetzen von Cattilaras Seele zurück, bis nur noch der Dämon in ihrem Griff zurückblieb. Unsicher hielt sie das Geschöpf vor ihr Gesicht.

Ja, ermunterte sie die Stimme. So ist es richtig. Mach weiter.

Sie zuckte mit den Achseln und schob sich den Dämon in den Mund, schluckte ihn hinunter.

»Und was jetzt? Möchtet Ihr diese Metapher bis zu ihrer logischen Auflösung fortführen? Es würde Euch ähnlich sehen, nehme ich an.«

Das will ich dir ersparen, süße Ista, stellte die Stimme belustigt fest. Doch ich schätze deinen bösen Humor. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen. Meinst du nicht auch?

In ihrer wohl bewehrten Seele gab es keine Ritze, in der sich der Dämon festklammern, festkrallen oder Halt finden konnte. Und das lag nicht nur daran, dass der Gott bei ihr war. Sie fühlte, wie der Dämon auf der anderen Seite ihre Seele verließ und in die Welt des Geistes überging, vor Furcht zu einem kleinen Rinnsal zusammengeschrumpft. Er ging in die Hände des Gottes, seines Herrn, und war fort.

»Was geschieht mit den Bruchstücken der anderen Seelen, die noch mit dem Geschöpf verstrickt sind?«, fragte sie besorgt. Doch die Stimme war wieder fort, oder antwortete zumindest nicht auf ihre Frage.

Cattilara lag zusammengekrümmt auf der Plattform. Sie keuchte, wurde von einem Schluckauf und abgehackten Schluchzern erschüttert.

Illvin räusperte sich entschuldigend und schüttelte seine Hand. »Der Dämon hat versucht, Euch zu Tode zu stürzen und so seine Freiheit zu gewinnen«, meinte er zu ihr.

Sie blickte mit verzerrtem Gesicht zu ihm auf. Mit abgehackter Stimme meinte sie: »Ich weiß. Ich wünschte, es wäre ihm geglückt.«

Ista winkte die Näherin, Goram und Liss zu sich heran. »Bringt sie zu Bett, in ein richtiges Bett, und ruft ihre Damen herbei. Lasst ihr sämtliche Annehmlichkeiten zuteil werden, die diese Burg noch bereitstellen kann. Sorgt dafür, dass sie nicht alleine bleibt. Ich sehe nach ihr, sobald ich kann.« Sie schaute ihnen zu, während sie die Wendeltreppe hinabschritten. Cattilara war inzwischen selbst zum Weinen zu erschöpft, und sie stützte sich auf die Näherin und zuckte vor Liss zurück.

Ista drehte sich wieder um und stellte fest, dass Illvin und dy Cabon sich besorgt auf die östliche Brüstung lehnten. Sie starrten auf das Lager der Jokoner, das im zunehmenden Licht unter ihnen lag. Darin brodelte es vor Geschäftigkeit, doch das meiste davon blieb unter den Bäumen verborgen. Immer noch stiegen Rauchfahnen von den verbrannten Zelten auf. Ein entlaufenes Pferd floh vor dem Mann, der es einzufangen versuchte; seine roknarischen Flüche drangen schwach durch die feuchte Morgenluft zu ihnen. Ista reckte hoffnungsvoll den Hals, doch anscheinend war es nicht Illvins roter Hengst.

»Was ist denn nun eigentlich geschehen?«, fragte dy Cabon und schaute verwirrt nach unten. »Haben wir gewonnen oder verloren?«

»Es war eine großartige Jagd. Arhys hat sieben Zauberer erschlagen, ehe sie ihn zu Fall brachten. Er scheiterte am achten. Ich glaube, es war eine Zauberin. Ich frage mich, ob sie vielleicht jung und schön war, und ob seine Hand zögerte und nicht rasch genug war, um die Aufgabe zu vollenden …«

»Ah«, merkte Illvin traurig an. »Das wäre Arhys’ Untergang, nicht wahr?«

»Vielleicht. Die Jokoner mussten inzwischen allerdings bemerkt haben, wie gering die Zahl ihrer Angreifer war. Doch die befreiten Dämonen sind in alle Himmelsrichtungen geflohen, und Joen konnte keinen davon wieder einfangen.«

»Leider haben wir keinen weiteren Arhys, um die Aufgabe zu Ende zu bringen«, stellte Illvin fest. »Vielleicht müssen sich nun gewöhnliche Männer daran versuchen.« Er spannte die Schultern und blickte grimmig.

Ista schüttelte den Kopf. »Joen hat uns wehgetan, und nun haben wir ihr ebenfalls wehgetan. Doch wir haben sie nicht geschlagen. Immer noch hält sie elf Zauberer an ihren Leinen, und sie hat eine Armee zur Seite, die kaum angeschlagen wurde. Sie ist aufgebracht. Ihr Angriff wird nun mit der doppelten Stärke erfolgen, und ohne Gnade.«

Dy Cabon sank auf der Brüstung zusammen. Seine schweren Schultern hingen herab. »Dann ist Arhys vergebens ausgeritten. Wir sind verloren.«

»Nein. Arhys hat alles für uns erreicht. Wir müssen nur noch unsere Hände ausstrecken und es einsammeln. Ihr habt mich nicht gefragt, was ich mit Cattilaras Dämon angefangen habe, dy Cabon.«

Er runzelte die Stirn und wandte sich ihr zu. »Habt Ihr ihn nicht wieder in ihrem Innern gebunden, wie vorher?«

»Nein.« Ista verzog die Lippen zu einem Lächeln, das ihn zurückweichen ließ. »Ich habe ihn heruntergeschluckt.«

»Was?«

»Starrt mich nicht so an. Das ist eine Metapher, die Euer Gott gewählt hat. Ich habe endlich das Geheimnis um den zweiten Kuss des Bastards gelöst. Ich weiß nun, wie die Heilige von Rauma es geschafft hat, Dämonen aus der Welt und zu ihrem göttlichen Befehlshaber zurückzuschaffen. Denn wie es scheint, ist diese Gabe nun mir zugefallen. Arhys’ Abschiedsgeschenk, oder besser gesagt eine Gabe, die er erst ermöglicht hat.« Sie zitterte unter einem Anflug von Trauer, dem sie nicht nachzugeben wagte. Nicht jetzt, jedenfalls. »Illvin.«

Ihre Stimme klang scharf und eindringlich. Sie riss ihn aus der betrübten Teilnahmslosigkeit, die ihn zu überwältigen schien, während er sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Brüstung lehnte und ins Leere starrte. Ista erinnerte sich daran, dass er in der letzten Stunde eine Besorgnis erregende Menge Blut verloren hatte, vor allem wenn man daran dachte, wie ausgezehrt er vorher schon gewesen war. Vermischt mit dem von Cattilara bedeckte dieses Blut nun in eintrocknenden Lachen die halbe Plattform des Turmes. Seine Wunden hatten sich wieder geschlossen, als wären sie niemals da gewesen, abgesehen von einer Reihe schorfbedeckter Nadelstiche auf seiner Schulter. Er schaute Ista an und blinzelte eulenhaft.

»Was ist der schnellste und einfachste Weg, wie ich Joen von Antlitz zu Antlitz gegenübertreten kann?«

Mit gedankenlosem Scharfsinn entgegnete er einfach: »Ergebt Euch.« Dann sah er sie entsetzt an und schlug die Hand vor den Mund, als wäre ihm soeben eine Kröte von den Lippen gefallen.

25

Ista hatte sich so gut gesäubert, wie es mit ungefähr einem halben Becher Wasser und einigen Lappen möglich war, als Liss in ihre Gemächer zurückkehrte. Sie trug einen Haufen Kleidungsstücke auf den Armen und stieß die Verbindungstür mit der Hüfte auf. »Das sind die besten, die Cattilaras Damen in der Eile auftreiben konnten«, erklärte sie.

»Gut. Leg sie aufs Bett.« Ista schloss ihr schmutziges schwarzes Kleid wieder und kam herüber, um sie anzusehen. Man konnte es beim besten Willen nicht als Bad bezeichnen, doch zumindest würde es sich nun nicht mehr ganz wie eine Entweihung anfühlen, wenn ihre jetzt etwas weniger klebrige Haut sauberen Stoff berührte. »Wie geht es der Gräfin?«

»Sie schläft. Oder ist bewusstlos. Man kann es wirklich nicht so genau sagen, wenn man sie ansieht. Sie wirkt sehr blass und grau.«

»Was immer es ist, vielleicht ist es besser so. Vielleicht hat sie sich mit dem Blut, das sie auf dem Turm verloren hat, einen Gefallen erkauft, wenn das für ihren erschöpften Schlummer verantwortlich ist.« Ista durchwühlte den Haufen. Ein Unterkleid sah so aus, als wäre der Saum kurz genug, dass sie nicht darüber stolpern würde. Es hatte die Farbe frischer Sahne, eingefasst mit aufwendiger Spitze. Außerdem fand Ista ein zartes weißes Kleid, ein Festtagsgewand zum Tag des Bastards. Es war mit schimmerndem weißem Garn bestickt, das ihm Gewicht und Schwung verlieh. Die unbekannte Schneiderin hat es irgendwie geschafft, das Fries aus kleinen, tanzenden Ratten und Krähen mit beträchtlichem Charme zu versehen. »Perfekt«, murmelte Ista und hielt es empor. Sie bemerkte, dass der Funke auf ihrer linken Hand verschwunden war, obwohl das eisige Mal fortbestand.