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Ista blickte zur jokonischen Gesandtschaft hinüber, die vor dem Tor angetreten war und ihre Kapitulation erwartete. Einige Dutzend Reiter waren versammelt — zahlreiche Soldaten und drei Offiziere. Ista erkannte Fürst Sordso auf Anhieb. An seiner Seite ritt nervös der Dolmetscher-Offizier. Der dritte Offizier, ein schwerer, verwitterter, bronzehäutiger Mann mit ergrautem, früher bronzefarbenem Haar, war ebenfalls ein versklavter Zauberer. Unter seiner Haut glänzte das dämonische Licht und beherrschte ihn vollkommen. Wie bei Sordso wand sich ein Band aus Licht von seinem Bauch aus zurück zu den fernen grünen Zelten.

Auf die gleiche Weise gebunden war die einsame Reiterin bei der Schar — besser gesagt eine Frau, die auf roknarische Weise hinter einem Diener saß, seitlich auf einem gepolsterten Sitz über den Hüften des Pferdes. Ihre Füße waren würdevoll auf einem kleinen Brett abgelegt. Die Zauberin trug höfische, ausladende Gewänder und einen breitkrempigen Hut, der unter dem Kinn mit dunkelgrünen Bändern verschnürt war. Sie war viel jünger als Joen, allerdings weder mädchenhaft noch besonders hübsch. Sie musterte Ista eindringlich.

Ista folgte Illvin und richtete den Blick auf sein Gesicht, nicht auf die dunkle Kluft, die am Grund absichtlich mit scharfen Felsen und glitzernden Glassplittern ausgelegt war. Cattilaras Sandalen rutschten an Istas verschwitzten Füßen. Illvin nahm ihre Hand und zog sie mit festem Griff zu sich, bis sie sicher auf dem staubigen Boden bei ihm stand. Das Brett wurde sofort zurückgezogen und verschwand scharrend durch die Seitenpforte, die anschließend zugeschlagen wurde.

Die Frau ritt näher heran. Während Ista noch aufblickte und ihren finsteren Blick erwiderte, verschwand das dämonische Licht in ihrem Innern, bis Ista nur noch Haut und Kleidung sah. Nur noch den Ausdruck ihres Gesichts, nicht mehr die Farben einer Seele. Ista hielt den Atem an und blickte wieder zu Sordso. Er sah nun nur noch aus wie ein goldhaariger junger Mann auf einem tänzelnden schwarzen Pferd. Nicht einer der Zauberer hob die Hand und zuckte zusammen vor dem Glosen des göttlichen Lichtes in Ista, und die Dämonen in ihnen duckten sich nicht mehr vor ihr — sie konnte die Dämonen nicht einmal mehr sehen.

Mein zweites Gesicht wurde mir genommen. Ich bin blind!

Noch etwas anderes fehlte. Der Druck des Gottes gegen ihren Rücken, der sie seit der blutbefleckten Morgendämmerung auf dem Nordturm vorangetragen hatte, wie in einem Traum dahintreibend, war ebenfalls verschwunden. Hinter ihr gähnte nur noch eine schweigende Leere. Unendlich leer, wo sie nur Augenblicke davor noch so unendlich voll gewesen war. Verzweifelt versuchte Ista sich zu erinnern, wann sie zuletzt die Hände des Gottes auf ihren Schultern gespürt hatte. Sie war sicher, auf dem Vorhof war er noch bei ihr gewesen, als sie mit dy Cabon gesprochen hatte. Sie glaubte, dass er noch bei ihr gewesen war, als sie auf das Brett über den Abgrund getreten war.

Er war nicht mehr bei mir, als ich es hinter mir ließ.

Ihre nutzlosen körperlichen Augen verschwammen vor Angst und Verlust. Sie bekam kaum noch Luft, als wäre ihr Brustkorb mit schweren Stricken fest umwunden. Was habe ich falsch gemacht?

»Wer ist das?«, fragte Fürst Sordso und zeigte auf Illvin.

Der bronzehäutige Zauberer trieb sein Pferd an die Seite des Fürsten und blickte überrascht auf Illvin, der den Blick gelassen erwiderte. »Ich glaube, das ist Illvin dy Arbanos selbst, Hoheit, der Halbbruder von Lord Arhys, der Fluch unserer Grenzen.«

Sordso runzelte die Stirn. »Der neue Befehlshaber von Porifors! Was macht er hier? Frag ihn, wo die andere Frau ist.« Er winkte seinem Dolmetscher.

Der Offizier ritt auf Illvin zu. »Dy Arbanos! Unsere Vereinbarung betraf die Königinwitwe und die Tochter des Grafen von Oby«, sagte er auf Ibranisch. »Wo ist Lady Cattilara dy Lutez?«

Illvin bedachte ihn mit einer angedeuteten, spöttischen Verbeugung. Seine Augen waren kalt und dunkel. »Sie hat sich ihrem Gemahl angeschlossen. Letzte Nacht hat sie ihn vom Turm aus beobachtet, und als sie seinen Tod spürte, stürzte sie sich über die Brüstung und beendete ihr Leid auf den Steinen darunter. Sie liegt nun aufgebahrt und wartet darauf, bestattet zu werden, sobald Ihr Euch wie vereinbart zurückgezogen habt und wir unseren Friedhof erreichen können. Ich komme an ihrer Stelle, und um Königin Ista als Wächter und Begleiter zu dienen. Denn die Königin konnte schon einmal die zweifelhafte Disziplin Eurer Armeen erleben und verspürte keine Lust, Euch ihre Zofen auszuliefern.«

Der Dolmetscher kniff die Brauen zusammen, und das nicht nur wegen der versteckten Beleidigung. Er wiederholte für Sordso und die anderen, was Illvin gesagt hatte. Die Zauberin stieß ihren Reiter an, um sie näher heranzubringen. »Ist das wahr?«, wollte sie wissen.

»Wenn Ihr es nicht glaubt, so schaut doch selbst nach dem, was Ihr wirklich sucht«, sagte Illvin mit einer Verbeugung in ihre Richtung. »Ich würde annehmen, dass Fürst Sordso die Überreste seiner Schwester Umerue auch aus dieser Entfernung noch erkennen könnte, wäre sie immer noch … nun, am Leben wäre jetzt nicht der richtige Ausdruck, oder? Würde sie sich immer noch innerhalb von Lady Cattilara und hinter diesen Mauern aufhalten.«

Der Dolmetscher zuckte auf seinem Sattel zusammen, doch Ista war nicht sicher, ob es an der Überraschung über Illvins Botschaft lag oder am Tonfall. Sordso, der bronzehäutige Offizier und die Zauberin wandten sich Porifors zu, und ihre Mienen wurden angespannt und in sich gekehrt.

»Nichts«, hauchte Sordso nach einer Weile. »Er ist fort.«

Die Zauberin musterte Illvin. »Der da weiß zu viel.«

»Meine arme Schwägerin ist tot, und das Geschöpf, das Ihr verloren habt, ist Eurem Zugriff entkommen«, sagte Illvin. »Können wir das jetzt hinter uns bringen?«

Auf ein Nicken des Fürsten hin stiegen zwei der Soldaten ab. Zunächst einmal überprüften sie, ob Illvin Klingen in der Schärpe oder den Stiefeln versteckt hatte. Er ertrug ihre tastenden Hände mit einem Ausdruck gelangweilten Missfallens. Sein hoch gewachsener Körper spannte sich an, als einer der Soldaten auf Ista zuging. Als der Mann vor ihren weißen Röcken niederkniete, entspannte er sich nur ein wenig.

»Ihr müsst Eure Schuhe ablegen«, erklärte der Dolmetscher. »Ihr werdet barfuß und ohne Kopfbedeckung vor die erhabene Mutter treten, wie es sich für eine geringere Frau und quintarische Irrgläubige geziemt.«

Illvin hob den Kopf und biss die Zähne zusammen. Doch was für Einwände ihm auch immer auf der Zunge lagen, er hielt sie hinter den Zähnen fest.

Die warmen Hände des Mannes fingerten an den Bändern herum, die Liss eben erst um Istas Knöchel gewickelt hatte. Sie stand steif da, leistete aber keinen Widerstand. Er zerrte die leichten Sandalen von ihren Füßen und warf sie beiseite. Dann stand er auf, wich zurück und stieg wieder auf sein Pferd.

Sordso ritt zu ihr und musterte sie von Kopf bis Fuß. Er lächelte grimmig über das, was er sah — oder vielleicht eher über das, was er nicht sah. Jedenfalls fürchtete er sich nicht, ihr den Rücken zuzuwenden, denn schroff wies er sie an, in der sich allmählich formenden Prozession den Platz direkt hinter seinem Pferd einzunehmen. Illvin versuchte, ihr seinen Arm zur Stütze anzubieten, doch der bronzehäutige Offizier zog sein Schwert und bedeutete ihm damit, hinter ihr zu gehen. Auf eine Handbewegung Sordsos hin setzten sie sich alle über die trockene unebene Landschaft in Bewegung.

Ista war sich kaum des messingfarbenen, strahlenden Mittagshimmels bewusst, unter dem sie dahertaumelte. Sie tastete im Innern ihres Geistes umher, fand aber nur eine widerhallende Dunkelheit. Sie schickte stille Flüche an den Bastard. Dann stille Gebete, erhielt jedoch keine Antwort.