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War dies das Werk der jokonischen Zauberer? Einen Gott in der materiellen Welt zu besiegen? Gewiss konnten diese Gegner nicht diesen Gott überwältigen …?

Also nicht ein Versagen des Gottes, sondern ihres. Irgendwie waren die Pforten ihrer Seele wieder zugefallen, zusammengebrochen und verschüttet. Versperrt durch Steine aus Angst, Wut oder Demütigung, die den kürzlich erweiterten Durchgang versperrten …

Sie hatte einen Fehler gemacht, einen ungeheuren Fehler, irgendwann in den wenigen vorangegangenen flüchtigen Minuten. Vielleicht hätte sie die Aufgabe und den Gott doch an dy Cabon übergeben sollen. Vielleicht war es eine schreckliche Anmaßung von ihr gewesen, ihn für sich zu behalten, eine ungeheuerliche und fatale Anmaßung. Maßlose Überheblichkeit, sich einzubilden, eine solche Aufgabe wäre ihr übertragen. Wer wäre schon dumm genug, eine solche Aufgabe ihr aufzuerlegen?

Die Götter. Zweimal. Es war ein Rätsel, wie dermaßen gewaltige Geschöpfe sich so gewaltig irren konnten. Ich hätte es besser wissen müssen, als ihnen zu vertrauen. Und doch bin ich hier, wieder einmal …

Während des ganzen Weges stachen spitze Steine in ihre Füße. Der Zug bog auf den Hain ab und querte eine flache Senke voller dunklem Dreck, der unter den Hufen saugte und nach stehendem Wasser und Pferdepisse stank. Sie kletterten eine kleine Anhöhe empor. Ista hörte Illvins lange Schritte hinter sich, und seinen rascher gehenden Atem. Sein ungleichmäßiges Keuchen verriet mehr von seiner Schwäche, als sein Gesicht es jemals tun würde. Der Hain zeichnete sich vor ihr ab; sein Schatten versprach Erleichterung von der stechenden Sonne über ihnen.

Oh. Keine Erleichterung, gar keine. Sie marschierten durch ein Spalier der Toten. Ganz bewusst, entlang der linken Seite ihres Weges, als sollten sie Zeuge dieser Prozession werden, lagen die Körper der Männer von Porifors aufgereiht, die letzte Nacht während Arhys’ Ausfall getötet worden waren. Sie alle waren ausgezogen, und ihre Wunden waren schutzlos den schillernden grünen Fliegen ausgesetzt, die um sie her summten.

Sie blickte auf die Reihe der bleichen Körper und zählte sie. Acht. Acht von den vierzehn, die gegen die fünfzehnhundert ausgeritten waren. Sechs mussten immer noch am Leben sein, irgendwo im Lager der Jokoner, verwundet und gefangen. Foix’ muskulöser Körper war nicht unter den reglosen Gestalten zu sehen. Pejars schon.

Sie schaute noch einmal hin und zählte neu: Fünf leben noch.

Es lag noch ein Neunter da, aber kein Körper. Eher ein … Haufen. Ein Speer war hinter dem Durcheinander in den Boden gerammt, und auf dem Schaft steckte Arhys’ entstellter Kopf. Blicklos starrte er über das jokonische Lager hinweg. Die einst so hinreißenden Augen waren herausgeschnitten worden — ein Soldat, verrückt vor Furcht, hatte noch versucht, an der leeren Hülle Rache zu nehmen.

Zu spät. Er war fort, bevor du ihn erreicht hast, Jokoner. Ihre bloßen Füße stolperten über eine Wurzel, und sie schnappte vor Schmerz nach Luft.

Illvin trat vor und ergriff ihren Arm, bevor sie der Länge nach hinfiel.

»Sie wollen uns prüfen. Schaut nicht hin«, wies er sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch an. »Fallt nicht in Ohnmacht. Und übergebt Euch nicht.«

Er sah so aus, als könne ihm jederzeit beides geschehen. Sein Antlitz war so grau wie die Gesichter der Leichen, obwohl seine Augen in einem Feuer loderten, wie sie es noch nie im Gesicht eines Mannes gesehen hatte.

»Das ist es nicht«, flüsterte sie zurück. »Der Gott hat mich verlassen.«

Seine Augenbrauen zuckten, bestürzt und verwirrt. Mit gezogenem Schwert wies der bronzehäutige Offizier sie an, zum gegenüberliegenden Ende des Hains weiterzugehen, obwohl er Illvin nicht länger dazu zwang, hinter ihr herzugehen. Vielleicht sah auch sie so aus, als wäre sie der Ohnmacht nahe.

Sie überlegte sich, dass Illvin durchaus zu Recht von prüfen gesprochen hatte. Wenn einer von ihnen bisher tatsächlich noch irgendwelche unheimliche Macht verborgen gehalten hätte — oder überhaupt irgendwelche Stärke —, hätte dieses Schauspiel sie leicht zu irgendeinem zornigen, nutzlosen Schlag gegen die selbstgefälligen Feinde verleiten können. Wäre sie entweder eine Zauberin oder ein Schwertkämpfer gewesen, so hätte der Fürst gewiss nicht dieses Grinsen überlebt, das er über die Schulter zurückgeworfen hatte, als sie an Arhys’ Überresten vorübergetaumelt war. Doch vor einer gescheiterten Heiligen waren die Jokoner anscheinend ziemlich sicher.

»Sie wollten Catti daran vorübergehen lassen«, murmelte Illvin unterdrückt. »Setz ihnen das auf die Rechnung, und die fünf Götter mögen geben, dass ich derjenige bin, der zum Kassieren kommt …« Seine Blicke flogen weiterhin von einem Zelt zum nächsten, verfolgten den Pfad der Verwüstung, den der Ausfall der letzten Nacht zurückgelassen hatte, schätzten den Zustand der Männer und Pferde ein, an denen sie vorüberkamen. Einige Dutzend höhnische Soldaten hatten sich versammelt und verfolgten ihre kleine Parade. Dünne, silbrige Spuren liefen Illvins Gesicht hinunter, doch er wollte sie nicht fortwischen vor diesem Publikum. Ista kannte nicht genug unflätiges Roknari, um all die Beleidigungen zu übersetzen. Doch bei Illvin war das ohne Zweifel der Fall. Sein verbissenes Gemurmel hielt an: »Sie bereiten sich nicht darauf vor, das Lager abzubrechen. Sie bereiten einen Angriff vor. Sollte uns das überraschen? Ha! Aber eines ist sicher. Sie haben keine Ahnung, wie schwach wir inzwischen sind. Ansonsten würden sie schon die Siegesfeier vorbereiten …«

Wollte er sich damit von der Entweihung des Leichnams seines Bruders durch die Jokoner ablenken? Sie betete, dass diese Strategie bei ihm aufgehen mochte. Sie hielt mit ihren eigenen, blind gewordenen Sinnen nach irgendeinem Anzeichen des Gottes Ausschau. Nichts. Joen und Sordso hatten Arhys’ Kopf an ihrem Weg aufgestellt, als Symbol von Istas Scheitern, um sie verzweifeln zu lassen. Ob Arvol dy Lutez sich ebenso verlassen fühlte, als sein herabhängendes Haar zum zweiten Mal das Wasser berührte?

Und doch hatte dieses Symbol auch eine Bedeutung, die den Feinden entging. Die Erinnerung an die Niederlage war ebenfalls die Erinnerung an einen Sieg, zum Ausdruck gebracht durch die Abwesenheit von Arhys’ Seele in diesem Fleisch. Wie paradox.

Der Gott mag fort sein, doch ich bin noch da. Vielleicht ist dies meine Aufgabe in der Welt des Stofflichen: zu tun, was das Stoffliche am besten kann — durchhalten! Sie holte tief Luft und ging weiter.

Sie erreichten das größte der grünen Zelte. Eine Seite war hochgerollt und enthüllte ein Inneres, das aussah wie ein transportabler Thronsaal. Teppiche waren dick auf dem Boden verteilt. Ein Podium befand sich an der Rückseite; darauf stand ein Paar beschnitzter Stühle, die mit Blattgold verziert waren, sowie eine Ansammlung von Kissen. Überall war das Dunkelgrün gesetzter, ernsthafter mütterlicher Witwenschaft zu sehen und erdrückte selbst das Meergrün des jokonischen Wappens. Nie zuvor hatte Ista diese Farbe so sehr verabscheut.

Auf dem kleineren, niedrigeren der beiden Stühle saß die Fürstinnenwitwe Joen. Sie trug ein anderes, aber ebenso aufwendiges Gewand aus vielen steifen Kleiderschichten, wie bei ihrem ersten Zusammentreffen. Fünf Götter, war es tatsächlich erst gestern zu dieser Zeit gewesen, dass sie einander auf der Straße begegnet waren? Ihre Zofen knieten auf den Kissen, und eine mondgesichtige junge Frau, die vielleicht eine andere Tochter sein mochte, kauerte zu ihren Füßen. Ista konnte nicht sagen, wie viele von ihnen Zauberinnen waren. Ein Dutzend Offiziere stand kerzengerade und angespannt an jeder Seite. Ista fragte sich, ob alle elf angeleinte Dämonen, die Joen noch hatte, zu dieser … Demonstration anwesend waren.