Выбрать главу

Er räusperte sich. »Das möchte ich eigentlich lieber nicht sagen. Der Name ist, äh … vulgär. Das Pferd war niemals für eine Dame bestimmt. Genau genommen war es kein Tier, auf dem irgendjemand geritten wäre, der noch bei Verstand ist.«

»Ach? Ihr seid doch darauf geritten.« Sie tätschelte den gewundenen Hals. Der Hengst bog den Kopf nach hinten und stupste ihre bloßen Füße. »Nun, wenn er von nun an das Reittier einer Dame sein soll, dann sollte man ihm vielleicht einen anderen Namen geben. Dämon würde passen.«

Illvin warf ihr einen schiefen Blick zu, und ein kleines Lächeln huschte über sein angespanntes Gesicht. »Gut.«

Er wandte sich ab und griff nach seinem eigenen Pferd. Er musste erst einmal kurz innehalten und Kräfte sammeln, ehe er sich in den Sattel schwingen konnte. Dann ließ er sich mit einem erschöpften Seufzen hineinsinken. In gegenseitiger, unausgesprochener Übereinstimmung wandten sie sich zunächst gemeinsam in gesetztem Schritt über das angrenzende Feld. Hinter ihnen im Hain hatte irgendetwas Feuer gefangen. Ista hörte das gedämpfte Prasseln der Flammen und die Rufe der Männer nach Wasser. Wie viel aufgestautes Chaos, natürlicher wie unnatürlicher Art, war durch Joens Tod auf die Jokoner losgelassen worden? Sie sah sich nicht um.

»Nach links«, meinte Illvin zu Foix.

»Sollten wir nicht einen Bogen über die Anhöhe im Norden beschreiben und so außer Sicht kommen?«

»Irgendwann schon. Doch da hinten gibt es einen Einschnitt, der uns schon vorher Deckung geben wird. Aber bewegt Euch langsam, vermutlich ist er bewacht. Zumindest ist es ein Ort, wo ich selbst Wachen aufstellen würde.«

Die täuschende Ruhe hielt an. Der zunehmende Lärm aus dem Lager blieb hinter ihnen zurück, und die leere Landschaft vermittelte die Atmosphäre eines ruhigen, verschlafenen und allzu warmen Nachmittags, weitab von Kriegen und Zauberei, Göttern und Wahnsinn.

»Bei der ersten Gelegenheit«, sagte Ista zu Illvin, »müsst Ihr Goram zu mir bringen.«

»Wie Ihr wünscht, Majestät.« Illvin drehte sich im Sattel und schaute sich die Umgebung an, durch die sie ritten.

»Sollen wir in einem großen Kreis nach Porifors zurückkehren?«, fragte Foix. Er folgte Illvins Blick über die Baumwipfel bis zu dem fernen Bauwerk. Noch immer stieg eine schmutzige Rauchwolke irgendwo aus dem Innern auf. »Ich glaube, im Schutz der Dunkelheit könnte ich uns hineinschmuggeln.«

»Nein. Sobald wir den Einschnitt hinter uns lassen, wollte ich versuchen, zum Grafen von Oby durchzukommen.«

»Ich weiß nicht, ob die Königin noch so weit reiten kann«, meinte Foix. Er fürchtete offenbar, dass nicht nur Ista, sondern auch Illvin jeden Augenblick aus dem Sattel kippen könnte. »Oder werden wir auf der Straße auf ihn stoßen?«

»Auf der Straße wird er nicht sein. Wenn er da ist, wo ich vermute, müssen wir weniger als zehn Meilen zurücklegen. Und wenn er noch nicht da ist, werden seine Kundschafter bald dort eintreffen.«

Sie stiegen in die Schlucht hinab, wo sie fast sofort auf Illvins vorausgesagte Patrouille stießen. Die unerwartete Richtung ihrer Annäherung, Foix’ Kleidung als Offizier, das roknarische Sattelzeug und Illvins steifes höfisches Roknari führten schließlich dazu, dass sie den Vorposten bald wieder unter vielerlei Verbeugungen und Kratzfüßen verließen. Illvin erwiderte den vierfältigen Segensgruß der glücklosen Soldaten und berührte, sobald sie wieder außer Sicht waren, in stummer Entschuldigung an den fünften Gott mit dem Daumen die Zunge. Sie trieben die Pferde schneller voran.

Illvin führte sie und nutzte jede Deckung, die die Landschaft bieten konnte — Senken und kleine Wasserläufe, Dickichte und Wäldchen. Dabei hielt er sich stets in eine nordöstliche Richtung. Nachdem sie vier oder fünf Meilen zurückgelegt hatten, hielten sie kurz an und gönnten sich und den Pferden ein wenig Wasser. Porifors war inzwischen hinter einigen niedrigen, sanft ansteigenden Hügeln außer Sicht, doch noch immer beschmutzten verschiedene Rauchsäulen den klaren, blauen Himmel hinter ihnen.

»Fühlt Ihr noch Euren Bären?«, wollte Ista von Foix wissen, als dieser den Kopf endlich wieder aus dem Fluss zog.

Foix setzte sich und runzelte die Stirn. »Nicht so wie früher. Joen hat irgendwas mit uns gemacht. Ich hoffe, es war nichts Übles.«

»Ich habe den Eindruck«, erklärte Ista bedächtig, »dass ihr beide durch all diese Geschehnisse schneller zusammengezwungen wurdet, als ihr es aus eigenem Antrieb geschafft hättet. Ihr seid verschmolzen, ohne dass eine Seite beherrscht oder unterdrückt worden wäre. Ich glaube, dass Euer Dämon weder von Eurer Seele zehrt, noch dass er ihr die Kraft raubt, sondern dass ihr beide alles frei miteinander teilt.«

Foix sah verlegen aus. »Ich habe immer gern Tiere gefüttert …«

»Euch zu trennen, übersteigt meine derzeitigen Fähigkeiten, wie auch Eure gegenwärtigen Bedürfnisse. Ihr habt einen theologisch interessanten Zustand erreicht, doch dieser ist nicht einzigartig, nehme ich an. Ich habe mich mitunter gefragt, woher die Tempelzauberer eigentlich kommen. Jetzt weiß ich es. Ich würde sagen, es war eine der Aufgaben der Heiligen von Rauma, zu beurteilen, wer diese Macht tragen konnte, ohne ihr zu verfallen. Womöglich werdet Ihr eine Ausbildung von der Kirche des Bastards erhalten müssen. Ich bin mir sicher, Euer Orden wird Euch freigeben, wenn ich darum bitte.«

Foix verzog das Gesicht. »Ich soll ein Akolyth des Bastards werden? Na, mein Vater wäre bestimmt nicht erfreut. Oder meine Mutter … Ich sehe sie vor mir, wie sie es das ihren Freundinnen erklären muss. Autsch.« Unwillkürlich grinste er. »Allerdings kann ich es kaum erwarten, Ferdas Gesichtsausdruck zu sehen …« Verschlagen sah er zu ihr hin. »Werdet Ihr auch eine Ausbildung erhalten, Majestät?«

Sie lächelte. »Berater, Foix. Eine Dame meines Ranges kann Berater fordern, die mir nach Belieben zur Seite stehen. Ich denke, mir beliebt es sehr bald, und das Belieben wird womöglich etwas einseitig sein …«

Die Erinnerung an Ferda und die Hoffnung, etwas Neues von seinem Bruder zu hören, war stärker als Foix’ anfängliches Verlangen, Ista zu verhätscheln. So war es schließlich er, der die Pferde bereitmachte und seine Gefährten zum Aufbruch drängte.

»Rollt diesen Wappenrock zusammen und verstaut ihn in der Satteltasche«, riet Illvin, während er aufsaß. »So der Bastard will, sind die nächsten Kundschafter, auf die wir stoßen, die aus Oby. Und angehender Tempelzauberer oder nicht — ein irrtümlicher Armbrustbolzen wäre Eurer Gesundheit nicht zuträglich.«

»Sicher nicht«, erwiderte Foix und kam der Empfehlung hastig nach.

Illvin musterte seinen roten Hengst, der Ista mit solch außerordentlicher Behutsamkeit trug, dass sie einen Becher Wasser hätte halten können, ohne etwas zu verschütten. Erstaunt schüttelte er den Kopf, als wäre unter allen Wundern, die er in letzter Zeit hatte miterleben können, dies hier das Unerklärlichste. »Könnt Ihr noch durchhalten?«, fragte er. »Es ist nicht mehr sehr weit.«

»Im Vergleich zu der Meile, die ich gelaufen bin, bedeuten ein paar weitere Meilen zu Pferde gar nichts«, versicherte sie ihm. »Ich dachte schon, der Gott hätte mich verlassen. Doch wie es scheint, hat Er sich nur in meinem Innern verborgen.« Und es mir überlassen, Ihn zu tragen. Es war einer der kleinen Scherze des Bastards, befand sie, dass Er ihr zuvor in derart massiger Gestalt erschienen war. Hatte Er alles schon vorher gewusst? Obwohl sie nun schon drei Göttern Auge in Auge gegenübergestanden hatte, konnte sie die Grenzen ihrer Voraussicht nicht abschätzen.

»Ihr habt gar nicht mehr geleuchtet«, warf Foix ein. »Und das macht Sinn: Die jokonischen Zauberer hätten Euch kaum vor Joens Antlitz geschleppt, hättet Ihr ausgesehen wie ein Schiff, das in heiligem Feuer lodert. So dumm waren sie auch nicht. Doch als Ihr plötzlich erstrahlt seid …« Er verstummte. Foix fehlte es selten an Worten, überlegte Ista. Allmählich verstand sie, weshalb Lord dy Cazaril zu dem Schluss gelangt war, dass man die Götter allenfalls in der Sprache der Poesie erfassen konnte. Schließlich brachte Foix hervor: »Nie habe ich etwas Vergleichbares gesehen. Ich bin froh, dass ich es gesehen habe. Aber wenn ich niemals wieder so etwas erblicken müsste, wäre es mir recht.«