Caria spähte zur Sonne empor, die inzwischen hoch am Himmel stand. »Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich in Valenda sind. Es gibt dort ein berühmtes Gasthaus, in dem es köstliche Spanferkel gibt.« Voll Vorfreude schmatzte sie mit den Lippen.
»Ja, ein solches Gasthaus gibt es dort«, sagte Ista. In all den Jahren, die sie in Valenda gelebt hatte, war sie niemals dort eingekehrt, wurde ihr bewusst.
Die Revisorin — bis dahin eine der gequältesten unter den unfreiwilligen Zuhörern der Witwe —, schürzte missbilligend die Lippen. »Ich werde kein Fleisch essen«, kündigte sie an. »Ich habe einen Eid geleistet, dass mir während dieser Reise weder Fleisch noch Fett über die Lippen kommen wird.«
Caria beugte sich näher an Ista heran und flüsterte ihr zu: »Hätte sie einen Eid geleistet, statt ihrer Salate ihren Hochmut herunterzuschlucken, hätte sie nach dem Zweck einer Pilgerfahrt eher entsprochen.« Sie richtete sich wieder auf und grinste. Die Revisorin rümpfte die Nase und gab vor, nichts gehört zu haben.
»Ich bin sicher, mit sinnlosem Geschwätz können die Götter nichts anfangen«, bemerkte der Kaufmann mit den grauschwarzen Bändern des Vaters am Ärmel. Er blickte ins Leere, als würde er niemand Bestimmten ansprechen. »Wir sollten unserer Zeit mit Nützlicherem verbringen. Wir könnten über moralisch bedeutsame Themen reden und unseren Geist auf Gebete einstimmen, statt unseren Bauch aufs Mittagessen.«
Caria grinste ihn anzüglich an. »Ach ja? Oder noch weiter unten befindliche Körperteile auf noch angenehmere Freuden? Und dabei tragt Ihr auch noch die Gunst des Vaters am Ärmel. Ihr solltet Euch schämen.«
Der Kaufmann erstarrte. »Ich habe nicht vor, in dieser Angelegenheit um die Gnade des Gottes zu beten. Und das hab ich auch nicht nötig, das kann ich Euch versichern, meine Beste.«
Der Geistliche des Bastards blickte von seiner Lektüre auf und sagte beschwichtigend: »Alle Teile unseres Leibes stehen unter dem Segen der Götter, vom Kopf bis zu den Zehen. Jeder findet seinen Gott, und auch jeder Körperteil.«
»Euer Gott ist ja bekannt dafür, nicht wählerisch zu sein«, bemerkte der Kaufmann, immer noch gekränkt.
»Wer einem Mitglied der Heiligen Familie Einlass in sein Herz gewährt, wird nicht abgewiesen. Nicht einmal, wenn er selbstgefällig ist.« Der Geistliche deutete über seinem Bauch hinweg eine kurze Verbeugung in Richtung des Kaufmannes an.
Caria konnte ein fröhliches Auflachen nicht zurückhalten. Der Kaufmann schnaubte entrüstet, sparte sich aber weitere Kommentare, während der Geistliche sich wieder seinem Buch zuwandte.
»Ich mag den dicken Burschen«, flüsterte Caria Ista zu. »Er redet nicht viel, aber wenn er etwas sagt, trifft es den Nagel auf den Kopf. Solche Buchmenschen sind eigentlich nicht so mein Fall, aber der da ist ganz in Ordnung. Obwohl ich der Meinung bin, dass ein Mann sich eine Frau suchen, Kinder zeugen und eine Arbeit tun soll, mit der er seine Familie ernähren kann, anstatt hinter den Göttern herzulaufen. Aber ich muss gestehen, mein zweiter Ehemann hat es auch nicht getan — gearbeitet, meine ich. Dafür hat er mit dem Trinken angefangen. Hat sich schließlich zu Tode gesoffen, zur Erleichterung aller, die ihn kannten — die Götter mögen seiner Seele gnädig sein.« Sie schlug das heilige Zeichen, indem sie die Hand zur Stirn führte, dann zu den Lippen, zum Nabel, zur Leiste und schließlich zum Herzen, wobei sie die Finger über der drallen Brust weit spreizte. Dann schürzte sie die Lippen, hob ihr Kinn und ihre Stimme und rief neugierig: »Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke — Ihr habt uns nie erzählt, welchen Wunsch Ihr den Göttern vortragen wollt, Hochwürden!«
Der Geistliche legte einen Finger auf die Buchseite, blickte auf und meinte: »Nein, das habe ich wohl nicht.«
»Beten geweihte Leute nicht immer darum, dass sie ihrem Gott begegnen?«, warf der Kaufmann ein.
»Ich jedenfalls habe schon oft darum gebetet, dass die Göttin mein Herz berühren möge«, erwiderte die Revisorin der Mutter. »Sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, wäre das höchste Ziel meiner spirituellen Entwicklung. Tatsächlich habe ich schon oft geglaubt, ihre Nähe zu spüren.«
Wer die Götter von Angesicht zu Angesicht sehen will, muss ein auserlesener Dummkopf sein, dachte Ista bei sich. Obwohl die Götter nach ihrer Erfahrung nicht eben wählerisch waren und den Dummkopf ebenso heimsuchen konnten wie den Weisen.
»Um das zu erreichen, müsst Ihr nicht erst lange beten«, sagte der Geistliche. »Ihr müsst bloß sterben. Das ist nicht weiter schwierig.« Er rieb sich das Doppelkinn. »Genau genommen ist es sogar unvermeidlich.«
»Ich möchte gern von den Göttern zu Lebzeiten berührt werden«, gab die Revisorin kühl zurück. »Das ist die Gnade, nach der wir alle uns sehnen.«
Ist es nicht. Würdest du in diesem Augenblick tatsächlich die Mutter vor dir sehen, Frau, würdest du jammernd und klagend durch den Schlamm der Straße kriechen und tagelang nicht aufstehen. Ista wurde klar, dass der Geistliche sie neugierig aus den Augenwinkeln beobachtete.
War er etwa von den Göttern berührt worden? Ista hatte einige Übung darin, solche Leute zu erkennen. Leider traf das auch umgekehrt zu. Aber vielleicht war das Starren des Mannes auch nur auf Kurzsichtigkeit zurückzuführen. Dennoch wurde ihr unbehaglich zumute, und sie starrte finster zu ihm zurück. Er zwinkerte reumütig und meinte: »Tatsächlich bin ich im Auftrag meiner Kirche unterwegs. Ein mir anvertrauter Novize traf zufällig auf einen umherstreunenden, niederen Dämon, der sich im Körper eines Frettchens verbirgt. Ich bringe das Tier nach Taryoon, damit der Erzprälat den Dämon austreibt und zurück zu unserem Gott schickt.«
Er drehte sich zu seinen geräumigen Satteltaschen um und wühlte darin, bis er endlich sein Buch verstaut und stattdessen einen kleinen Käfig aus Weidenruten hervorgeholt hatte. Im Innern des Geflechts bewegte sich ein geschmeidiger grauer Schatten.
»Aha! Das also habt Ihr die ganze Zeit da drin versteckt!« Caria ritt näher zu ihm und zog die Nase kraus. »Für mich sieht es aus wie ein ganz normales Frettchen.«
Das Tier richtete sich auf, stützte sich gegen die Käfigwand und zuckte mit den Schnurrhaaren in ihre Richtung.
Der rundliche Geistliche drehte sich im Sattel ein Stück herum und hielt den Käfig hoch, sodass Ista einen Blick darauf werfen konnte. Das Frettchen lief zunächst im Kreis umher, erstarrte aber unvermittelt, als es Ista bemerkte. Einen winzigen Moment blickte es aus seinen Knopfaugen zu ihr hinüber. Ista sah in diesen Augen einen Verstand funkeln, der ganz und gar nicht zu einem Tier passte. Dann senkte das Frettchen den Kopf und wich so weit zurück, bis es an die rückwärtige Käfigwand stieß. Der Geistliche warf einen neugierigen Blick auf Ista.
»Seid Ihr sicher, dass das arme Ding nicht bloß krank ist?«, fragte Caria zweifelnd.
»Was sagt Ihr, meine Dame?«, wollte der Geistliche von Ista wissen.
Du weißt ganz genau, dass es tatsächlich ein Dämon ist. Weshalb stellst du mir diese Frage? »Nun, ich nehme an, der Erzprälat wird wissen, was es ist und was man damit zu tun hat.«
Diese wachsame Antwort entlockte dem Geistlichen ein schwaches Lächeln. »In der Tat, es ist kein allzu bemerkenswerter Dämon.« Er ließ den Käfig wieder in der Satteltasche verschwinden. »Ich würde sagen, es ist nicht mehr als ein Elementargeist, unbedeutend und gestaltlos. Er ist wohl noch nicht lange in unserer Welt; deshalb ist es unwahrscheinlich, dass er jemanden zur Zauberei verführen kann.«