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Jakow Michailowitsch schlich näher.

Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Sieh an!

». . . is ja verloren ohne ’n Aufpasser«, hörte er einen gedämpften Bass. »Er is ja wie’n kleines Kind! So ein‘ kann man doch nich allein lassen.«

»Ich bin auch ein Aufpass«, antwortete der Araber wichtig. Ich aufpass sie. Die Frau! Hundert Mal schon wäre sie verschüttet gelaufen ohne mich.«

»Klar, ein Weib ist ein Weib«, sagte der Bär verständnisvoll.

Ach so, jetzt kapierte er, was das für einer war. Davon, dass Manuila einen Leibwächter hatte, hatte man Jakow Michailowitsch kein Sterbenswörtchen gesagt. Er wurde direkt ein wenig sauer auf seine Chefs. Mit so was treibt man keine Scherze, meine Herren, man muss doch schließlich wissen, woran man ist.

Jakow Michailowitsch konzentrierte sich. Das technische Problem war doch komplizierter, als er zunächst gedacht hatte.

Er starrte in die Dunkelheit und versuchte, seinen Gegner zu taxieren.

Anscheinend recht kräftig und ziemlich gefährlich. Jakow Michailowitsch kannte diese robuste Sorte Mensch sehr gut, solche Burschen legt man nicht mit einem Schlag flach, die sind zäh. Bei so einem war höchste Sorgfalt gefragt, dilettantisches Rumgehampel konnte er sich da nicht leisten.

Der Araber fiel nicht ins Gewicht: so ein spackes Kerlchen, und auch nicht grad ein großer Held, bei dem brauchte man nur mal kurz »Buh« machen. Jakow Michailowitsch hatte sich auf seinen Wanderungen an diesen kleinen Großkotz direkt gewöhnt, er hatte ihn geradezu lieb gewonnen. Ein richtig lustiger Bursche war das, grinste ununterbrochen übers ganze Gesicht. Nachts hatte sich Jakow Michailowitsch manchmal ganz nah an den Hantur herangeschlichen und zugehört, wie der Araber sang.

Er nahm sich vor, ihn nicht abzumurksen. Wäre schade um ihn. Natürlich, erforderlichenfalls würde er ihn sofort abmurksen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber dieser Hasenfuß würde ihn ganz bestimmt nicht anschwärzen, das sagte ihm die Psychologie – eine Wissenschaft, der Jakow Michailowitsch großen Respekt zollte.

Bei dem Araber kam es nur darauf an, ihm klarzumachen, dass er kein Geschrei veranstalten sollte. Aber so einfach war das auch wieder nicht. Eine Aufgabe mit zwei Unbekannten: Erstens – dem Araber den Mund stopfen, und zweitens – Meister Petz umlegen. Und das alles lautlos.

Er grübelte und überlegte eine halbe Minute, dann hatte er es.

Er schlich zurück bis zur Straße. Dort fand er einen hübschen Knüttel, der aussah wie eine Speiche von einem großen Wagenrad, eineinhalb Arschin lang. Das Ende war gespalten, deshalb hatte man sie wohl weggeworfen. Das war genau das, was er brauchte.

Als Jakow Michailowitsch in die Gasse zurückkehrte, hinkte er. Sein Rücken war tief gebeugt, und die Beine schienen ihn kaum zu tragen, schwer stützte er sich auf seinen Stock. Dabei murmelte er unentwegt irgendetwas vor sich hin. Ein armer alter Krüppel, vor dem brauchte man doch wohl keine Angst haben!

Trotzdem drehten sich der Bär und der Araber sofort zu ihm und beobachteten ihn misstrauisch.

Jakow Michailowitsch hinkte unbeirrt weiter, und als er fast bei ihnen war, tat er, als habe er sie gerade erst bemerkt. Er ließ sogar einen kleinen erschrockenen Aufschrei hören – das sind doch hoffentlich keine bösen Menschen?

Er schlurfte ganz nah heran und verbeugte sich. Mit der linken Hand stützte er sich auf den Stock, die rechte legte er nach Landessitte an Brust und Stirn.

Mit fistelnder, kläglicher Stimme sagte er zu dem Araber:

»Dshamal li ballachi ibn churtut?«

Was er da gefragt hatte, wusste er selber nicht – wie denn auch, es war ja völlig sinnloses Gebrabbel, aber der russische Petz würde es mit Sicherheit für irgendeinen arabischen Dialekt halten.

Der Bär ließ auch prompt die Schultern sinken und entspannte sich.

Dafür wunderte sich Salach umso mehr.

»Hä?«

Jakow Michailowitsch verbeugte sich nochmals, ganz langsam, schnellte dann wie eine Feder auseinander und knallte dem Araber mit den Fingerknöcheln eins auf die Nase – knacks!

Der Schlag war kräftig gewesen, aber nicht zu kräftig, sonst hätte es ihm womöglich den Nasenknochen ins Hirn getrieben, und dann wäre er hin gewesen.

Salach schoss das Blut aus den Nasenlöchern, er fiel um und blieb reglos auf dem Rücken liegen – alles vollkommen lautlos, genau wie vorgesehen.

Und aus derselben Drehbewegung heraus griff Jakow Michailowitsch den Bären an.

Der hatte gerade noch Zeit, den Mund aufzusperren. Meister Petz ist von Mutter Natur mit einer respektablen Figur ausgestattet, besitzt aber dafür eine etwas verlangsamte Auffassungsgabe, wissenschaftlich »retardierte Reaktion« genannt. Doch die funktioniert nur in der allerersten Sekunde, man sollte also nicht allzu sehr auf diese Retardierung setzen. Einmal, gleich nachdem er aus dem Straflager gekommen war, aber noch während seiner Verbannung, hatte Jakow Michailowitsch gesehen, wie ein Bär in einem Fluss Fische fing. Ein Fischer mit seinem Fischspeer kann da nicht im Entferntesten mithalten. Auf keinen Fall darf man bei diesem Trampeltier trödeln – wenn der aufwacht, hast du nicht mal Zeit zu niesen.

Und Jakow Michailowitsch trödelte nicht. Er stieß das Ende seines Stockes in den vor Staunen weit offen stehenden Mund – mit solcher Kraft, dass die Zähne splitterten. Das war erst mal, damit er nicht schrie.

In seinem linken Ärmel trug Jakow Michailowitsch ein praktisches Messerchen, eine feine finnische Arbeit mit einer Feder. Er ließ die Klinge herausschnappen und stach zu – aber nicht ins Herz, o nein! So einen Burschen bringt man nicht zur Ruhe, indem man ihm so ein kleines Messerchen ins Herz stößt. Auch nicht in die Kehle, damit erzeugt man nur ein furchtbares Röcheln und Blubbern. Nein, er stach unter das Brustbein, dorthin, wo im Inneren des Körpers der Schrei entsteht.

Tat ’s und sprang sofort vier, fünf Schritte zurück, damit er nicht in den Würgegriff der ausgebreiteten Arme geriet.

Meister Petz riss sich den Stock aus dem Mund und schleuderte ihn fort. Das Blut sprudelte ihm über den Bart, er sperrte den Rachen auf, aber schreien konnte er nicht – das Eisen, das unter seinem Brustbein steckte, ließ es nicht zu. Dann lief alles wie geplant. Der Bär setzte sich selbst außer Gefecht. Jeder Jäger weiß, dass ein Petz, dem man einen Spieß in den Leib gerammt hat, sich das Ding wieder herausreißt und sich damit selber den Garaus macht. Genau so geschah es. Hätte er das Messer stecken lassen, wäre das Leben nicht so schnell aus seinem Körper entwichen. Aber dieser Trottel fasste, wie vorausgesehen, sofort nach dem vorstehenden Schaft und riss sich die Klinge mit einem Krächzen heraus. Dann wankte er auf Jakow Michailowitsch zu. Der tat ein Schrittchen zurück, dann noch ein Schrittchen, dann ein drittes – mehr brauchte er nicht. Dem Burschen knickten die Beine weg, er plumpste auf die Knie. So blieb er eine Weile, schaukelte vor und zurück, als bete er seinen Bärengott an, und dann – »kawuch« – lag er platt mit dem Gesicht nach unten.

Uff!

Inzwischen war der Araber wieder zu sich gekommen. Er richtete sich auf dem Ellenbogen auf, hielt sich die blutige Nase und schniefte.

Jakow Michailowitsch, nach getaner Arbeit in Gönnerlaune, beugte sich zu ihm hinunter und sagte leise:

»Ich gehe jetzt die anderen beiden auch noch erledigen. Und was ist mit dir, willst du am Leben bleiben?«

Salach nickte, das Weiße in seinen weit aufgerissenen Augen leuchtete.

»Na gut, meinetwegen«, sagte Jakow Michailowitsch gutmütig. »Also verzieh dich, ehe noch was passiert. Und schön die Klappe halten, verstanden?«

Im Nu war der andere auf allen vieren.

»Los, los«, klopfte ihm der großmütige Mensch auf die Schultern.

»Sie ist meine Braut!«, sagte der Araber plötzlich.

»Was?«