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Ach, ich nörgle nur aus Neid herum. Es wäre nicht übel, so zu leben wie der Mönch Israiclass="underline" Kapriolen schlagen, so lange man im Saft steht, und wenn es Zeit wird und die Gesundheit nachlässt, die unsterbliche Seele retten – und zwar mit der gleichen Leidenschaft, mit der man zuvor gesündigt hat. Nur hat der Abt vor dem himmlischen Gläubiger eine sehr große Schuld auf sich geladen, Israil hockt bereits zwei Jahre in diesem himmlischen Vorzimmer, sechs Mitbrüder hat er schon begraben, aber seine Schuld ist noch nicht abgegolten. Man sagt, in achthundert Jahren habe niemand so lange auf der Nachbarinsel ausharren müssen – so ein großer Sünder ist er.

Damit beende ich die vorgeschriebenen Reden und rufe den Segen Allahs auf dein lichtstrahlendes Antlitz, o Gebieter.

Alexej Lentotschkin, Sklave der Lampe

PS: Und nun, da Sie bereits endgültig zu dem Schluss gekommen sind, dass ich Sie in diesem Brief nur mit meinem Geschwätz über die hiesigen Kuriositäten unterhalten will, wende ich mich der eigentlichen Sache zu.

Sie sollen wissen, größter Weiser der Weisen, dass ich die Lösung des Rätsels um Ihren schwarzen Mönch so gut wie in der Tasche habe. Ja, ja. Und diese Lösung verspricht überaus komisch zu werden. Das heißt, ich weiß bereits, worin der Trick besteht, mir ist nur noch nicht klar, wer sich da amüsiert, indem er vorgibt, Wassilisk zu sein, und zu welchem Zweck das geschieht, aber die Antwort auf diese Fragen werde ich heute herausfinden, denn allem Anschein nach wird die Nacht heute mondhell sein.

Mein Tagesablauf an den vergangenen drei Tagen sah folgendermaßen aus: Morgens habe ich lange geschlafen, dann begab ich mich auf Expeditionen zu Land und zu Wasser, und mit Einbruch der Dunkelheit legte ich mich auf der Landzunge, die sich zur Nachbarinsel hin erstreckt, auf die Lauer. Ich habe keinerlei übernatürliche Ereignisse beobachtet, doch vermutlich nur, weil die Nächte schwarz und völlig mondlos waren, und bekanntlich bevorzugt der Heilige eine himmlische Illumination. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, sprang ich von einem Stein zum anderen, fuhr ein wenig in einer Schaluppe herum (ein kleines Boot, das ich von einem Einwohner gemietet habe), weil ich prüfen wollte, ob es nicht möglich ist, sich so auf einen Stein zu stellen, dass es aussieht, als stehe man auf dem Wasser. Das ist sehr wohl möglich, hingegen ist es unmöglich, sich auch nur zwei oder drei Schritte fortzubewegen, davon habe ich mich überzeugt, und ich kam zu der Auffassung, die Mönche müssten sich das Wandeln auf dem Wasser in ihrem Schreck zusammenfantasiert haben. Doch in der dritten Nacht, also gestern, entdeckte ich einen höchst pikanten Umstand, der alles erklärt. Doch ich schweige, ich schweige. Kein Wort mehr.

Es ist wirkungsvoller, wenn ich Ihnen den ganzen Hintergrund auf einmal enthüllen kann, und das wird spätestens morgen geschehen. In zwei Stunden, sobald es dunkel wird und der Mond aufgeht, mache ich mich auf zum Zweikampf mit dem Gespenst. Und da bei einer Schlacht mit der jenseitigen Welt der Untergang oder bestenfalls der Verlust des Verstands droht, schicke ich diesen meinen Brief mit dem Paketboot der Abendpost. Quälen Sie sich bis zur morgigen Post, Erzbischof von Reims, vergehen Sie vor Neugierde und Ungeduld!

Ein Damaszenerschwert am Gürtel,

In ein echtes Panzerhemd gehüllt,

Zum Kampf gegen den unbesiegbaren Riesen

Macht sich bereit der kühne Recke.

Und ist ihm beschieden, in der Schlacht

Seinen verwegenen Kopf hinzugeben,

So gedenke seiner mit einem Gebet, Eminenz,

Und du, Prinzessin aus dem Cafe,

Benetze den Leichnam des Helden mit Tränen.

Ahoi!

***

Das war der Wortlaut des Briefes. Zu Anfang hatten Matwej Benzionowitsch und Pelagia lächelnd zugehört – der Vergleich des Bischofs mit dem Erzbischof Turpin von Reims, dem unerbittlichen Verfolger der Mauren und Waffenbruder des Grafen Roland Roncesvalles, belustigte sie. Doch gegen Ende der umfangreichen Epistel zeigten die Nonne und der stellvertretende Staatsanwalt eine betretene Miene, und Berditschewski bezeichnete Alexej Stepanowitsch, der sich offenbar interessant machen wollte, sogar als »Schuft«. Sie beschlossen, auf Aljoschas Provokation nicht einzugehen und sich bezüglich der rätselhaften Anspielungen im Postscriptum nicht in Vermutungen zu ergehen, sondern den morgigen Bericht aus Neu-Ararat abzuwarten und dann alles ausführlich zu diskutieren.

Doch am nächsten Tag war kein Brief von Lentotschkin in der Post. Weder am zweiten noch am dritten oder vierten Tag kam ein Brief. Der Bischof war über die Maßen besorgt und überlegte, ob er nicht Vater Witali über den verschwundenen Emissär unterrichten sollte, und wenn er dies nicht tat, so lediglich, weil es ihm unangenehm war: Er hätte dem Archimandriten bekennen müssen, dass Alexej Stepanowitsch ohne sein Wissen nach Ararat geschickt worden war.

Am siebten Tag, als der abgehärmte, von Schlaflosigkeit erschöpfte Mitrofani schon erwog, höchstpersönlich zum Blauen See zu fahren (aus Angst um Aljoscha kümmerten den Bischof diplomatische Verwicklungen inzwischen nicht mehr), traf endlich ein Brief ein, der aber völlig anders war als er erste. Der Bischof rief wieder seine Berater zu sich und las ihnen das Schreiben vor, wobei aber seine Miene keine Zufriedenheit mehr ausdrückte, sondern eher Bestürzung. Bei diesem Brief gab es keinerlei Einleitung oder Anrede, Aljoscha kam sofort zur Sache.

***

Alexej Stepanowitschs zweiter Brief

Ich weiß, dass ich mit der Fortsetzung über alle Maßen im Rückstand bin, doch dafür gibt es Gründe, über die man nicht scherzt. Ganz recht: nicht scherzt. Der schwarze Mönch ist kein Trick eines gewitzten Spitzbuben, wie ich zunächst annahm, sondern hier ist etwas ganz anderes im Spiel. Vorläufig habe ich selbst noch nicht begriffen, was genau.

Am besten erzähle ich alles der Reihe nach. Zum einen will ich nicht den Faden verlieren, zum anderen möchte ich selbst begreifen, wie das alles passiert ist und was sich zuerst ereignet hat und was danach. Sonst wird mir ganz schwindlig.

Nachdem ich den vorherigen Brief an Sie abgeschickt und reichlich zu Abend gegessen hatte (ist seither wahrhaftig erst eine Woche vergangen – mir scheint, es sind Monate oder sogar Jahre), ging ich zur Landzunge wie zu einem fröhlichen Picknick, und ich freute mich schon im Voraus darauf, welchen Streich ich dem vermeintlichen Mystifikator spielen würde, der friedliche Mönche in Angst und Schrecken versetzt. Zwischen zwei großen Findlingen, an einer Stelle, die ich mir zuvor ausgesucht hatte, ließ ich mich mit allem Komfort nieder. Ich setzte mich auf eine Decke, die ich aus dem Hotel mitgenommen hatte, in der Thermoskanne gluckerte Tee mit Rum, in meinem Bündel hatte ich süße Piroggen aus der bemerkenswerten Konditorei » Versuchung des hl. Antonius«. Ich saß also da, aß einen Happen, lachte still in mich hinein und wartete, dass der Mond aufging. Auf dem See war es stockfinster, kein Waldgeist (besser gesagt kein Wassergeist) ließ sich blicken, nur die Nachbarinsel hob sich als dunkler Flecken vom Wasser ab.

Doch da zog sich eine gelbe Spur über die weite, glatte Wasserfläche, die Tintenschwärze der Nacht begann zu schillern, die Finsternis gab nach, wich an den Rand des Himmels zurück, und in der Mitte erstrahlte der Mond. Im selben Augenblick erschien unmittelbar vor mir eine schmale schwarze Silhouette, die die blasse Scheibe des Nachtgestirns teilweise verdeckte. Ich bin bereit, Stein und Bein zu schwören: Gerade eben, vor einer Sekunde, war sie noch nicht da gewesen, und plötzlich war sie da – ein spitzer Kegel, lang gezogen, leicht schwankend. Und zwar nicht an der Stelle, wo ich sie erwartet hätte (dort ragt ein flacher Stein leicht aus dem Wasser hervor), sondern etwas weiter seitlich, wo überhaupt keine Steine mehr sind.