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Was meinen Sie, Eminenz, wer hat den bedauernswerten Vielfraß getötet – ich oder der schwarze Mönch? Selbst wenn er es war – ich bin dennoch ein Mittäter.

Während die barmherzigen Brüder (bärtige Mönche mit weißen Kitteln über ihren schwarzen Kutten) den Verstorbenen zur Eishaus brachten, ging ich direkt von der Krankenstube zur Heilanstalt des Doktor Korowin, und trotz der frühen Stunde ver langte ich, unverzüglich die Koryphäe für Nervenleiden und psychische Erkrankungen zu sprechen. Man wollte mich zunächst um keinen Preis vorlassen, weil ich keine Empfehlung hatte, aber Sie kennen mich ja: Wenn nötig, gehe ich auch durch ein Nadelöhr. Ich hatte zwei Fragen an die Koryphäe. Erstens: Gibt es ein das Gehör und das Auge affizierende Gruppenhalluzination? Zweitens: Hatte ich vielleicht den Verstand verloren?

Korowin widmete sich zunächst der zweiten Frage und beantwortete sie erst nach einer Stunde. Er stellte mir Fragen über Papa, Mama und weitere Vorfahren bis hin zu Urgroßvater Pantelejmon Lentotschkin, der an Säuferwahnsinn verstorben ist Dann leuchtete er mir in die Pupillen, klopfte mir mit dem Hammer auf die Gelenke und ließ mich anschließend geometrische Figuren zeichnen. Am Schluss verkündete er: »Sie sind vollkommen gesund, aber irgendetwas hat Ihnen einen solchen Schreck eingejagt, dass Sie geradezu hysterisch sind. So, nun zu Ihrer Geschichte mit der Halluzination.« Ich erzählte ihm alles. Erhörte aufmerksam zu, nickte und lieferte mir dann folgende Erklärung, mit der ich mich in dem Moment völlig zufrieden gab:

»In Herbstnächten kommt es auf den Inseln wegen des besonderen Ozongehalts der Luft und der Wirkung des Wasserspiegels nicht selten zu allerlei optischen Täuschungen«, erläuterte Korowin. »Gelegentlich, besonders bei Mondlicht, sieht man eine schwarze Säule, die sich über das Wasser bewegt und eine poetische oder religiöse Natur wohl an einen Mönch in Klosterkleidung erinnern kann. Im Grunde genommen ist das eine gewöhnliche Trombe.« »Was?« Ich verstand ihn nicht. »Eine Windhose. Windhosen können auch lokal begrenzt Vorkommen: überall herrscht Windstille, doch unversehens bildet sich an einer Stelle infolge der Schwankung des Luftdrucks ein Luftstrom, und zwar ein ziemlich heftiger Luftstrom. Er wirbelt Laub und Müll vom Ufer auf, ballt beides zusammen zu einem Konus – da haben Sie Ihren schwarzen Mönch. Besonders wenn Sie schon damit rechnen, ihn zu sehen.«

Als ich den Doktor verließ, war ich beinahe wieder ganz beruhigt und bedauerte nur den unglückseligen Kubowski, doch je weiter ich mich von der Heilanstalt entfernte, desto lauter erhob sich die Stimme des Zweifels in mir. Und das überirdische Licht? Und die Worte, die ich so deutlich vernommen hatte? Die Erscheinung konnte kein Wirbelwind sein – dafür bewegte sie sich zu langsam vorwärts, nur wenige Schritte, außerdem hatte sie scharf umrissene Konturen.

Die weiteren Ereignisse bestätigten, dass Windhosen und der Ozongehalt der Luft mit der Angelegenheit nichts zu tun haben.

Nachdem er einen Menschen umgebracht hatte, war Wassilisk gleichsam von der Kette gelassen, und er beschränkte sich nicht mehr auf die Landzunge.

In der folgenden Nacht erschien er Bruder Kleopa, dem Fährmann, der von allen Einwohnern in Ararat als Einziger die Wassilisk-Einsiedelei besuchen kann: Einmal am Tag bringt er den Eremiten alles Notwendige und holt die fertigen Rosenkränze ab. Eines Nachts, als Kleopa vom Besuch bei einem Freund zurückkam und durch den Klosterbezirk schlenderte, erschien ihm Wassilisk direkt beim Friedhof. Er versetzte dem Fährmann einen mächtigen Stoß vor die Brust, sodass dieser zu Boden stürzte, und verbot ihm mit Donnerstimme, zur Nachbarinsel zu fahren, denn »jener Ort ist verflucht«.

Das Aufsehen erregende an diesem Vorfall wurde etwas relativiert, weil allgemein bekannt ist, dass Bruder Kleopa sich beim Weintrinken keinerlei Zurückhaltung auferlegt – auch in jener Nacht war er bei der Rückkehr in seine Zelle betrunken. Selbst der Augenzeuge konnte also nicht beschwören, dass ihm der heilige Wassilisk nicht nur im Traum erschienen war. Nichtsdestoweniger verbreitete sich das Gerücht wie ein Lauffeuer in ganz Kanaan.

Zwei Nächte danach ereignete sich ein Vorfall, der unleugbar war und sehr schwere, ja tragische Konsequenzen nach sich zog.

Bruder Kleopa konnte die Erscheinung nicht erschrecken, weil er immer am helllichten Tag zur Einsiedelei hinüberrudert; in der Nacht hingegen, wenn der schwarze Mönch erscheint, ist er gewöhnlich nicht mehr nüchtern und kennt keine Angst. Außer ihm aber ist in der schmalen Wasserstraße, die Kanaan von der Nachbarinsel trennt, häufig auch der Bakenwärter unterwegs, zu dessen Aufgaben es gehört, die Baken zur Kennzeichnung der Fahrrinne, die von Strömung und Wind häufig abgetrieben werden, wieder an ihren richtigen Platz zu bringen. Dieser Bakenwärter ist kein Mönch, sondern ein Weltlicher. Er lebt mit seiner jungen, hochschwangeren Frau in einer kleinen Hütte am Nordufer von Kanaan, das beinahe unbewohnt ist. Das heißt, er lebte dort – jetzt steht die Hütte leer.

Vorgestern nach Mitternacht erwachten der Bakenwärter und seine Frau von einem lauten Klopfen am Fenster. Dort sahen sie, vom Mondlicht übergossen, eine schwarze Kapuze, und sie begriffen sofort, wer sie da besuchte. Der nächtliche Gast drohte den schreckensstarren Eheleuten mit dem Finger und ritzte dann mit einem durch Mark und Bein gehenden Quietschen etwas auf die Scheibe (ein Kreuz, wie sich später herausstellte, nach alter Art mit drei Querbalken).

Darauf verschwand die Erscheinung, doch die Frau erlitt durch die Aufregung eine Fehlgeburt, und während ihr Mann unterwegs war, Hilfe zu holen, verblutete die Ärmste. Der Bakenwärter erzählte der Klosterverwaltung von der nächtlichen Erscheinung und schickte sich an, zwei Särge zu zimmern: einen für seine Frau, den anderen für sich selbst, denn er erklärte steif und fest, er wolle nicht mehr leben. Am Abend setzte er sich in sein Boot, fuhr aufs Wasser hinaus, band sich einen Stein um den Hals und stürzte sich in den See – viele Menschen haben das vom Ufer aus beobachtet. Man suchte nach dem Ertrunkenen, konnte ihn aber nicht finden, sodass der zweite Sarg unbenutzt blieb.

Die Stadt ist nicht mehr wiederzuerkennen. Das heißt, tagsüber ist sie genauso belebt wie früher, die Pilger haben es nicht eilig mit der Abreise, weil Neugierde und die Lust am Geheimnisvollen stärker sind als Vernunft und Furcht, doch nachts sind die Straßen völlig ausgestorben. Über die Wassilisk-Einsiedelei wird nichts Gutes geredet. Man sagt, kein Ort sei schrecklicher als der, auf dem früher ein Segen lag und der dann vom Übel heimgesucht wurde – sei es eine vernachlässigte Kirche, ein geschändeter Friedhof oder erst recht eine gottgefällige Einsiedelei. Unter den Brüdern und den Bewohnern der Stadt herrscht zunehmend die Meinung, man solle auf den Schutzpatron hören und die Eremiten von der Nachbarinsel fortbringen – andernfalls würde der Schwarze Mönch noch schlimmer zürnen.

Der Archimandrit ist mit einer Prozession durch ganz Kanaan gezogen und hat die Hütte des Bakenwärters mit Weihwasser besprengt, aber dennoch geht niemand mehr dorthin. Ich bin übrigens dort gewesen (allerdings morgens, bei Sonnenlicht). Ich habe das berüchtigte Kreuz gesehen, das in die Scheibe geritzt ist. Ich habe es sogar berührt.

Denken Sie nur nicht, Zauberer Merlin, Ihr Ritter hätte es nun endgültig mit der Angst zu tun bekommen. Ich bin bereit, die Auffassung, dass das Universum nicht ausschließlich aus Materie besteht, einer Prüfung zu unterziehen, doch das bedeutet keineswegs die Kapitulation, sondern den Wechsel der Methodik. Anscheinend muss man nur die eine Rüstung ausziehen und eine andere anziehen. Aber ich habe nicht die Absicht, mich zu ergeben, und um Ihre Hilfe bitte ich einstweilen noch nicht.

Ihr Lancelot vom See

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