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Ich werde Sie nicht mit den traurigen Einzelheiten belasten weil ich nicht ganz sicher bin, dass Sie meinen neuen Patienten kennen. Wenn man die religiöse Thematik seiner (unverständlichen und nahezu zusammenhanglosen) Fieberfantasien bedenkt, könnte man leicht vermuten, dass Lentotschkin die Absicht hatte, dem Bischof des Gouvernements zu schreiben, so wie einige meiner Schützlinge eben Seiner Majestät dem Zaren, den Papst oder dem Kaiser von China schreiben.

Wenn Sie aber nichtsdestotrotz wissen, wie man sich mit der Verwandten von Lentotschkin in Verbindung setzen kann, dann tun sie dies eilends. Aus Erfahrung weiß ich, dass der Zustand dieser Kranken, von seltenen Ausnahmen abgesehen, sich sehr rasch verschlechtern und alsbald zum Tode führen kann.

Ich verbleibe der respektvolle Diener

Eurer Ehrwürdigen Eminenz,

Donat Sawwitsch Korowin, Doktor der Medizin

DIE ZWEITE EXPEDITION

Abenteuer eines Tapferen

Im Zusammenhang mit dieser neuen, betrüblichen Wendung der Ereignisse (es ist verwunderlich, dass derart kluge Köpfe sie nicht vorhergesehen haben), kam erneut der Streit auf, wer nach Ararat fahren sollte. Letzten Endes beharrte der Bischof auf seiner bereits getroffenen Entscheidung, und der Polizeimeister wurde nach Neu-Ararat geschickt, obgleich dem ein scharfes Wortgefecht zwischen Vater Mitrofani und Schwester Pelagia vorausging – Matwej Benzionowitsch bewahrte in Bezug auf Lagrange Neutralität und schwieg daher meistenteils.

Das Wortgefecht entzündete sich am gordischen Knoten. Es begann damit, dass der Bischof Oberst Lagrange mit dem tatkräftigen Alexander verglich, der den tückischen Knoten, als er ihn nicht lösen konnte, einfach mit einem Schwert durchhieb und so die schwierige Situation hervorragend meisterte. Genauso würde nach Meinung des Bischofs auch Lagrange handeln, der als Soldat angesichts einer verzwickten Aufgabe nicht passen, sondern diese frontal angehen würde, was sich in einer so ungewöhnlichen Angelegenheit als das wirksamste Mittel heraussteilen mochte.

»Überhaupt scheint mir«, bemerkte der Bischof, »je komplizierter und verwirrender die Lage, desto einfacher ist der Ausweg.«

»Da täuschen Sie sich aber, Vater!«, rief Pelagia in höchster Aufregung. »Welche gefährlichen Worte Sie da aussprechen! Wenn Sie, der weiseste und gütigste Mensch, den ich kenne, dieser Meinung sind, was soll man da von den irdischen Führern erwarten, die ohnehin bei der kleinsten Schwierigkeit geneigt sind, zum Schwert zu greifen? Den gordischen Knoten mit einem Hieb zu zerteilen ist kein großes Verdienst, das könnte jeder Narr. Aber nach Alexanders Heldentat gab es ein Wunder weniger auf der Welt!«

Mitrofani wollte widersprechen, aber die Nonne wehrte mit den Händen ab, woraufhin der Seelenhirte seine geistliche Tochter verwundert anstarrte, denn noch nie hatte er ihrerseits eine solche Respektlosigkeit erlebt.

»Es gibt keine einfachen Auswege aus schwierigen Situationen! Begreifen Sie das doch!«, ereiferte sich die Nonne. »Ihre Soldaten können nur immer alles zerstören und verderben! Wo Takt, Vorsicht und Geduld vonnöten wären, kommen sie mit ihren Stiefeln, Säbeln und Kanonen und richten ein solches Chaos an, dass man nachher lange damit zu tun hat, alles wieder heil zu machen, zu flicken und auszubessern.«

Der Bischof fragte verwundert:

»Was denn, braucht man deiner Meinung nach überhaupt keine Soldaten?«

»Aber sicher doch! Wenn der Gegner einfällt und das Vaterland verteidigt werden muss, sind Soldaten notwendig. Etwas anderes aber darf man ihnen nicht anvertrauen! Keine zivilen und erst recht keine geistlichen Angelegenheiten! Doch bei uns in Russland wird Soldaten ja alles Mögliche aufgetragen! Um in einem diffizilen Mechanismus etwas in Ordnung zu bringen, ist der Säbel ein ungeeignetes Instrument. Und Ihren Oberst nach Ararat zu schicken, das heißt, einen Elefanten in einen Porzellanladen zu stecken!«

»Na und?« Mitrofani, der sich für den militärischen Stand gekränkt fühlte, schnitt ihr das Wort ab. »Hannibal hat mit seinen Elefanten die Alpen überquert! Ja, Felix Stanislawowitsch wird keine besondere Nachsicht üben. Er wird die Inseln auf den Kopf stellen, aber er wird den Übeltäter ergreifen, der Aljoscha ins Irrenhaus gebracht hat! Gespenst oder nicht, Lagrange ist das einerlei. Und damit Schluss. Geh jetzt, Pelagia. Mein Entschluss steht fest.«

Er wandte sich ab und segnete die Nonne nicht einmal zum Abschied, so erbost war er.

***

Auf dem Oberdeck des Raddampfers »Heiliger Wassilisk«, dessen Schaufeln geschäftig das dunkle Wasser des Blauen Sees durchpflügten, stand ein stattlicher, wohl gebauter Herr in einem karierten Dreiteiler, weißen Gamaschen und englischer Schirmmütze mit Ohrenklappen, der interessiert sein Spiegelbild in der Fensterscheibe einer Kabine betrachtete. Das Panorama der vom Abendnebel überzogenen Bucht und der blinkenden Lichter von Sineosjorsk reizte den Passagier nicht, er wandte dieser poetischen Landschaft den Rücken zu. Er drehte sich hin und her, um zu prüfen, ob sein Jackett gut saß, strich über seinen vortrefflich gezwirbelten Schnurrbart und war zufrieden. Selbstredend wäre eine blaue, goldbetresste Uniform hundertmal besser, überlegte er, doch ein richtiger Mann bietet auch in Zivil keinen üblen Anblick.

Er konnte sich nicht weiter bewundern, weil in der Kabine das Licht eingeschaltet wurde. Zunächst durchschnitt ein schmaler Streifen die Dunkelheit, der sich schnell zu einem hellen Rechteck vergrößerte, in dem sich eine Silhouette abzeichnete; dann verschwand das Rechteck (die Tür zum Gang war geschlossen worden), und in der nächsten Sekunde flammte die Gaslampe auf. Eine anziehende junge Dame nahm die Hand vom Schalter, setzte den Hut ab und betrachtete sich zerstreut im Spiegel.

Der schnurrbärtige Passagier dachte gar nicht daran, sich zu entfernen – im Gegenteil, er trat noch näher an die Fensterscheibe heran und musterte die schlanke Gestalt der Dame mit aufmerksamem Kennerblick.

Da wandte die Bewohnerin der Kabine sich schließlich zum Fenster, und als sie den hereinspähenden Herrn bemerkte, flogen ihre Augenbrauen in die Höhe, und ihre Lippen bewegten sich – man muss annehmen, dass sie »Ach!« oder etwas in der Art ausrief.

Der gut aussehende Mann war keineswegs verlegen, sondern zog galant seine Schirmmütze und verbeugte sich. Die Dame bewegte erneut lautlos die Lippen, dieses Mal länger, und die Bedeutung der von außen nicht zu hörenden Worte ließ sich wiederum ohne Schwierigkeit erraten: »Was wünschen Sie, mein Herr?«

Anstatt zu antworten oder sich zu entfernen, klopfte der Passagier mit dem Fingerknöchel fordernd an die Scheibe. Als die Reisende, neugierig geworden, das Fenster ein wenig öffnete, sagte der Herr mit klarer, wohlklingender Stimme:

»Felix Stanislawowitsch Lagrange. Verzeihen Sie meine Direktheit, Madame, ich bin Soldat, aber bei Ihrem Anblick hatte ich plötzlich das Gefühl, als sei außer uns beiden niemand mehr auf diesem Schiff. Nur Sie und ich, und weiter keine Menschenseele. Ist das nicht eigenartig?«

Die Dame errötete und wollte schweigend das Fenster schließen, doch nach einem näheren Blick auf das angenehme Gesicht des Soldaten und besonders auf seine runden, höchst erwartungsvollen Augen schien sie es sich unversehens anders zu überlegen, und der Moment, Unbeugsamkeit zu zeigen, war verpasst.

Bald darauf saßen der Oberst und seine neue Bekannte im Salon bei den Pilgern (alles ausnehmend schickliche Leute), wo sie Bowle tranken und plauderten.

Eigentlich redete vor allem Natalja Henrichowna (so hieß die Dame), während der Polizeimeister den Mund praktisch nicht aufmachte, weil das im Frühstadium einer Bekanntschaft überflüssig ist – er zeigte lediglich ein rätselhaftes Lächeln in seinem parfümierten Schnurrbart und warf seiner Gesprächspartnerin schmachtende Blicke zu.