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Einige Jahre zuvor war eigens eine Regierungskommission herbeigereist, an ihrer Spitze der Minister für Handel und Industrie, der kenntnisreiche Graf Litte höchstselbst, um das »Wirtschaftswunder« von Neu-Ararat zu untersuchen und herauszufinden, ob es nicht möglich wäre, die Erfahrung dieser so erfolgreichen Entwicklung zum Nutzen des ganzen Imperiums zu verwenden.

Es stellte sich heraus, dass dies nicht möglich war. Bei der Rückkehr in die Hauptstadt meldete der Graf dem Zaren, Vater Witali sei der Verfechter einer fragwürdigen ökonomischen Theorie, die den wahren Reichtum des Landes nicht in seinen natürlichen Ressourcen, sondern in der Arbeitsliebe seiner Bevölkerung sehe. Der Archimandrit habe Glück, weil seine Bevölkerung eine ganz besondere sei: Mönche, die alle Arbeiten aus klösterlichem Gehorsam durchführten, zudem ohne jede Klage. So ein Arbeiter stehe am Butterfass oder, sagen wir, an der Drehbank, denke weder an seine Familie noch an die Flasche – und rette dabei obendrein noch seine Seele. Daher rührten auch die Qualität der Produktion und die für die Konkurrenten undenkbaren wohlfeilen Preise.

Für den russischen Staat war dieses ökonomische Modell ganz entschieden nicht geeignet, doch in den Grenzen des Vater Witali anvertrauten Archipels trug es wahrhaft bemerkenswerte Früchte. Das Kloster mit all seinen Dörfern und Meiereien und seinen Wirtschaftsgebäuden erinnerte am Ende selbst an einen kleinen Staat, der, wenn nicht souverän, so doch in jedem Fall vollkommen selbst verwaltet und lediglich dem Bischof des Gouvernements, Seiner Eminenz Mitrofani, rechenschaftspflichtig war.

Die Zahl der Mönche und Klosterbrüder wuchs unter Vater Witali auf eineinhalb Tausend an, und die Bevölkerung des Hauptguts, wo neben den Brüdern noch eine Vielzahl von Lohnarbeitern mit Kind und Kegel lebte, stand derjenigen einer Kreisstadt in nichts nach, besonders wenn man die Pilger hinzuzählte, deren Strom entgegen den Befürchtungen des Klostervorstehers nicht nur nicht versiegte, sondern auch noch anschwoll. Nun, da die Klosterwirtschaft auf festen Füßen stand, wäre der Abt zwar liebend gerne ohne die Pilger ausgekommen, die ihn nur von unaufschiebbaren Angelegenheiten, die Verwaltung der Gemeinde Neu-Ararat betreffend, abhielten (unter den Pilgern waren berühmte, einflussreiche Personen, die besondere Zuwendung verlangten), aber da war nichts mehr zu machen. Die Menschen kamen von weit her, und sie fuhren nicht etwa mit dem Klosterschiff über den gewaltigen Blauen See, um die gewerblichen Errungenschaften des fleißigen Seelenhirten zu betrachten, sondern um sich vor den Heiligtümern von Neu-Ararat zu verneigen, deren wichtigstes die Wassilisk-Einsiedelei ist.

Die Einsiedelei ist im Übrigen für Besucher völlig unzugänglich, denn sie befindet sich auf einer kleinen, bewaldeten Klippe, die die Bezeichnung Okolny Ostrow – Nachbarinsel – trägt und Kanaan genau gegenüberliegt, und zwar mit ihrer unbewohnten Seite. In Neu-Ararat eintreffende Pilger pflegen am Ufer auf die Knie zu fallen und die kleine Insel, wo die heiligen Eremiten hausen, die für die ganze Menschheit beten, mit andächtigen Blicken zu betrachten.

Aber erzählen wir, wie versprochen, ausführlicher über die Wassilisk-Einsiedelei sowie über ihren legendären Stifter.

***

Vor langer, langer Zeit, vor etwa sechshundert, vielleicht aber auch achthundert Jahren (in der genauen Chronologie ist »Die Vita des heiligen Wassilisk« etwas widersprüchlich), streifte ein Eremit durch die unwegsamen Wälder, von dem man zuverlässig nur so viel weiß, dass er Wassilisk hieß, nicht mehr jung war, ein beschwerliches, am Anfang besonders sündhaftes Leben geführt hatte, das aber in der Neige der Jahre vom Licht der wahren Reue und des Strebens nach Rettung erleuchtet wurde. Zur Sühne für die früheren, frevelhaften Jahre hatte der Mönch das Gelöbnis abgelegt, die ganze Erde zu umwandern, bis er den Ort ausfindig machte, an dem er dem Herrn am besten dienen konnte. Manchmal meinte er in einem frommen Kloster, manchmal, im Gegenteil, unter gottlosen Heiden den Ort gefunden zu haben, an dem er bleiben müsse, der demütige Mönch Wassilisk, doch alsbald ergriff ihn der Zweifel, ob nicht ein anderer, der ebenfalls dort lebte, dem Allerhöchsten genauso gut diene, und getrieben von diesem Gedanken, der ihm fraglos von oben eingegeben wurde, zog der Mönch weiter, aber nirgends fand er das, was er suchte.

Eines Tages dann erblickte er, als er die dichten Zweige einer Tanne beiseite schob, vor sich blaues Wasser, das unmittelbar am Waldesrand begann und dem dunkelgrauen Himmel entgegenlief, um sich mit ihm zu vereinigen. Niemals zuvor hatte Wassilisk so viel Wasser gesehen, und in seiner Einfalt nahm er dieses Begebnis als ein großes Wunder des Herrn; er beugte die Knie, betete bis zum Einbruch der Dunkelheit und dann noch lange im Finstern.

Und der Mönch hatte eine Erscheinung. Ein Feuerfinger schnitt den Himmel in zwei Hälften, sodass die eine hell und die andere schwarz wurde, und bohrte sich in die schaumbedeckten Wogen. Eine Donnerstimme verkündete Wassilisk: »Suche nicht weiter. Gehe dahin, wohin zu gehen dir gezeigt wird. Dort ist der Ort, von dem aus es nicht weit ist zu Mir. Diene Mir nicht unter den Menschen, wo eitles Getümmel herrscht, sondern im Schweigen, und in einem Jahr werde ich dich rufen.«

In seiner rettenden Einfalt kam der Mönch gar nicht auf die Idee, an der möglichen Umsetzung dieser wunderlichen Forderung, mitten ins Meer zu gehen, zu zweifeln, und er ging, und das Wasser gab nach unter ihm, aber es trug, worüber Wassilisk eingedenk des Wandeins auf dem Wasser im Evangelium nicht allzu erstaunt war. Er ging und ging, das Glaubensbekenntnis sprechend, die ganze Nacht hindurch und dann den ganzen Tag; gegen Abend wurde ihm bang, und er fürchtete, in dieser Wasserwüste jenen Ort, den ihm der Finger gewiesen hatte, nicht zu finden. Und da widerfuhr dem Mönch ein zweites Wunder, was im Leben der Heiligen nicht häufig vorkommt.

Als es dunkelte, erblickte der Mönch in der Ferne ein kleines Feuerfünkchen. Er ging in diese Richtung und erkannte mit der Zeit, dass es eine Kiefer war, die auf der Spitze eines Hügels in Flammen stand, dass der Hügel direkt aus dem Wasser aufragte und sich dahinter noch mehr Land erstreckte, flacher und weiter (das war das heutige Kanaan, die Hauptinsel des Archipels).

Und Wassilisk ließ sich in einer Höhle unter der verbrannten Kiefer nieder. Er lebte dort einige Zeit in völligem Schweigen und unablässigem inneren Gebet, und ein Jahr darauf erfüllte der Herr sein Versprechen – er rief den reuigen Sünder zu Sich und gab ihm einen Platz neben Seinem Thron. Die Einsiedelei aber, ebenso wie das später in der Nachbarschaft entstandene Kloster, wurde Neu-Ararat genannt zu Ehren des Berges, der allein sich noch über den Wassern erhob und die Gerechten errettete, als »alle Brunnen der großen Urflut aufbrachen und sich die Fenster des Himmels öffneten«.