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Wie von selbst, ohne besondere Anstrengung der beiden Gesprächspartner, ergab es sich, dass die anfängliche gegenseitige Wachsamkeit, ja sogar Bissigkeit verflog, und einem Gespräch zwischen zwei klugen, einander respektierenden Männern Platz machte.

Matwej Benzionowitsch trat zum Fenster und betrachtete die schmucken Häuschen, in denen Korowins Schützlinge lebten.

»Der Unterhalt der Kranken kostet Sie wahrscheinlich eine große Summe?«

»Beinahe eine Viertelmillion im Jahr. Wenn man das durch achtundzwanzig teilt (so viele Patienten habe ich derzeit), entfallen auf jeden ungefähr achttausend, obwohl die Ausgaben natürlich sehr unterschiedlich hoch sind. Lentotschkin kostet mich beinahe nichts. Er lebt wie die Vöglein am Himmel. Und bald wird er davonfliegen, fürchte ich, ›in den Himmel‹« Der Doktor lächelte traurig.

Erschüttert von dieser unglaublichen Zahl, rief Berditschewski aus:

»Achttausend! Aber das ist. . .«

»Wahnsinn, wollen Sie sagen?«, lächelte Donat Sawwitsch. »Eher die Laune eines Millionärs. Andere geben ihr Geld für Luxusgegenstände oder für Kokotten aus, und ich habe eben meine eigene Vorliebe. Das ist keine Philanthropie, denn ich tue das nicht der Menschheit zuliebe, sondern zu meinem eigenen Vergnügen. Aber auch für wohltätige Zwecke gebe ich nicht wenig Geld aus, denn von allen irdischen Gütern schätze ich mein eigenes Gewissen am höchsten, und ich will es vor Qualen bewahren.«

»Aber meinen Sie nicht, man könnte Ihre Viertelmillion für eine viel größere Anzahl von Menschen nutzbringend ausgeben?« Matwej Benzionowitsch konnte sich die Spitze nicht verkneifen.

Der Arzt lächelte wieder, noch gutmütiger.

»Sie meinen für die Hungernden und die Obdachlosen? Nun, auch sie vergesse ich selbstverständlich nicht. Die Einkünfte aus meinem ererbten Vermögen belaufen sich auf eine halbe Million im Jahr. Genau die Hälfte gebe ich wohltätigen Gesellschaften als freiwillige Vermögenssteuer oder, wenn Sie so wollen, als Abzahlung für mein reines Gewissen, dafür verfahre ich mit dem Rest des Geldes nach meinem eigenen Gutdünken. Ich genieße foie gras ohne jedes Schuldgefühl, und wenn ich den Doktor spielen will, dann mache ich das. Und bin dabei vollkommen mit mir im Reinen. Wäre Ihnen die Hälfte Ihrer Einkünfte im Tausch gegen einen tiefen Schlaf, einen gesunden Appetit und Seelenfrieden etwa zu schade?«

Matwej Benzionowitsch breitete nur die Arme aus, weil er sich schwer tat, auf diese Frage zu antworten. Er konnte doch einem Millionär nicht von seinen zwölf Kindern und der Abzahlung des Bankdarlehens für das Häuschen mit Garten erzählen.

»Für mich persönlich gebe ich wahrhaftig nur eine Kleinigkeit aus, etwa zwanzig – oder dreißigtausend«, fuhr Korowin fort. »Alles Übrige wird für mein Steckenpferd ausgegeben. Jeder meiner Patienten ist ein echter Schatz. Sie alle sind ungewöhnlich, haben Talent, über jeden von ihnen könnte man eine Dissertation schreiben oder auch ein Buch. Ich sagte Ihnen ja bereits, dass ich nicht jeden nehme, sondern eine sorgfältige Auswahl treffe und nur solche akzeptiere, die mir sympathisch sind. Andernfalls lässt sich keine Vertrauensbeziehung herstellen.«

Er blickte den stellvertretenden Staatsanwalt an, lächelte ihm überaus wohlwollend zu und sagte:

»So jemanden wie Sie hätte ich wahrscheinlich aufgenommen. Natürlich nur, wenn Sie ein seelisches Leiden hätten.«

»Tatsächlich?«, fragte Berditschewski und lachte geschmeichelt. »Was bin ich denn Ihrer Meinung nach für ein Mensch?«

Donat Sawwitsch wollte ihm gerade antworten, aber als sein Blick sich erneut zum Fenster wandte, erklärte er:

»Das werden wir jetzt erfahren.«

Er öffnete einen Fensterflügel und rief:

»Sergej Nikolajewitsch! Lauschen Sie schon wieder? Ei, ei, ei. Sagen Sie lieber, ob Sie Ihre bemerkenswerte Brille dabeihaben? Ausgezeichnet! Würden Sie nicht so liebenswürdig sein, auf eine Minute zu mir hereinzukommen?«

Bald darauf betrat ein schmächtiger Mann das Kabinett, der einen mittelalterlich aussehenden Umhang trug, eine große Baskenmütze auf dem Kopf hatte und eine Segeltuchtasche in der Hand hielt, aus der ein klopfendes Geräusch zu hören war.

»Was haben Sie denn da?«, erkundigte sich der Doktor interessiert und deutete auf die Tasche.

»Proben«, antwortete das merkwürdige Subjekt und musterte Berditschewski ausführlich. »Mineralien. Vom Ufer. Emanationsanalyse. Ich habe es erklärt. Aber Sie ja taub. Wer ist das? Warum von ihm?«

»Ach ja, darf ich vorstellen: Herr Berditschewski, Hüter von Recht und Ordnung. Er ist gekommen, um unsere geheimnisvollen Vorkommnisse zu untersuchen. Herr Ljampe, genialer Physiker und gleichzeitig mein Patient.«

»Verstehe.« Der stellvertretende Staatsanwalt warf Korowin einen schrägen Blick zu und sagte vorsichtig zu dem »Physiker«: »Hm, freut mich sehr. Ich hoffe, Sie befinden sich wohl.«

»Hüter? Untersuchen?!«, rief der Verrückte, ohne auf Berditschewskis Begrüßung einzugehen. »Aber das . . . Ja, ja! Schon längst! Dem Aussehen nach ganz anders als der andere! Sofort, sofort. . . Ach, wo ist sie nur? Wo hab ich sie?«

Er war so außer sich, dass Matwej Benzionowitsch unbehaglich zumute wurde und überlegte, ob der Verrückte sich nicht gleich auf ihn stürzen würde, aber der Doktor blinzelte ihm beruhigend zu.

»Suchen Sie Ihre bemerkenswerte Brille? Aber da ist sie doch, in der Brusttasche. Ich wollte Sie gerade bitten, eine Chromospektrographie an diesem Herrn vorzunehmen.«

»Was bitte?« Der Staatsanwalt war jetzt noch besorgter. »Eine Chromo. . .«

»Eine Chromospektrographie. Das ist eine von Sergej Nikolajewitschs Erfindungen. Er hat entdeckt, dass jeder Mensch von einer Emanation umgeben ist, die man mit bloßem Auge nicht wahrnehmen kann. Die Farbe dieser Strahlung wird vom Zustand der inneren Organe, von der geistigen Entwicklung und sogar von den sittlichen Qualitäten eines Menschen bestimmt«, begann Korowin mit vollkommen ernster Miene zu erläutern. »Die Brille von Herrn Ljampe ist in der Lage, diese unsichtbare Aura sichtbar zu machen. Und man muss sagen, in Bezug auf die physische Gesundheit erweist sich Sergej Nikolajewitschs Emanationsdiagnose nicht selten als zutreffend.«

Das Männchen hatte unterdessen eine riesige Brille mit violetten Gläsern aufgesetzt, die er auf Berditschewski richtete.

»Gut«, murmelte Ljampe. »Ausgezeichnet . . . Nicht so wie der andere . . . Nichts Himbeerrotes . . . Gelbgrün unterlegt – ei, ei, ei. . . Na, macht nichts, dafür gibt es Orange . . . Der Kopf . . . So . . . Das Herz . . . Wissen Sie, dass Ihre Leber nicht gesund ist?«, fragte er unvermittelt mit ganz normaler Stimme, und Matwej Benzionowitsch zuckte zusammen, weil er in der letzten Zeit tatsächlich öfter Stiche rechts in der Seite verspürt hatte, besonders nach dem Essen.

Der Geisteskranke zog seine alberne Brille von der Nase, packte den Ermittler am Arm und sprudelte hervor:

»Reden! Unbedingt! Unter vier Augen! Ich warte schon lange, sehr lange! Viel Blau! Das heißt, Sie können es verstehen! Sofort! Zu mir, zu mir! Oh, endlich!«