Agapi, ein dummer Knabe, war noch nicht lange in Ararat, niemand glaubte ihm, und für die zurückgelassene Wäsche, die von einer Welle weggespült worden war, bekam er vom Vater Unterkellermeister eine ordentliche Kopfnuss. Doch danach erschien der schwarze Schatten auch anderen Brüdern: zuerst Vater Ilari, einem überaus ehrbaren und zurückhaltenden Mönch, dann Bruder Melchisedek und danach Bruder Diomid. Immer in der Nacht, bei Mondschein. Jeder hörte andere Worte: der eine Verwünschungen, der andere Ermahnungen und der Dritte etwas ganz und gar Unzusammenhängendes, je nach Windrichtung, doch sie alle sahen ein und dasselbe und küssten zum Schwur in Gegenwart des hochehrwürdigsten Witali die Ikone: Jemand in Schwarz, bis zu den Füßen verhüllt, mit einer spitz zulaufenden Kapuze, wie sie die Mönche auf der Insel trugen, schwebte über dem Wasser und sprach mit drohend erhobenem Finger.
Als der Archimandrit von den wundersamen Erscheinungen erfuhr, schalt er die Brüder tüchtig. ›Ich kenne euch, ihr Klatschbasen«, sagte er. ›Einem Narren entschlüpft ein albernes Wort, und die anderen erzählen es freudig überall herum. Es heißt zu Recht, ein Mönch sei schlimmer als ein schwatzhaftes Weib.‹ Er schimpfte ausgiebig und verbot dann strengstens, nach Einbruch der Dunkelheit auf die Seite von Kanaan zu gehen, auf der sich die Landzunge zur Nachbarinsel hin erstreckt.«
Hier unterbrach der Bischof den Erzähler:
»Ja, ich erinnere mich. Vater Witali hat mir von den törichten Gerüchten geschrieben, er klagte über die Beschränktheit der Mönche. Seiner Meinung nach rührt sie von Tatenlosigkeit und Müßiggang her, weshalb er meinen Segen erbat, sämtliche Brüder bis hin zu den hieromonachischen Rängen zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen zu dürfen. Ich habe ihm dazu den Segen erteilt.«
Schwester Pelagia nutzte die Unterbrechung in der Erzählung und fragte flink:
»Sagen Sie, Bruder, wie viele Klafter sind es ungefähr von der Stelle, an der man Wassilisk gesehen hat, bis zur Nachbarinsel? Zieht sich die Landzunge weit hinaus in den See? Und wo genau befand sich der Schatten – direkt bei der Einsiedelei oder doch in einiger Entfernung davon?«
Antipa warf blinzelnd einen Blick auf die vorwitzige Nonne, doch er beantwortete die Fragen:
»Von der Landzunge bis zur Nachbarinsel werden es etwa fünfzig Klafter sein. Und was den Schutzpatron angeht, so war ich der Erste, der ihn von nahem gesehen hat. Vorher hat man ihn bloß aus der Ferne gesehen, von unserem Ufer aus war er nicht richtig zu erkennen. Aber mir ist Wassilisk ganz nah gekommen, wie von hier bis zu dem Bild dort.«
Und er deutete auf die Fotografie mit dem Porträt des Gouverneurs von Sawolshsk an der gegenüberliegenden Wand, bis zu der es etwa fünfzehn Schritte waren.
»Es ist also nicht mehr irgendein Schatten, sondern schon der Schutzpatron Wassilisk selbst?«, donnerte der Bischof den Mönch an, während er mit der ganzen Hand seinen dichten Bart raufte, was bei ihm ein Zeichen wachsender Verärgerung war. »Witali hat ganz Recht! Ihr Mönche seid schlimmer als Marktweiber!«
Antipa zog bei den drohenden Worten den Kopf ein und konnte nicht weitersprechen, sodass Pelagia ihm zu Hilfe kommen musste. Sie rückte das Metallgestell ihrer Brille zurecht, stopfte eine rote Haarsträhne, die sich gelöst hatte, unter ihre Haube und sagte vorwurfsvolclass="underline"
»Eminenz, Sie selbst sprechen immerzu davon, dass voreilige Schlussfolgerungen nur Schaden bringen. Wir sollten den heiligen Mönch anhören, ohne ihn zu unterbrechen.«
Antipa erschrak noch heftiger und war überzeugt, der Bischof werde nach einer derart naseweisen Bemerkung noch mehr in Rage geraten, doch Mitrofani zürnte der Schwester nicht, und das wütende Funkeln in seinen Augen erstarb. Er gab dem Mönch einen Wink:
»Sprich weiter. Aber gib nur Acht, dass du nicht lügst.«
Die Erzählung wurde fortgeführt, wenn auch etwas überladen durch die Rechtfertigungen, in denen der verängstigte Antipa meinte sich ergehen zu müssen.
»Ich habe aus folgendem Grund die Anweisung des Archimandriten nicht befolgt: Meine Aufgabe im Kloster ist, Kräuter zu sammeln und die Brüder zu heilen, zu einem weltlichen Arzt zu gehen, gilt als Frevel. Und bei uns, bei den Kräutersammlern im Kloster, ist es so – jedes Kraut muss unbedingt am Tage seines Schutzheiligen gepflückt werden. Die Landzunge, die der Einsiedelei gegenüberliegt, ist der Ort auf ganz Kanaan, an dem die meisten Kräuter wachsen. Unter dem Schutz des Großmärtyrers Bonifatius wächst dort Sumpf-Schlangenwurz gegen Rauschzustände durch Weingenuss, Flohknöterich gegen Verirrungen der Leidenschaft wächst unter dem Schutz der heiligen Fomaida, die rote Johannisbeere, die vor bösem Zauber bewahrt, wächst dort unter dem Schutz des heiligen Märtyrers Kiprian, und viele andere Heilpflanzen mehr. Wegen des Verbots hatte ich weder Bitterling noch Drachenwurz gesammelt, die man während des Nachttaus pflücken muss. Aber zum Tag des Großmärtyrers Jewfimi, der vor Schüttelfieber schützt, blüht die späte Stachelgurke, und diese Stachelgurke kann man nur in einer einzigen Nacht im ganzen Jahr pflücken. Hätte ich diese Möglichkeit etwa verstreichen lassen sollen? Also war ich ungehorsam.
Als alle Brüder schlafen gegangen waren, schlich ich still und heimlich in den Hof hinaus, ich ließ den Zaun hinter mir und ging über das Feld bis zur Abdankungskapelle, in der die Eremiten eingeschlossen werden, bevor sie in die Einsiedelei eintreten, und von dort ist es nicht mehr weit zur Landzunge. Zu Anfang war mir bang, ich bekreuzigte mich immerzu und blickte mich nach allen Seiten um, aber dann war es nicht mehr schlimm, und ich schöpfte Mut. Es ist schwierig, die späte Stachelgurke zu suchen, dazu sind Erfahrung und große Sorgfalt vonnöten. Es war natürlich finster, aber ich hatte eine Lampe mitgebracht, eine Öllampe. Ich hatte sie auf der einen Seite mit einem Lappen verhängt, damit man sie nicht sehen konnte. Ich kroch auf allen vieren umher, pflückte die Blüten ab und dachte gar nicht mehr an den Archimandriten oder den heiligen Wassilisk. Ich kroch geradewegs bis zum Rand der Landzunge hinunter, wo nur noch Wasser zu sehen war, aus dem hie und da Felsen emporragten. Als ich gerade umkehren wollte, hörte ich plötzlich aus der Dunkelheit. . .«
Bei der schrecklichen Erinnerung erbleichte der Mönch, er atmete hastig, begann mit den Zähnen zu klappern, und Pelagia goss ihm aus dem Samowar heißes Wasser nach.
»Vielen Dank, Schwester . . . Plötzlich drang eine Stimme aus der Dunkelheit herüber, leise, aber vernehmlich, und jedes Wort war deutlich zu hören: ›Geh hin. Sage es allen.‹ Ich wandte mich zum See und erschrak dermaßen, dass ich die Lampe und den Kräuterkorb fallen ließ. Über dem Wasser schwebte eine verschwommene, schmale Gestalt, als stünde jemand auf einem Felsen. Aber es gab dort keinen Felsen. Plötzlich . . . plötzlich dann ein überirdisches Strahlen, hell, weit heller als das Licht der Gaslampen, die heutzutage bei uns in Neu-Ararat die Straßen beleuchten. Und da stand er auch schon in aller Deutlichkeit vor mir. Schwarz, in einer Kutte, hinter seinem Rücken strömte Licht hervor, direkt über dem Abgrund, eine kleine Welle plätscherte zu seinen Füßen. ›Geh hin‹, sprach er. ›Sage es, sie soll veröden.‹ Sprache und zeigte mit dem Finger auf die Nachbarinsel. Dann kam er direkt über das Wasser auf mich zu, er machte einen Schritt, einen zweiten, einen dritten. Ich schrie auf, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, drehte mich um und stürzte davon, so schnell ich konnte . . .«