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Nach einigen Minuten war der schöne Mann, empfangen von allgemeinem Jubelgeschrei, oben angelangt. Er ließ sich jetzt von niemandem mehr unterhaken oder abtrocknen, geschweige denn umarmen. Er ging für sich, ganz blau gefroren und zitternd vor Kälte, eine Haarsträhne klebte ihm an der Stirn. So nass und überhaupt nicht elegant schien er Polina Andrejewna noch schöner als in seiner schneeweißen Kleidung. Und nicht nur ihr allein – das konnte man an den verträumten Gesichtern der Frauen ablesen.

Der wunderbare Retter blickte sich zerstreut um und ließ seinen Blick auf der schönen rothaarigen Dame verweilen, die ihn nicht, wie die anderen, begeistert, sondern eher erschrocken betrachtete.

Er trat näher, in der Hand noch immer das durchnässte, schmächtige Kätzchen. Ihr direkt in die Augen blickend, fragte er sie:

»Wer sind Sie?«

»Ich heiße Lissizyna«, erwiderte Polina Andrejewna leise.

Der Held hatte große schwarze, von hellblauen Ringen mit einem Schatten von Lapislazuli umgebene Pupillen.

»Ich bin Witwe«, fügte die durch diesen Blick eingeschüchterte Dame hinzu, ohne zu wissen, warum.

»Witwe?«, fragte der Herr langsam, und er lächelte auf eine ganz besondere Weise: als liege Polina Andrejewna mit Petersilie und Sellerie verziert vor ihm auf einer Platte.

Die Lissizyna wich unwillkürlich ein Stück zurück und erklärte hastig:

»Ich habe einen Bräutigam.«

»Sind Sie nun Witwe oder Braut?«, lachte der Verführer spöttisch und blitzte mit seinen weißen Zähnen. »Na, einerlei.«

Er drehte sich um und ging weiter.

Wie gut er aussah! Polina Andrejewna tastete nach dem kleinen Kreuz, das sie unter ihrem Kleid auf der Brust trug, und presste die Finger darauf.

Nur eines störte sie. Der Held schleuderte das Kätzchen dem glücklichen kleinen Mädchen vor die Füße, ohne es auch nur anzusehen und sein verworrenes Dankesgestammel anzuhören.

Er warf seinen Mantel, den man ihm beflissen reichte, über die Schulter (er war nicht mehr so blendend weiß wie zuvor), und setzte seine Mütze leicht schräg auf den Kopf, wie es sein musste.

Dann ging er davon, ohne sich ein einziges Mal umzusehen.

Der Traum vom Krokodil

Als Frau Lissizyna hochrot und mit einem schuldbewussten Blinzeln die Klosteranlage betrat, hatte sie sich noch nicht gänzlich von der aufwühlenden Begegnung erholt. Doch der strenge, feierliche Anblick des Klosters und die große Menge schwarz gekleideter Mönche und Klosterbrüder halfen Polina Andrejewna, zur gebührenden Stimmung zurückzufinden.

Vorbei an der Hauptkirche sowie an den Zellen – und Wirtschaftstrakten gelangte die Pilgerin zum Innenbereich des Klosters, wo inmitten von Blumenbeeten zwei prächtige Gebäude standen. Das waren die Wohnsitze des Klostervorstehers und des Bischofs: In dem einen Haus logierte der Klostervorsteher von Neu-Ararat, Vater Witali, und das zweite war für die Unterbringung der hohen Obrigkeit vorgesehen, sollte diese wünschen, die Heiligtümer der Insel mit einem Besuch zu beehren. Man muss sagen, dass häufig Vertreter der Obrigkeit auf Kanaan weilten, und zwar Vertreter der kirchlichen wie auch solche der synodalen und der weltlichen Obrigkeit. Nur der Bischof des Gouvernements, für den es nach Kanaan näher war, als wenn er aus Moskau oder Petersburg hätte anreisen müssen, war seit vielen Jahren kein einziges Mal auf der Insel gewesen. Nicht aus Geringschätzung, ganz im Gegenteil – aus Respekt vor der Umsicht des Archimandriten. Der Bischof pflegte gerne zu sagen, auf die Faulen müsse man ein Auge haben, bei den Fleißigen hingegen gebe es nichts zu beaufsichtigen, und entsprechend dieser Maxime zog er es vor, nur diejenigen der ihm unterstellten Klöster und Diözesen regelmäßig zu besuchen, um die es weniger gut bestellt war.

Vater Witalis Zellendiener bat die Spenderin, im Empfangszimmer zu warten, an dessen Wänden Ikonen und Entwürfe für verschiedene Gebäude aufgehängt waren. Die Lissizyna verneigte sich vor den Ikonen, betrachtete aufmerksam die Baupläne und bedauerte die kümmerliche Geranie, die auf dem Fensterbrett nicht recht gedeihen wollte, als sie auch schon zu Seiner Hochehrwürden gerufen wurde.

Vater Witali empfing die Pilgerin zuvorkommend, segnete sie von der Höhe seiner hünenhaften Gestalt aus und neigte sich sogar zu ihren roten, unter dem Tuch hervorquellenden Haaren hinunter, als wolle er sie küssen, doch es war offensichtlich, dass der Klostervorsteher viel zu tun hatte und die fremde Dame so schnell wie möglich wieder loswerden wollte.

»Möchten Sie die Spende dem Kloster im Allgemeinen zukommen lassen, oder ist sie für einen besonderen Zweck bestimmt?«, fragte er, während er das Kontorbuch aufklappte, um das Scherflein der Witwe darin einzutragen.

»Ganz nach Gutdünken Eurer Hochehrwürden«, erwiderte Polina Andrejewna. »Erlauben Sie, dass ich mich setze?«

Witali seufzte, weil ihm klar war, dass er an einem seelenrettenden Gespräch nicht vorbeikam – für ihre Spende wollte die Witwe Lissizyna eine Viertelstunde, wenn nicht länger, bei ihm sitzen.

»Ja, wenn Sie sich bitte hierher bemühen wollen.« Er deutete auf einen unbequemen, eigens für derartige Fälle angeschafften Stuhl, mit Rippen entlang der Sitzfläche und Dornen an der Rückenlehne – mehr als eine Viertelstunde hielt man es auf einem solchen Inquisitionsstuhl nicht aus.

Polina Andrejewna nahm Platz und stieß einen Schmerzenslaut aus, machte aber keine Bemerkung über den erstaunlichen Stuhl.

Sie lobte die wunderbare Ordnung in Ararat, den Anstand und die Nüchternheit der Bevölkerung, die industriellen Neuerungen und die großartigen Bauten, und der Archimandrit hörte wohlwollend zu, denn Frau Lissizyna wusste vorzüglich schmeichelnde Worte zu sagen und ihm nach dem Munde zu reden. Dann wandte sie sich dem Wesentlichen zu, um dessentwillen sie fünfhundert Rubel ausgegeben hatte.

»Was haben Eure Hochehrwürden für eine Stütze an der Wassilisk-Einsiedelei! Einerseits die Gnade, und dann die Pilger!«, freute sich die Besucherin für Neu-Ararat. »Kaum ein Kloster verfügt über eine so unschätzbare Kostbarkeit.«

Witali verzog sein rundes Gesicht, das so gar nicht zu seiner lang gestreckten Gestalt passte.

»Ich kann Ihnen nicht zustimmen, meine Tochter. Für den früheren Klostervorsteher, meinen Vorgänger, war die Nachbarinsel sehr einträglich, aber für mich ist sie, offen gestanden, nur eine Last. Die Pilger kommen heutzutage weniger wegen der Einsiedelei als vielmehr zur geistigen und körperlichen Erholung nach Ararat. Wir haben hier doch ein richtiges Paradies, das dem Garten Eden gleicht! Und auch ohne die Pilger stehen wir, Gott sei Dank, auf festen Füßen. Die Einsiedelei bringt uns nur Unruhe und Unstimmigkeiten in die Bruderschaft. So manches Mal, das können Sie mir glauben, träume ich von einem Erlass des Synods, der alle Einsiedeleien schließen und das Eremitenleben verbieten würde, damit die Hierarchie und die Ordnung nicht mehr gestört wird.« Der Klostervorsteher stampfte mit seinem schweren Fuß auf, dass der Boden dröhnte. »Ich sehe, Sie sind eine kluge Frau, Sie denken zeitgemäß, sodass ich mit Ihnen völlig offen und ohne Umschweife reden kann. Was ist denn daran heilig, wenn der Abt auf der Nachbarinsel ein unverbesserlicher Wüstling ist! Ach, haben Sie davon noch nicht gehört?«, fragte Witali, als er bemerkte, dass sich das Gesicht seiner Gesprächspartnerin verzog (gut möglich, dass diese Grimasse nicht durch Verwunderung, sondern durch den unbequemen Stuhl hervorgerufen wurde). »Der Mönch Israil war in der Vergangenheit ein furchtbarer Wüstling, ein echter Luzifer der Sinnlichkeit! Er hat die anderen Eremiten überlebt und nun, bitte sehr, ist er der Vorsteher der Einsiedelei, der oberste Hüter der Sineosjorsker Heiligkeit, ein ganzes Jahr bereits. Der Herr nimmt ihn einfach nicht zu sich. Und ich, obwohl ich Klostervorsteher bin, habe bei der Ernennung nicht mitzureden, weil die Nachbarinsel ihre eigenen Regeln hat!«