Polina Andrejewna schüttelte betrübt und voller Mitgefühl den Kopf.
»Hören Sie mir auf mit der Wassilisk-Einsiedelei!« Der Hochehrwürdige ereiferte sich immer mehr. »Hier im Kloster habe ich den Genuss geistiger Getränke strengstens verboten, und wer gegen dieses Gebot verstößt, den schicke ich nach Ukatai, oder ich setze ihn in die Strafzelle, bei Wasser und Brot, aber die Einsiedelei lässt alkoholische Ausschweifungen zu, völlig ungestraft, und man kann einfach nichts dagegen ausrichten!«
»Die heiligen Mönche trinken Wein?« Die Lissizyna schlug ihre braunen Augen nieder.
»Nein, nicht die Mönche trinken. Bruder Kleopa trinkt – der Fährmann, der als Einziger zur Nachbarinsel fahren darf. Er hält kein Maß im Trinken und macht beinahe jeden Abend Radau, brüllt Lieder – und nicht immer geistlichen Inhalts. Davonjagen kann ich ihn nicht, es gibt niemanden, der ihn ersetzen könnte. Die anderen fürchten sich alle, und zwar nicht nur zur Insel zu fahren, sondern sich nur dem Ufer zu nähern. Mit keiner Strafandrohung kann man sie zwingen.«
»Warum denn das?«, fragte die Spenderin mit Unschuldsmiene. »Was gibt es denn dort so Schreckliches?«
Der Archimandrit blickte forschend auf sie hinunter.
»Haben Sie es noch nicht gehört?«
»Was denn, heiliger Vater?«
Unwillig brummte er:
»Ach, dummes Zeug. Sie werden es noch früh genug zu hören bekommen. Ich sage ja, diese Einsiedelei ist eine Brutstätte der Fantasie und des Aberglaubens.«
Über den schwarzen Mönch erzählte er der aus Moskau angereisten Dame nichts – er musste nachdenken, und es war schade um die Zeit.
»Sitzen Sie bequem, meine Tochter?«, fragte Witali zuvorkommend mit einem Blick auf die Wanduhr. »Klostermöbel sind hart, nicht zur Erquickung, sondern zur Kasteiung des Fleisches bestimmt.«
»Vollkommen bequem«, versicherte Polina Andrejewna, die nicht den geringsten Wunsch zeigte, sich zu verabschieden.
Da versuchte es der Klostervorsteher mit einem Umweg:
»Das Mittagsmahl steht bevor. Teilen Sie doch unsere Klostermahlzeit mit dem Vater Kellermeister und dem Vater Wirtschafter. Ich selbst werde heute nicht zu Mittag essen, ich habe viel zu tun, aber versuchen Sie doch unser Essen. Heute ist kein Fastentag, es gibt Fleisch von frisch geschlachtetem Rind und Klosterwürste. Unser Rindfleisch ist in ganz Russland berühmt. Zum Essen braucht man kein Messer, man kann es mit der Gabel zerteilen, so zart und weich ist es. Und alles deshalb, weil die Tiere bei mir nicht auf die Weide kommen, sondern in der Box bleiben – man bringt ihnen saftiges Gras, tränkt sie mit Kwass und walkt ihnen die Flanken durch. Wahrhaftig, kosten Sie davon – Sie werden es nicht bereuen.«
Doch auch die Verführung zur Völlerei zeigte keine Wirkung auf die lästige Besucherin.
»Und ich dachte, dass in Klöstern die während der Fastentage verbotenen Speisen überhaupt nie gegessen werden, auch nicht zu Zeiten, in denen der Verzehr von Fleisch gestattet ist«, bemerkte Frau Lissizyna, während sie sich mit sichtlichem Vergnügen im Stuhl zurücklehnte.
»Bei mir sehr wohl, und ich sehe darin keine Sünde. Schon zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich begriffen, dass jemand, der kein Fleisch isst, kein guter Arbeiter sein kann, er hat einfach nicht die Kraft. Deshalb bekommt meine Bruderschaft nahrhaftes Essen. Die Heilige Schrift verbietet schließlich den Verzehr von Fleisch nicht, sie hält ihn nur in einem vernünftigen Rahmen. Es steht geschrieben: ›Du darfst Fleisch essen nach dem Segen des HERRN, deines Gottes, den er dir gegeben hat‹, und weiter steht geschrieben: ›Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das esst‹.«
»Tut es Ihnen nicht Leid, die armen Kühe und Schweine zu töten?«, fragte Polina Andrejewna vorwurfsvoll. »Sie sind schließlich auch Geschöpfe Gottes, tragen den Funken des Lebens in sich.«
Dem Hochehrwürdigen wurde diese Frage anscheinend nicht zum ersten Mal gestellt, denn er hatte keine Mühe, darauf zu antworten:
»Ich weiß, ich weiß. Ich habe gehört, dass heutzutage bei Ihnen in der Hauptstadt der Vegetarismus in Mode ist und viele sich für den Schutz der Tiere einsetzen. Man sollte besser die Menschen schützen. Sehen Sie, gnädige Frau, inwiefern ist unsere Lage besser? Um das Vieh kümmert man sich wenigstens, bevor man es zum Schlachthof bringt, es wird gemästet und gepflegt. Bedenken Sie: Kühe und Schweine kennen keine Todesangst und haben kein Bewusstsein davon, dass sie sterblich sind. Ihr Leben ist ruhig und berechenbar, denn bevor sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, werden sie nicht unters Messer geschickt. Uns hingegen, uns Menschen, kann in jedem Moment unseres Daseins ein Unheil ereilen. Wir wissen nicht, was uns morgen erwartet, und bereiten uns stündlich auf einen plötzlichen Tod vor. Wir haben auch unseren Schlachter, nur wissen wir wenig von seinen Regeln und Vorstellungen. Er braucht von uns nicht fettes Fleisch und guten Milchertrag, sondern etwas ganz anderes – aber was genau, können wir uns nicht vorstellen, und dieses Nichtwissen macht alles hundertmal schlimmer. Sparen Sie also Ihr Mitleid für die Menschen auf.«
Die Besucherin lauschte aufmerksam und dachte daran, dass auch Vater Mitrofani kein großer Anhänger des fleischlosen Essens war und immer die Worte des Eremiten Sossima Werchowski zitierte: »Strebt nicht nur nach Fasten. Gott hat nirgendwo gesagt: Wenn ihr fastet, seid ihr meine Schüler, sondern er sagt: Habt Liebe füreinander.«
Doch es war Zeit, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, da der Besuch neben dem Ziel, die Haltung des Archi-mandriten in Bezug auf Wassilisk zu klären, noch einen weiteren Zweck verfolgte.
»Ist es wahr, was man erzählt, Vater, dass Ungläubigen der Weg nach Kanaan verboten ist, damit die heilige Erde nicht entweiht wird? Stimmt es, dass alle Bewohner der Inseln ausnahmslos eifrige Verfechter des rechten Glaubens sind?«
»Wer hat Ihnen denn diesen Unsinn erzählt?«, wunderte sich Witali. »Bei mir arbeiten viele Tagelöhner, sofern sie über notwendiges Wissen verfügen oder ein Handwerk beherrschen. Um ihren Glauben kümmere ich mich nicht, sie sollen ihre Arbeit erledigen, und damit hat es sich. Es gibt hier Fremde und Andersgläubige, sogar Atheisten. Wissen Sie, ich bin kein Anhänger des Missionierens. Gebe Gott, dass ich die Meinen hüten kann, eine fremde Herde, die noch dazu aus räudigen Schafen besteht, brauche ich nicht.« An dieser Stelle lenkte der Archimandrit ganz von selbst, ohne dass es weiterer Ermunterung bedurft hätte, das Gespräch genau dahin, wo Polina Andrejewna es haben wollte. »Hier auf der Insel lebt zum Beispiel ein Millionär, ein gewisser Korowin. Er führt eine Heilanstalt für Gemütskranke. Soll er nur, ich lege ihm keine Hindernisse in den Weg, solange er keine Gewalttäter aufnimmt und zuverlässig zahlt. Er selbst ist ein völlig gottloser Mensch, nicht einmal zum heiligen Osterfest kommt er in die Kirche, doch er verwendet sein Geld für eine gottgefällige Sache.«
Die Besucherin schlug die Hände zusammen:
»Ich habe über die Heilanstalt von Doktor Korowin gelesen! Es heißt, er vollbringe wahre Wunder bei der Heilung von nervlich-psychischen Erkrankungen.«
»Gut möglich.«
Witali schielte erneut auf die Uhr.
»Und ich habe gehört, dass er nur auf besondere Empfehlung behandelt und nicht mit sich reden lässt. Ach, ich wünschte so sehr, dass er mich behandeln würde! Ich quäle mich so, ich leide so sehr! Sagen Sie, Vater, könnten Sie mir nicht eine Empfehlung für den Doktor mitgeben?«