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Der Mönch schluchzte auf und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. Pelagia strich dem Leidenden seufzend über den Kopf, und dadurch verlor Antipa vollkommen die Fassung.

»Ich rannte zum Vater Archimandrit, und der stieß wüste Schimpfworte gegen mich aus – er glaubte mir nicht«, klagte Antipa mit weinerlicher Stimme. »Er hat mich bei Wasser und Brot in die Strafzelle gesetzt und die Tür verschlossen. Vier Tage habe ich da gesessen, gezittert und den ganzen Tag lang gebetet, meine Eingeweide waren ganz zusammengeschrumpft. Als ich herauskam, taumelte ich. Aber Seine Hochwürden hatte sich schon eine neue Aufgabe für mich zurechtgelegt: Ich sollte von Kanaan nach Ukatai, der am entferntesten gelegenen Insel fahren und künftig dort arbeiten, bei der Schlangenzucht.«

»Wozu denn das?«, wunderte sich Mitrofani.

»Doktor Korowin hat den Archimandriten auf diese Idee gebracht. Donat Sawwitsch ist ein gewitzter Mann, Seine Hochwürden hört auf ihn. Er hat gesagt, Schlangengift stehe bei den Deutschen hoch im Preis, also züchten wir jetzt Nattern. Wir pressen ihnen das Gift aus dem widerlichen Rachen und schicken es nach Deutschland.« Antipa spuckte aus, schlug das Kreuzzeichen über seinem Mund, um sich mit dem frevelhaften Spucken nicht zu versündigen, und griff in seine Kutte. »Aber die erfahrensten, mit göttlicher Weisheit begabtesten Mönche hielten eine geheime Versammlung ab und rieten mir, nicht nach Ukatai zu fahren, sondern mich zu Eurer Ehrwürdigen Eminenz zu flüchten und über alles zu berichten, was ich gesehen und gehört habe. Sie haben mir auch einen Brief mitgegeben. Hier ist er.«

Der Bischof runzelte die Stirn, griff nach dem grauen Papier, setzte das Pincenez auf und begann zu lesen. Ohne Umstände blickte Pelagia ihm dabei über die Schulter.

Hochwürdigste, hochgeachtetste Eminenz!

Wir, die unten genannten Mönche des Klosters Neu-Ararat, fallen Eurer Ehrwürdigen Eminenz demütig zu Füßen und flehen, Sie möchten in Ihrer Weisheit nicht Ihren erzbischöflichen Zorn auf uns lenken, weil wir eigenmächtig und vermessen gehandelt haben. Wenn wir es wagten, unserem hochehrwürdigen Archimandriten Ungehorsam zu leisten, dann nicht aus Starrsinn, sondern einzig und allein aus Gottesfurcht und dem Bestreben, Ihm zu dienen. Ewig eitel ist die Arbeit des irdischen Lebens, und Menschen verfallen auf hohle Gedanken, doch alles, was Bruder Antipa Eurer Eminenz zur Kenntnis bringt, ist die reine Wahrheit, denn dieser Mönch ist bei uns bekannt als ehrlicher, uneigennütziger Bruder, der keineswegs zu eitlen Träumereien neigt. Außerdem haben wir alle, die hier unterzeichnen, das Gleiche gesehen wie er, wenn auch nicht aus solcher Nähe.

Vater Witali hat sein Herz gegen uns erhärtet und erhört uns nicht, und unterdessen gibt es in der Bruderschaft Unstimmigkeiten und Zweifel, ja, es ist furchtbar: Was mag dieses bedrückende Vorzeichen bedeuten? Warum erhebt der heilige Wassilisk, der Schutzpatron dieses heiligen Klosters, drohend den Finger und belegt seine hohe Einsiedelei mit Schmähungen?

Und was haben die Worte »Sie soll veröden« zu bedeuten? Beziehen sie sich auf die Einsiedelei, auf die Klosteranlage, oder sind sie vielleicht in einem noch weiteren Sinne gemeint, den wir, die wir schwach im Geiste sind, uns nicht vorzustellen wagen? Es ist lediglich Eurer Ehrwürdigen Eminenz gestattet und möglich, diese schrecklichen Erscheinungen zu deuten. Daher flehen wir Sie an, Ehrwürdigste Eminenz, lassen Sie weder uns noch Bruder Antipa bestrafen, sondern lassen Sie das Licht Ihrer Weisheit über diesem entsetzlichen Vorfall leuchten.

Wir bitten um Ihre heiligen Gebete, verneigen uns tief und verbleiben Ihre unwürdigen und schuldbeladenen Diener

Hieromonach Ilari
Hieromonach Melchisedek
Bruder Diomid

»Vater Ilari hat ihn geschrieben«, erklärte Antipa respektvoll. »Ein überaus kluger Mann, ein Gelehrter. Wenn er wollte, könnte er Abt sein oder sogar noch höher stehen, doch Stattdessen sucht er sein Seelenheil bei uns und träumt davon, in die Wassilisk-Einsiedelei zu kommen, er steht auf der Liste obenan. Und nun diese Unannehmlichkeiten . . .«

»Ich kenne Ilari«, nickte Mitrofani, während er die Bittschrift betrachtete. »Ich erinnere mich an ihn. Nicht dumm, aufrichtigen Glaubens, aber übereifrig.«

Der Bischof nahm das Pincenez ab und musterte den Kurier prüfend.

»Wieso bist du so abgerissen, mein Sohn? Und warum hast du keine Kopfbedeckung? Du hast doch sicher nicht schon seit Ararat die Pferde so gehetzt? Über das Wasser ist das kaum möglich, es sei denn, du kannst auf dem Wasser wandeln wie Wassilisk.«

Mit diesem Scherz wollte der Bischof den Mönch sicherlich aufmuntern und ihn etwas beschwichtigen, um sich ausführlich mit ihm unterhalten zu können, doch er erzielte genau das gegenteilige Resultat.

Antipa sprang plötzlich vom Stuhl auf, lief zu dem schmalen Fensterchen des Archivs und blickte hinaus, wobei er unzusammenhängend vor sich hin murmelte:

»Mein Gott, wie konnte ich das vergessen! Er ist doch schon hier, in der Stadt! Allerheiligste Schutzpatronin, beschirme und verteidige uns!«

Er wandte sich zum Bischof um und erklärte:

»Ich bin durch den Wald gefahren, weil ich möglichst bald bei Ihnen sein wollte. Als ich in Sineosjorsk vom Schiff ging, hat mir der Kreisrichter seine Kutsche gegeben, damit ich schneller in Sawolshsk ankomme. Auch in Sineosjorsk hatte man schon von Wassilisks Erscheinen gehört. Und als ich auf die Stadt Zufuhr, ragte er plötzlich über den Kiefern auf!«

»Wer ist denn er?«, rief Mitrofani zornig aus.

Antipa fiel polternd auf die Knie und rutschte auf den Bischof zu, wobei er versuchte, dessen Rockschöße zu ergreifen.

»Er selbst, Wassilisk! Er hat mich ganz offensichtlich verfolgt, mit Siebenmeilenschritten oder durch die Luft! Schwarz und riesig hat er mich über die Bäume hinweg mit weit aufgerissenen Augen angestarrt! Da habe ich die Pferde angetrieben! Die Zweige peitschten mir ins Gesicht, der Wind pfiff, aber ich preschte vorwärts. Ich wollte Euch warnen, dass er schon da ist!«

Die findige Pelagia erriet als Erste, worum es sich handelte.

»Er meint das Denkmal, Vater! Jermak Timofejewitsch!«

Hier muss man erklären, dass im vorvorigen Jahr auf Anordnung des Gouverneurs Anton Antonowitsch von Gaggenau oben am Steilufer des Flusses das majestätische Monument »Jermak Timofejewitsch bringt dem Osten die gute Nachricht« errichtet wurde. Dieses Denkmal, das höchste am ganzen Fluss, ist der besondere Stolz unserer Stadt, und keine der angesehenen Nachbarstädte, weder Nischni Nowgorod noch Kasan oder Samara, kann sich mit etwas Vergleichbarem rühmen. Jeder Landstrich braucht etwas, worauf er stolz sein kann! Wir haben jetzt das Monument.

Einige Historiker sind der Ansicht, Jermak Timofejewitsch habe den berühmten Sibirienfeldzug, dem unser Reich den größten Teil seiner unermesslichen Ländereien zu verdanken hat, von unserem Kreis aus begonnen, und zum Gedenken daran hat man den bronzenen Hünen errichtet. Mit diesem verantwortungsvollen Auftrag wurde ein Sawolshsker Bildhauer betraut, der vielleicht nicht so talentiert wie manch einer seiner Kollegen aus der Hauptstadt, dafür aber ein echter Patriot und überhaupt ein guter Mensch ist, der von allen Sawolshskern für seine Seelengröße und Gutherzigkeit geliebt wird. In der Tat verlieh der Bildhauer dem Helm des Eroberers von Sibirien das Aussehen einer Mönchskappe, was den armen Bruder Antipa, der mit unseren Neuerungen nicht vertraut war, zu seiner abergläubischen Verirrung verleitete.

Aber es gab Schlimmeres! Im vergangenen Herbst hatte der Kapitän eines Schleppdampfers, der Lastschiffe mit Wassermelonen aus Astrachan hinter sich herzog, seine ganze Flotte vor Schreck auf eine Sandbank gesetzt, als er hinter der Biegung des Flusses hervorgefahren kam und über dem Steilhang das Götzenbild mit den hervortretenden Augen erblickte; nachher schwammen noch wochenlang grün gestreifte Bälle auf dem Fluss, die heimatlichen Breiten zustrebten. Und beachten Sie, das war ein Kapitän, was will man da von einem armen Mönch erwarten?