Nachdem Mitrofani dem Mönch seinen Irrtum erläutert und ihn beschwichtigt hatte, ließ er Antipa in die bischöfliche Herberge bringen, wo er die Entscheidung über sein Schicksal abwarten sollte. Es war klar, dass der Flüchtling nicht zu dem strengen Archimandriten von Neu-Ararat zurückkehren konnte, man würde ihm einen Platz in einem anderen Kloster suchen müssen.
Als der Bischof und seine geistliche Tochter allein waren, fragte er sie:
»Nun, was hältst du von dieser ungereimten Geschichte?«
»Ich glaube ihm«, antwortete Pelagia ohne zu zögern. »Ich habe Bruder Antipa in die Augen geblickt, er lügt nicht. Er hat beschrieben, was er gesehen hat, und nichts hinzugedichtet.«
Der Bischof zog die Augenbrauen hoch und unterdrückte sein Missfallen. Zurückhaltend sprach er:
»Du hast das mit Absicht gesagt, um mich zu necken. Du glaubst nicht an Gespenster, ich kenne dich doch.«
Aber sogleich wurde er gewahr, dass er in die Falle getappt war, die ihm seine listige Gehilfin gestellt hatte, und er drohte ihr mit dem Finger:
»Ach so, du meinst, er selbst glaubt diesen Unsinn. Er hatte eine Erscheinung, die man wissenschaftlich als Halluzination bezeichnet, und hielt diese für eine wirkliche Begebenheit. Meinst du das?«
»Nein, Vater«, seufzte die Nonne. »Er ist ein einfacher, vernünftiger Mann, ›der keineswegs zu eitlen Träumereien neigt‹, wie es in dem Brief heißt. Menschen wie er haben keine Halluzinationen – dazu haben sie viel zu wenig Fantasie. Ich glaube, ihm ist tatsächlich jemand erschienen, der mit ihm gesprochen hat. Und außerdem hat nicht nur Antipa diesen schwarzen Mönch gesehen, es gibt schließlich noch andere Augenzeugen.«
Geduld hatte nie zu den Qualitäten des Bischofs gehört, und nach der purpurroten Farbe zu urteilen, die sich über Mitrofanis hohe Stirn und seine Wangen ergoss, war sie nun erschöpft.
»Und die gegenseitige Beeinflussung, für die es in den Klöstern nicht wenige Beispiele gibt, hast du wohl vergessen?«, entrüstete er sich. »Weißt du noch, wie den Schwestern im Marienkloster der Teufel erschien: zuerst der einen Schwester, dann der anderen und schließlich allen übrigen! Sie haben ihn in allen Einzelheiten beschrieben und Worte wiedergegeben, die eine redliche Nonne nicht kennen kann. Du selbst hast damals geraten, einen Nervenarzt ins Kloster zu schicken!«
»Das war etwas ganz anderes, ein gewöhnlicher Fall von weiblicher Hysterie. Aber hier bezeugen es erfahrene Mönche«, widersprach die Nonne. »Wenn es Unruhe gibt in Neu-Ararat, dann wird das kein gutes Ende nehmen. Die Gerüchte über den schwarzen Mönch sind schon bis Sawolshsk gedrungen. Man müsste der Sache nachgehen.«
»Welcher Sache denn?! Du glaubst doch wohl nicht im Ernst an diese Erscheinungen? Schäm dich, Pelagia, das ist Aberglaube! Der heilige Wassilisk hat schon vor achthundert Jahren das Zeitliche gesegnet, er hat keinen Grund, um die Insel zu kreuzen und hirnlose Mönche in Angst und Schrecken zu versetzen!«
Pelagia verneigte sich demütig, als gebe sie zu, dass der Bischof völlig zu Recht zornig sei, doch ihrer Stimme und vor allem ihren Worten war wenig Demut anzumerken.
»Aus Ihren Worten spricht männliche Beschränktheit, Eminenz. Männer verlassen sich in ihrem Urteil zu sehr auf das Sehen und zu wenig auf die übrigen fünf Sinne.«
»Vier.« Mitrofani konnte es nicht unterlassen, sie zu verbessern.
»Nein, Eminenz, die übrigen fünf. Nicht alles auf der Welt kann man mit Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken erfassen. Es gibt noch einen weiteren Sinn, der keine Bezeichnung hat und uns gegeben ist, damit wir Gottes Welt nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit der Seele fühlen können. Es ist merkwürdig, dass ich, eine an Geist und Verstand schwache Nonne, Ihnen das erklären muss. Haben nicht Sie in Predigten wie im privaten Gespräch viele Male von diesem Sinn gesprochen?«
»Ich meinte damit den Glauben und das sittliche Maß, das jedem Menschen von Gott gegeben ist! Aber du erzählst mir da von einer Fata Morgana!«
»Und wenn schon.« Starrsinnig schüttelte die Nonne den Kopf. »Um unsere Welt herum und in ihr existiert noch eine andere, unsichtbare, und vielleicht nicht nur eine. Wir Frauen spüren das besser als Männer, weil wir uns weniger vor Gefühlen fürchten. Sie werden doch nicht abstreiten, Eminenz, dass einem an manchen Orten ganz hell zumute wird (gewöhnlich erbaut man dort Gottes Kirchen), während es einen an anderen Orten kalt überläuft? Es gibt keinen Grund dafür, man beschleunigt einfach den Schritt und bekreuzigt sich obendrein.
So ging es mir immer am Tschorny Jar, dort überkam mich immer ein Frösteln. Und was war? Genau an der Stelle hat man die Kanone gefunden!«
Diese Bemerkung, die Pelagia als unwiderlegbares Argument anführte, verlangt eine Erklärung. Bei Tschorny Jar, etwa eine halbe Werst von Sawolshsk entfernt, wurde vor zwei Jahren ein Schatz entdeckt, ein alter Bronzemörser, bis oben hin voll von Dukaten und Edelsteinen, der offenbar seit jenen Zeiten hier in der Erde lag, als Pugatschows »Enaral« Tschika Sarubin durch diese Gegend zog, der von dem Usurpator zum Grafen Tschernyschew gemacht wurde. Gewiss wurden viele Tränen und viel Blut vergossen, um einen solchen Schatz anzuhäufen. (Es sei angemerkt, dass für ebendieses Geld und an ebendieser Stelle jenes großartige Monument errichtet wurde, das Bruder Antipa beinahe zu Tode erschreckt hatte.)
Doch das Argument mit der Kanone überzeugte den Bischof nicht. Mitrofani schlug die Hände zusammen.
»Ach, das mit dem Frösteln hast du doch später hinzuerfunden!«
Und so führten der Bischof und seine geistliche Tochter ihren Disput noch lange fort, bis sie sich beinahe völlig zerstritten. Daher überspringen wir das Ende des Streitgesprächs über den Aberglauben und kommen gleich zu seinem praktischen Abschluss, der nicht mehr im Gerichtsarchiv, sondern bereits in der Residenz des Bischofs, während der feierlichen Teestunde, vollzogen wurde.
***
Zur Teegesellschaft, die am nächsten Tag zu Ehren des glücklichen Ausgangs des Gerichtsprozesses gegeben wurde, hatte der Bischof neben Schwester Pelagia noch einen seiner geistlichen Zöglinge eingeladen, den Stellvertreter des Bezirksstaatsanwalts, Matwej Benzionowitsch Berditschewski, der ebenfalls zum Triumphe der Gerechtigkeit beigetragen hatte. Auf dem Tisch stand neben dem Samowar eine Flasche Cahors-Wein, und Naschwerk war im Überfluss vorhanden: Lebkuchen, kandierte Früchte, allerlei Konfitüren sowie die unvermeidlichen Apfelküchlein mit Baiserhaube, die der Bischof über alles liebte.
Man saß im Speisesaal, an dessen Wänden Kopien der beiden Lieblingsikonen von Mitrofani hingen: die wundertätige Ikone »Besänftigung der bösen Herzen« und die wenig bekannte Ikone »Judas küsst Christus den Erlöser«, beides großartige Arbeiten mit wertvollen Silberbeschlägen. Der Bischof hatte diese Ikonen nicht einfach so hier aufgehängt, sondern zu einem besonderen Zweck – sie sollten ihn an das Wichtigste im christlichen Glauben erinnern: dass der Herr alles verzeiht und jede Seele, selbst die allerniederträchtigste, annimmt, denn es gibt keine Seele, für die nicht Hoffnung auf Rettung besteht. Der Bischof neigte infolge seines leidenschaftlichen Charakters dazu, das, und besonders das Allverzeihen, zu vergessen, er wusste um diese seine Sünde und strebte danach, sie zu überwinden.
Man unterhielt sich zunächst über den Prozess, vergegenwärtigte sich seine verschiedenen Wendungen und Wechselfälle und kam dann auf den bevorstehenden Zuwachs in der Familie Berditschewski zu sprechen – der künftige Vater war beunruhigt, weil das Kind sein dreizehntes sein würde, aber der Bischof machte sich über den Juristen lustig. Er sagte: »Ihr Neophyten seid immer die schlimmsten Pessimisten« und tadelte Matwej Benzionowitsch wegen seines Aberglaubens, welcher für einen aufgeklärten Menschen eine Schande sei.