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Nachdem der Missetäter sein Opfer bewusstlos gemacht hatte, legte er es in den Sarg (auf dem Tisch steht ein Sarg, den der Bakenwärter für sich selbst angefertigt hatte, der dann aber nicht benutzt wurde, weil die Leiche des Ertrunkenen nie gefunden wurde) und verschloss diesen mit dem Deckel. Ich habe den Deckel auf den Sarg gelegt und gesehen, dass die Löcher für die Nägel beschädigt sind – jemand hat den Deckel mit heftigen Schlägen von unten her bearbeitet. Ich nehme an, das ist zweimalpassiert: Das erste Mal war es Aljoscha, der lebendig begraben wurde, das zweite Mal Matwej Benzionowitsch.

Einer solchen Prüfung ist selbst der allerstärkste Verstand nicht gewachsen – insofern ist die Rechnung des Verbrechers aufgegangen. Doch er hat sich damit nicht begnügt, aber davon weiter unten.

Zunächst zu Lagrange. Bei Felix Stanislawowitsch hatte der Missetäter offenbar keinen Erfolg. Entweder war der Kopf des Polizeimeisters zu hart, oder es war sonst etwas, jedenfalls hat der Oberst nicht das Bewusstsein verloren und sich offenbar auf einen Zweikampf mit dem Übeltäter eingelassen, der ihn daraufhin mit einem Schuss aus nächster Nähe tötete.

Ja, ja, Lagrange ist kein Selbstmörder, er wurde unschuldig getötet, was Sie eigentlich freuen müsste. So erklärt sich auch der seltsame Verlauf des Schusskanals – von unten nach oben und von links nach rechts. Genau dies wäre der Weg der Kugel, wenn jemand, den der Oberst – vermutlich mit den Händen an den Schultern oder an der Gurgel – gepackt hielt, mit der rechten Hand von unten geschossen hätte.

Eingedenk dessen, dass die Kugel in der Leiche nicht gefunden wurde, folglich aus dem Körper ausgetreten sein muss, habe ich die Wände abgetastet und entdeckt, was ich gesucht habe. Jetzt haben wir einen unwiderlegbaren Beweis für den Mord.

Die Kugel, die ich aus einem Balken gezogen habe, ist nicht vom Kaliber 45 wie bei der Smith &Wesson des Polizeimeisters, sondern vom Kaliber 38 und wurde aus einem Colt abgefeuert, was ich anhand meines Lehrbuchs der Ballistik überprüft habe. Nach dem Mord hat der Verbrecher aus dem Revolver seines Opfers in die Luft gefeuert und die Waffe dann in die Hand des Oberst gelegt, um einen Selbstmord vorzutäuschen.

Nun kehre ich zu unseren Freunden zurück, die der Übeltäter nicht getötet, sondern um den Verstand gebracht hat, was vielleicht noch schlimmer ist. Wenn Sie nur gesehen hätten, welche Witzfigur der spottlustige Alexej Stepanowitsch geworden ist und wie wenig Verstand dem klugen Matwej Benzionowitsch geblieben ist! Es ist eine Sünde, so etwas zu sagen, aber mich würde es wahrscheinlich weniger schmerzen, wenn sie tot wären . . .

Das Widerlichste an diesem Pseudo-Wassilisk aber ist, dass er sich mit seiner Gewalttat nicht begnügt und den unglücklichen Verrückten keine Ruhe lässt.

Aus Aljoscha Lentotschkins dunklen Worten kann man schließen, dass das »Phantom« ihm bis heute erscheint. Und was Berditschewski angeht, so war ich selbst Zeugin und sogar Opfer, als der Verbrecher ein weiteres Mal versuchte, auch den letzten glimmenden Funken von Verstand in Matwej Benzionowitschs Seele auszulöschen.

Gestern Nacht sah ich den schwarzen Mönch mit eigenen Augen. Ach, es war entsetzlich! Er kam natürlich nicht, um mich zu erschrecken – er wollte Berditschewski. Der Bösewicht betäubte mich mit einem Schlag auf den Kopf (man merkt, dass er Übung hat) und entkam unerkannt. Trotzdem hat mir gerade dieser Zusammenstoß die Augen geöffnet, sodass ich nicht mehr einen Teufel, sondern einen Menschen suche, auch wenn sich dieser wohl nicht allzu sehr von einem Teufel unterscheidet.

Ich bin nicht sofort darauf gekommen, womit er den Schlag ausgeführt hat, denn er befand sich immerhin in einiger Entfernung von mir. Aber dann fiel mir eine Geschichte ein, die mir der Doktor erzählt hatte, und ein Bild, das ein Künstler hier in der Klinik gemalt hat (mit ihm müssten Sie sich unterhalten, ihn müssten Sie belehren!), und da wurde mir alles klar.

»Wassilisk« schlug mich mit einer Stelze, wie es sie auf Jahrmärkten gibt. Es würde jetzt zu weit führen und auch nichts nützen, wenn ich Ihnen erklärte, woher hier in der Klinik Jahrmarktsstelzen kommen, aber eines ist klar: Der Verbrecher benutzte sie, um durch ein Fenster im ersten Stock in das Zimmer zu blicken, in dem Berditschewski vorher lag, und zwar immer mit demselben Zieclass="underline" ihn zu erschrecken und ihm den Garaus zu machen. Gestern Abend ist Berditschewski vom ersten Stock ins Erdgeschoss verlegt worden, aber Wassilisk hatte seine Stelzen trotzdem dabei. Heißt das, der schwarze Mönch wusste nicht, dass Berditschewski verlegt worden war? Dann ist er wohl kaum ein übernatürliches Wesen.

Und nun die Schlussfolgerungen:

Wer sich hinter der Maske des wütenden Wassilisk verbirgt, ist mir nicht bekannt, aber ich habe meine Vermutungen, was er mit den Übeltaten bezweckt.

Dieser Mensch (und es ist ein Mensch, kein Wesen aus einer anderen Welt) will die Wassilisk-Einsiedelei auflösen, und er hat sein Ziel schon beinahe erreicht.

Warum? Das ist die wichtigste Frage, und eine Antwort darauf habe ich vorläufig noch nicht, nur Vermutungen. Einige werden Ihnen völlig unwahrscheinlich Vorkommen, doch vielleicht nützen sie Ihnen, falls Sie die Angelegenheit ohne mich zu Ende bringen müssen.

Ich beginne mit dem Klostervorsteher, Vater Witali. Die Einsiedelei ist dem Hochehrwürdigen ein Dorn im Auge, weil sie in wirtschaftlicher Hinsicht ihre Bedeutung verloren hat (Sie müssen schon verzeihen, dass ich solche Ausdrücke verwende, doch ich nehme an, der Archimandrit selbst denkt etwa so), während sie ihn im Hinblick auf seinen mehr als reichlich vorhandenen Ehrgeiz sogar stört, weil sie seine in der Tat höchst bedeutsamen Leistungen als Vorsteher von Neu-Ararat überschattet. Die Einkünfte aus dem Verkauf der Rosenkränze, von denen die Bruderschaft früher lebte, sind heute lächerlich und können keinerlei Vergleich mit den übrigen Einkommensquellen standhalten. Auch ist die Einsiedelei nicht mehr der wichtigste Anziehungspunkt für die Pilger, denn die wohlhabenden Pilger, die Vater Witali bevorzugt, legen mehr Wert auf gesunde Luft, Heil spendendes Wasser und malerische Bootsfahrten. Der Archimandrit ist der Meinung, dass die Nachbarinsel und ihre Bewohner nur den Geist der Bruderschaft stören, die Brüder von ihrer tätigen Arbeit abhalten und insgeheim die Autorität und Macht des Klostervorstehers untergraben, indem sie stündlich daran erinnern, dass es noch eine andere Macht gibt, die unvergleichlich höher steht als die des Archimandriten. Witali ist von strengem, ja grausamem Charakter. Wie weit seine Machtbesessenheit und sein Ehrgeiz reichen, weiß Gott.

Eine andere Möglichkeit ist eine Verschwörung unter den Mönchen, denen es missfällt, dass Witalis wirtschaftlicher Eifer auf Kosten der geistigen Einkehr und der Seelenrettung geht. Dass der Hoch ehrwürdige unter den älteren Brüdern eine Gruppe von Gegnern hat (der Kürze halber bezeichne ich sie als »Mystiker«), unterliegt keinerlei Zweifel. Es ist möglich, dass einige der »Mystiker« beschlossen haben, den Pilgern einen Schreck einzujagen und Witalis Autorität innerhalb der Kirchenhierarchie, zum Beispiel bei Ihnen, zu untergraben. Dann könnte das Spektakel mit dem Schwarzen Mönch dazu dienen, Neu-Ararat von der Geschäftigkeit und von den vielen Menschen zu befreien. Es ist ja bekannt, dass falsch verstandene Frömmigkeit zu Tücke und sogar Fanatismus führen kann – die Geschichte der Religion ist übervoll von traurigen Beispielen.