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Es ist auch möglich, dass einer der Eremiten aus der Einsiedelei der Schuldige ist. Warum und weshalb – darüber will ich nicht einmal Vermutungen anstellen, weil ich bislang fast nichts über das Leben der heiligen Mönche weiß. Allerdings drehen sich alle diese verworrenen Ereignisse auf die eine oder andere Weise um die Einsiedelei. Das heißt, man muss auch diese Idee prüfen. Ich war heute auf der Nachbarinsel (ja, ja – zürnen Sie mir nicht), und der Abt Israil hat mir ein Rätsel aufgegeben, dessen Sinn mir nicht klar ist. Ich werde noch einmal dahin fahren müssen.

Nun noch zwei ganz andere Möglichkeiten, die nichts mit der Kirche zu tun haben.

Doktor Donat Sawwitsch Korowin, Inhaber und Leiter der Heilanstalt, ist ein bemerkenswerter Typ. Dieser philanthropische Millionär ist höchst ungewöhnlich und neigt zu allerlei Spielereien und Experimenten mit lebendigen Menschen. Von ihm könnte man durchaus erwarten, dass er zu Forschungszwecken ein solches Täuschungsmanöver anstellt: sagen wir, um die Wirkung mysteriöser Ereignisse auf unterschiedliche Temperamente zu untersuchen oder etwas in der Art. Danach würde er im »Heidelberger Jahrbuch für Psychiatrie« oder sonst wo einen Aufsatz dazu veröffentlichen, um seinen Ruf als Koryphäe zu untermauern – der meiner ungebildeten Ansicht nach nicht allzu verdient ist (zwar behandelt er seine Patienten in einem fort, aber irgendwie werden sie trotzdem nicht gesund).

Und schließlich könnte auch jemand von Korowins Patienten »Wassilisk« spielen. Diese sind ausnahmslos ganz extraordinäre Menschen, die sich frei bewegen. Insgesamt sind es achtundzwanzig Patienten (mit Alexej Stepanowitsch und Matwej Benzionowitsch dreißig), und ich habe erst einige von ihnen gesehen. Man müsste sie genauer unter die Lupe nehmen, nur weiß ich nicht, wie ich das anstellen soll. Mit Donat Sawwitsch liege ich im Streit, den ich allerdings selbst angezettelt habe. Doch das ist nicht das Problem – es wäre nicht schwer, mich wieder mit ihm zu versöhnen. Aber solange ich noch die Spuren der Begegnung mit dem schwarzen Mönch im Gesicht trage, trete ich Korowin besser nicht unter die Augen. Für ihn bin ich eine ganz gewöhnliche, hübsche Frau (verständlich, bei dem hiesigen Fischmangel), aber mit der Schönheit ist es nicht mehr weit her, wenn das halbe Gesicht verquollen ist. Männer sind nun einmal so, dass sie mit einer hässlichen Frau nicht einmal reden wollen.

Ich sehe direkt vor mir, wie an dieser Stelle ein ironisches Lächeln auf Ihr Gesicht tritt. Ich werde mich nicht verstellen, Sie durchschauen mich ja ohnehin. Ja, mir ist der Gedanke unangenehm, dass Donat Sawwitsch Polina Andrejewna Lissizyna, die er auf eine ganz besondere Weise angesehen und mit Komplimenten überhäuft hat, in diesem Zustand sehen könnte. Ich bekenne es, ich bin schwach und eitel.

Nun schreibe ich noch die letzten Zeilen, und dann gehe ich.

Es ist eine mondhelle Nacht – gerade richtig. In solchen Nächten erscheint Wassilisk bei der Landzunge. Mein Plan ist ganz einfach: Ich verstecke mich am Ufer und versuche, dem Betrüger auf die Schliche zu kommen.

Wenn mein Spaziergang vergebens ist, werde ich mich ab morgen um den Abt und die Nachbarinsel kümmern.

Wenn aber der Spaziergang mit dem oben erwähnten Unglück enden sollte, so vertraue ich darauf dass mein Schreiben Eure Eminenz erreicht.

Ihre liebende Tochter Pelagia

Eine schreckliche Erscheinung

Als Polina Andrejewna den Brief beendet hatte, blickte sie aus dem Fenster und runzelte besorgt die Stirn. Der Himmel, der eben noch klar gewesen war, übergossen vom gleichgültigen Leuchten des Mondes, veränderte die Farbe: Der Nordwind überzog den unergründlichen Sternenhimmel vom Horizont her mit einem schwarzen Wolkenvorhang. Sie musste sich beeilen.

Die Lissizyna wollte den Brief an den Bischof auf dem Tisch liegen lassen, doch da fiel ihr das neugierige Personal ein. Sie überlegte hin und her und versteckte die Blätter dann in dem Beutel mit ihrem Strickzeug, den sie um den Hals hängen hatte. Sie hatte sich Folgendes überlegt: Sollte sie das Schicksal von Lagrange ereilen oder gar, Gott behüte, das von Lentotschkin und Berditschewski (bei dem Gedanken daran erschauerte Polina Andrejewna), würde der Brief ohnehin nicht verloren gehen. Er würde den Bischof nur umso früher erreichen. Und sollte es dem Bischof nicht beschieden sein, sich von seinem Krankenlager zu erheben (sie stieß einen schmerzlichen Seufzer aus), mochte sich die Polizeiobrigkeit darum kümmern.

Alles weitere ging sehr schnell.

Sie warf den Mantel mit der Kapuze über, packte die Reisetasche und ging hinaus in die Nacht.

Die Uferstraße lag jetzt völlig verlassen da, und die Ermittlerin gelangte ohne jede Verzögerung in den vernagelten Pavillon. Fröstelnd im eiskalten Wind, schritt bald darauf ein junger Mönch im schwarzen, wehenden Leibrock den Weg entlang, der von Neu-Ararat zur Landzunge führte.

Der Himmel wurde immer schneller dunkel. Wie sehr Pelagi auch seinen Schritt beschleunigte, der düstere Vorhang zog sich immer dichter und dichter über dem friedlichen Anblick der nächtlichen Gestirne zusammen.

Angesichts der unweigerlich nahenden Finsternis beunruhigten den Klosterbruder zwei Fragen. Würde der Ausflug nicht vergebens sein, würde der Missetäter nicht davon ablassen, Wassilisk zu spielen? Und hätte Pelagi nicht besser Lagranges Revolver mitnehmen sollen, für den Fall, dass Wassilisk trotzdem auftauchte? Wozu sollte die Waffe nutzlos in der Reisetasche zwischen den Metallkästen liegen? Mit dem Revolver hätte sich Pelagi an dem verlassenen, dunklen Ufer bedeutend wohler gefühlt.

Unsinn, sagte sich Pelagi. Die Waffe würde ihm nichts nützen. Er würde doch nicht auf eine lebende Seele schießen, um sein eigenes Leben zu retten? Der junge Mönch dachte nicht mehr an den Revolver, er machte sich nur noch Sorgen wegen des Mondes, der gerade hinter eine Wolke verschwand.

Jeder alteingesessene Kanaaner hätte Pelagi erzählen können, dass der Mond sich bei Nordwind nie länger als für wenige kurze Augenblicke zeigte und selbst dann nicht klar zu sehen war, sondern durch einen leichten Wolkenschleier schien. Aber der Klosterbruder hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit erfahrenen Leuten über die Launen des Sineosjorsker Mondes zu sprechen, und daher blickte er immer noch hoffnungsvoll auf das silbrig milchige Himmelsgewölbe.

An der Landzunge machte Pelagi sich so klein wie möglich und presste sich dicht an den Boden. Mucksmäuschenstill kauerte er neben einem großen Stein und blickte zu der Stelle hinüber, an der der Übeltäter so gerissen seine Bank versteckt hatte.

Mit jeder Minute wurde die Nacht finsterer. Zuerst konnte man noch die Wasseroberfläche sehen, die im wütenden Nordwind all ihre Falten runzelte, doch bald erloschen die Lichtreflexe auf dem Wasser, und man konnte die Nähe des Sees nur am Klatschen der Wellen erraten und an dem frischen, feuchten Geruch, als werde irgendwo in der Nähe eine Gurke von ungeheuren Ausmaßen zerschnitten.

Der junge Mönch saß da, die Arme um die Schultern geschlungen, und seufzte enttäuscht. Wo war denn nun Wassilisk? Geh mal über das Wasser, wenn es nicht ruhig daliegt, sondern sich widerborstig sträubt – so geht der ganze Effekt verloren.

Im Grunde hätte er gehen und zum Hotel zurückkehren sollen, doch Pelagi zögerte noch und konnte sich nicht recht entschließen, sei es aus Starrsinn, sei es aus Instinkt. Dann aber, als der Knabe schon vor Kälte schlotterte und aufgeben wollte, wurde sein langes Warten belohnt. Im Himmelsvorhang tat sich ein Riss auf, und durch Wolkenfetzen hindurch beleuchtete der Mond für einige Augenblicke den See – nur schwach, mehr schlecht als recht, aber ausreichend, um dem Blick des Beobachters ein unheimliches Schauspiel zu bieten.