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Inmitten der schmalen Wasserstraße, die die große Insel von der kleinen trennte, erblickte Pelagi ein auf den Wellen schaukelndes Boot und darin stehend eine schwarze Gestalt mit einer spitzen Kapuze. Die Gestalt bückte sich, hob etwas Helles, Weiches empor und warf es über Bord.

Der Klosterbruder schrie auf, weil er ganz deutlich zwei nackte, hagere, willenlos baumelnde Beine erkannt hatte. Das Wasser schlug über dem Körper zusammen, und im nächsten Augenblick schloss sich auch der Riss im Himmel.

Pelagi wusste selbst nicht, ob er diesen Teufelskram nicht nur geträumt hatte. Das war gut möglich, bei der Dunkelheit und dem fahlen Licht.

Doch da kam dem jungen Mönch ein Gedanke in den Sinn, bei dem er noch einmal aufschrie.

Er raffte den Saum seines Leibrocks hoch, sodass die Rüschen der langen Damenunterhosen aufblitzten, und rannte im Trab vom Ufer weg ins Innere der Insel.

Während er lief, murmelte er ein verworrenes Gebet vor sich hin, das er sich auf die Schnelle ausgedacht hatte: »Rette, o Herr, das Lamm vor den Zähnen der Wölfe! Ja, Du wirst auferstehen und Deine Feinde verjagen, und die, die Dich verabscheuen, werden vor Deinem Antlitz fliehen!«

Die Schuhe trappelten jetzt über den mit Ziegeln gepflasterten Weg, doch das Laufen wurde nicht einfacher, denn der Weg stieg leicht an – je weiter er führte, desto steiler wurde er.

Am Rand des Kiefernwaldes, wo das Gelände von Korowins Klinik begann, fiel der Läufer in Schritttempo, weil er völlig außer Atem war.

Die Fenster der kleinen Häuser waren dunkel, die Gemütskranken schliefen.

Als Pelagi über einer dichten Wand aus Buschwerk das Glasdach des Palmenhauses erahnte, begann er wieder zu laufen.

Er stürmte in das Palmenhaus und schrie mit verzweifelter, sich überschlagender Stimme:

»Alexej Stepanowitsch! Aljoscha!«

Stille.

Er rannte durch das üppige Gesträuch und atmete mit offenem Mund die betörenden tropischen Düfte ein.

»Aljoschenka! Sag doch etwas! Ich bin es, Pelagia!«

Aus einer Ecke kam ein kalter Luftzug. Der junge Mönch wandte sich in diese Richtung und starrte in die Finsternis.

Zunächst knirschten Glasscherben unter seinen Füßen, und erst dann entdeckte Pelagi das riesige Loch in der Glaswand des Palmenhauses.

Er setzte sich auf den Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen.

Oh, was für ein Unglück!

Gulliver und die Liliputaner

»Kommst du auch wieder? Bitte komm. Sonst holt er mich bald. Kommst du wieder?« Aljoscha Lentotschkins Stimme, besonders der kindliche, von schüchterner Hoffnung erfüllte Tonfall der letzten drei Worte, hatte sich ihm so deutlich ins Gedächtnis gebrannt, peinigte die Seele jetzt, da nichts mehr zu ändern war, so sehr, dass Pelagi sich die Ohren zuhielt. Es half nicht.

Er hätte nicht den Verbrecher verfolgen, sondern den armen Alexej Stepanowitsch retten müssen, immer in der Nähe sein, ihn schützen und beruhigen müssen. Es war schließlich klar (und in dem Brief an Mitrofani beschrieben), dass der Übeltäter nicht von seinen Opfern abließ, sie quälte und zugrunde richtete. Wie hatte er die Bitte um Hilfe in Aljoschas Gestammel nicht erkennen können?

Nachdem Pelagi sich eine Zeit lang gegrämt und mit Vorwürfen gequält hatte, erhob er sich seufzend, schüttelte eine Glasscherbe vom Saum und machte sich auf den Rückweg.

Mochte Korowin am Morgen durch den Gärtner vom Verlust seines Patienten erfahren. Es war sinnlos, Zeit für überflüssige Erklärungen zu verschwenden, und außerdem war noch unklar, welche Rolle der Doktor in dieser ganzen Geschichte spielte. Es hatte jetzt auch keinen Zweck, sich über das Vorgefallene den Kopf zu zerbrechen, er drohte ohnehin zu bersten, der arme Kopf. Er sollte besser ins Bett gehen und versuchen zu schlafen. Guter Rat kommt über Nacht.

Bald seufzend, bald schluchzend schleppte der Klosterbruder sich den nächtlichen Weg entlang zur Stadt. Er schlüpfte in den Pavillon, um sich aus einem männlichen Wesen wieder in ein weibliches zu verwandeln.

Gerade hatte er das Käppchen und den Leibrock abgelegt und das zusammengerollte Kleid aus der Reisetasche gezogen, als plötzlich etwas Unglaubliches geschah.

Einer der riesigen eisernen Schränke löste sich wie von Zauberhand von der Wand und bewegte sich geradewegs auf Polina Andrejewna zu. Sie saß in der Hocke, starrte von unten her wie versteinert auf dieses Wunder und konnte sich nicht einmal richtig erschrecken.

Dabei war es wahrhaft erschreckend. Der Automat verdeckte den hellen Flecken der Tür, und Frau Lissizyna sah – nein, nicht einen Schrank, sondern eine riesige Silhouette in einer schwarzen Mönchskutte.

Polina Andrejewna presste die Arme vor die Brust (sie trug in diesem Moment nur ein Hemd und die langen Unterhosen) und sagte mit zitternder Stimme:

»Ich habe keine Angst vor dir! Ich weiß, dass du kein Gespenst bist, sondern ein Mensch!«

Und dann machte sie etwas, wozu sie sich in ihrem frommen Nonnengewand wohl kaum entschlossen hätte: Sie richtete sich zu voller Größe auf, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlug der alptraumhaften Erscheinung mit der Faust dahin, wo sich das Gesicht befinden musste – einmal und dann noch einmal und noch einmal.

Frau Lissizyna hatte keine große Faust, aber sie war stark und kantig, doch die Schläge zeigten keinerlei Wirkung, Polina Andrejewna zerkratzte sich nur die Knöchel an etwas Stachligem, Hartem.

Gigantische Pranken packten die Hände der Kämpferin und pressten sie gegeneinander. Eine Hand umklammerte Polina Andrejewnas zarte Handgelenke, die andere wickelte mit unbeschreiblicher Geschicklichkeit einen Strick darum.

Obwohl sie die Hände nicht mehr einsetzen konnte, ergab sich Polina Andrejewna nicht – sie trat mit den Beinen und zielte dabei auf die Knie des Gegners, oder nach Möglichkeit auch höher.

Der Angreifer ging in die Hocke, wobei er nur wenig kleiner war als die stehende Dame, und fesselte mit einigen raschen Bewegungen ihre Fußknöchel. Die Lissizyna wollte zurückspringen, doch da sie nicht mehr von einem Bein auf das andere treten konnte, fiel sie zu Boden.

Nun konnte sie nur noch zur letzten weiblichen Waffe greifen – zum Schreien. Vielleicht hätte sie von Anfang an schreien sollen, anstatt die Fäuste zu schwingen.

Sie riss den Mund auf, so weit es ging, und wollte um Hilfe schreien – vielleicht war eine Patrouille der Friedenswächter auf der Uferstraße unterwegs, oder einfach späte Passanten – , doch eine unsichtbare Hand stopfte ihr einen rauen, widerlich sauren Lappen zwischen die Zähne und band, damit sie den Knebel nicht ausspucken konnte, noch ein Tuch darüber.

Dann hob der Kraftprotz die hilflose Gefangene mit Leichtigkeit hoch, indem er sie beim Nacken und bei den gefesselten Beinen packte wie ein Schaf, und warf sie auf ein am Boden ausgebreitetes Stück Sackleinwand, das Polina Andrejewna erst jetzt bemerkte. Der gut vorbereitete Übeltäter rollte den Körper über den Boden und wickelte ihn dabei gleichzeitig in das Sackleinen ein, sodass Frau Lissizyna sich in Sekundenschnelle aus einer unbekleideten Dame in einen formlosen Ballen verwandelte.

Das dumpf brüllende, sich windende Bündel wurde in die Luft gehoben, über eine Schulter, breit wie ein Pferderücken, geworfen, und Polina Andrejewna spürte, dass sie davongetragen wurde. Im Takt der weit ausholenden, gleichmäßigen Schritte wippend, versuchte sie zunächst noch, um sich zu schlagen und Protestlaute von sich zu geben, doch in dem engen Sack konnte sie sich fast gar nicht bewegen, und ihr Stöhnen, durch den Knebel und das grobe Sackleinen gedämpft, konnte wohl kaum jemand hören.