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Ihre Tochter Pelagia

Der letzte Tag. Abend

Während er die letzten Zeilen des Briefes las, griff Mitrofani sich an den Bart, und als er fertig war, lief er unruhig hin und her – er stürzte zur Tür, hielt inne, wandte sich zu Berditschewski um.

»Ach, ein Unglück, ein Unglück, Matwej! Diese tollkühne Person, sie ist zur Einsiedelei unterwegs! Sie sorgt sich um mich! Dass man mich der Schmähung bezichtigen könnte! Nicht wegen der Schmähung muss man sich sorgen, sondern dass er sie umbringt!«

»Wer? Wen bringt er um?« wunderte sich Matwej Benzionowitsch, der nicht mehr gewohnt war, richtig zu überlegen – aber wie hätte er das auch anstellen sollen, ohne den Brief gelesen zu haben?

Der Bischof steckte ihm den Brief zu und stürzte zum Doktor:

»Schnell, wir müssen schnell zur Einsiedelei! Ein weiterer Mord macht ihm doch nichts aus!«

»Wem denn?« Auch Korowin verstand nicht recht, worum es

ging.

»Ihrem Physiker, Ljampe! Er ist der schwarze Mönch, das ist einwandfrei erwiesen! Er ist auch der Mörder! Er hat sich auf der Nachbarinsel versteckt! Und Pelagia, das heißt also die Lissizyna, ist dahin gefahren, direkt in die Höhle des Löwen!«

Der stellvertretende Staatsanwalt, der sich noch nicht richtig in den Brief hatte vertiefen können, schüttelte ungläubig den Kopf:

»Ljampe soll auf der Nachbarinsel sein? Aber nein, Vater, da ist er ganz gewiss nicht!«

»Wo denn sonst?« Mitrofani drehte sich zu ihm um.

»Dort.« Berditschewski deutete mit der Hand nach unten. »Unter der Erde.«

Der Bischof erstarrte. War er doch noch nicht ganz gesund? Oder fing er schon wieder an zu fantasieren?

»Das heißt, ich wollte sagen, im Keller«, erklärte Matwej Benzionowitsch. »Er hat sich seit einiger Zeit noch ein anderes Laboratorium eingerichtet. Dort arbeitet er auch. Ich habe ihm geholfen, die Blechplatten hinunterzutragen, die er vom Dach gerissen hat. Sergej Nikolajewitsch hat mir etwas von einer Emanation erzählt, von irgendwelchen gefährlichen Experimenten, die er macht, aber ich habe das nicht verstanden, ich war ja nicht ganz bei mir. Auch die Instrumente sind alle im Keller. Er ist praktisch die ganze Zeit unten. Einmal am Tag kommt er heraus, isst ein Stück Brot und geht wieder hinunter.«

Der Ermittler sprach langsam und suchte mühsam nach Worten; er war offenkundig noch nicht ganz wiederhergestellt, aber mit einem Verrückten hatte er keine Ähnlichkeit mehr.

»Wo ist dieser Keller?«, fragte der Bischof den Doktor, weil er nicht sicher war, ob er Berditschewski glauben sollte. Vielleicht gab es gar keinen Keller?

»Dort drüben, wenn Sie mir bitte folgen möchten.«

Donat Sawwitsch führte sie ins Vorzimmer, von dort in die Vorratskammer und von der Vorratskammer über eine steinerne Treppe nach unten. Es war dunkel, der Assistent entzündete ein Streichholz.

»Hier ist die Tür. Aber der Keller war immer leer, da ist kein Laboratorium . . .«

Korowin hatte noch nicht ausgesprochen, als er an der Türklinke zog und aus dem Türspalt ein überirdisches rötliches Licht strömte. Ein leises Geklapper drang heraus, Glas klirrte.

Mitrofani spähte hinein.

An einem langen Tisch voller Apparaturen und Instrumente, deren Verwendungszweck nicht recht zu erkennen war, stand eine kleine Gestalt in einem weiten Kittel. An der Decke brannte eine Lampe, die mit einem roten Tuch umhüllt war – daher auch die eigentümliche Beleuchtung.

Der kleine Mann stand über den Tisch gebeugt und blickte durch ein kompliziertes Mikroskop auf einen kleinen Schraubstock, in den eine schwarze Metallplatte vertikal eingespannt war. Hinter der Platte stand ein leerer Glaskolben auf einem Spezialuntersatz. Nein, der Kolben war nicht leer: Auf dem Boden glitzerte ein winziges Körnchen – irgendein Pulver oder vielleicht auch feiner Sand.

Der Forscher war so absorbiert von seiner Arbeit, dass er die Schritte nicht hörte. Er sah wunderlich aus: Auf dem Kopf trug er einen Feuerwehrhelm, und vor der Brust hatte er eine Zinkschüssel befestigt, eine ganz gewöhnliche Zinkschüssel zum Wäschewaschen.

»Also hier ist der Feuerwehrhelm«, sagte der Assistent halblaut. »Frolow war bei mir und hat sich beklagt. Ich wollte Sie wegen dieser Lappalie nicht belästigen, Donat Sawwitsch.«

Ohne dem Assistenten zu antworten, trat Korowin einen Schritt vor und rief laut:

»Herr Ljampe! Sergej Nikolajewitsch! Was sind denn das für geheime Gewölbe hier im Keller?«

Der kleine Mann drehte sich um und machte den Ankömmlingen mit der Hand abwehrende Zeichen.

»Fort, fort! Verboten! Man kann sie nicht abhalten, mit nichts! Ich habe Eisen versucht, Kupfer, Stahl, Zinn und jetzt Zink – wie ein Messer durch die Butter! Jetzt mit Blech.« Er deutete auf ein Stück Dachblech, das am Tischrand lag. »Dann Blei, dann Silber! Irgendetwas muss sie doch abhalten können!«

Neben dem Blech lagen tatsächlich eine matt schimmernde Metallplatte und ein glänzendes Silbertablett.

»Aha«, konstatierte Korowin. »Das Tablett ist aus meinem Büfett entwendet. Sind Sie auch noch kleptomanisch veranlagt? Schämen Sie sich, Sergej Nikolajewitsch. Und Sie sind ein Apologet der Moral.«

Der Physiker brummte verlegen und undeutlich:

»Ja, nicht schön. Aber wo sonst? Zeit! Niemand, kein Einziger! Alles selbst! Wenn es Gold wäre. Gold habe ich sehr. Und verwandte Metalle! Oder dann gleich Platin, damit Gleich zu Gleich. Aber wo, wo?«

Mitrofani trat vor und fixierte den schwächlichen Ljampe von oben herab. Mit seiner volltönenden, keinerlei Widerspruch duldenden Stimme sagte er:

»Ich werde Ihnen Fragen stellen, gnädiger Herr. Und Sie werden klar und deutlich, ohne Umschweife, antworten.«

Der Gelehrte musterte den Bischof mit zur Seite geneigtem Kopf. Dann sprang er plötzlich auf einen Stuhl und riss den roten Lappen von der Lampe, sodass der Raum nun normal beleuchtet war.

Selbst als er auf dem Stuhl stand, war Ljampe nur wenig größer als der majestätische Bischof. Der seltsame Mann griff in die Kitteltasche, holte eine große Brille mit violetten Gläsern hervor, setzte sie sich auf die Nase und begann, den Bischof erneut in Augenschein zu nehmen, dieses Mal noch umständlicher.

»Ach, ach«, gackerte er, »so viel Blau! Und Orange, Orange! So viel wie noch nie!«

Er riss die Brille herunter und starrte Mitrofani begeistert an.

»Ein wunderbares Spektrum! Ach, wenn das früher! Sie können! Sagen Sie ihnen! Sie sind so! Selbst der!« Der Gelehrte zeigte auf Donat Sawwitsch. »Ich ihm, und er mit der Nadel! Die Übrigen schlimmer! Himbeerrote, alles himbeerrote! Man braucht etwas! Und zwar bald! Man hält sie nicht ab!«

Der Bischof wartete stirnrunzelnd, dass Ljampe sich beruhigen würde.

»Spielen Sie nicht den Idioten! Ich weiß alles. Gehört das Ihnen?«

Er gab Berditschewski einen Wink: Gib schon her. Der stellvertretende Staatsanwalt, der sich unter der Lampe eingerichtet hatte, um Pelagias Botschaft zu lesen, kramte die Kutte, die Stiefel und die Lampe aus der Tasche und vertiefte sich dann wieder in den Brief. Das Verhör schien ihn überhaupt nicht zu interessieren.

Beim Anblick der unwiderlegbaren Beweisstücke blinzelte Ljampe und atmete heftig durch die Nase – er war verwirrt, aber weniger als zuvor, als der Doktor ihn des Diebstahls überführt hatte.

»Meins, ja. Na und? Niemand schließlich! Ausgedacht. Wenn schon himbeerrote. Brauchen nicht verstehen, hätten sie sich nicht eingemischt. Schade.«

»Wozu haben Sie dieses schändliche Spektakel veranstaltet?«, fragte der Bischof mit erhobener Stimme. »Warum haben Sie die Menschen erschreckt?«

Ljampe presste die Hände gegen die Brust und plapperte nur noch schneller. Es war offensichtlich, dass er mit aller Kraft versuchte, etwas für ihn sehr Wichtiges zu erklären, und einfach nicht begreifen konnte, warum man ihn partout nicht verstehen wollte.