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Im Salon brannten zwei Kerzen, orientalische Wohlgerüche hingen in der Luft. Eine große, schlanke Gestalt in Weiß streckte dem Prorektor die Hand entgegen, wich aber sogleich mit einem Lachen zurück und begann mit dem vor Leidenschaft vergehenden Nossatschewski zu flirten, indem sie sich spielerisch um den Tisch verfolgen ließ, und als Serafim Wikentjewitsch vollkommen außer Atem war und um Gnade flehte, diktierte sie ihre Bedingung: Alle Anordnungen der Siegerin seien widerspruchslos zu erfüllen.

Seine Exzellenz kapitulierte nur zu gerne, umso mehr, als die Konditionen verlockend klangen: Die Schöne selbst wollte den Liebhaber entkleiden und ihn ins Boudoir führen.

In angenehmer Vorfreude erschauernd, gestattete Nossatschewski den leichten, flinken Fingern, ihn zu entkleiden. Er widersetzte sich auch nicht, als die fantasievolle Schöne ihm die Augen mit einem Tuch verband, ein Spitzenhäubchen auf den Kopf setzte und ein rosafarbenes Strumpfband um sein rheumatisches Knie wand.

»Gehen wir ins Reich der Träume, mein Küken«, wisperte die hinterlistige Verführerin und bugsierte den des Augenlichts beraubten Prorektor in Richtung des Schlafzimmers.

Er vernahm das Quietschen der sich öffnenden Tür, bekam dann einen heftigen Stoß in den Rücken, lief ein paar Schritte vorwärts und fiel beinahe hin. Hinter ihm wurde der Türflügel zugeschlagen.

»Mein Vögelchen!«, rief Serafim Wikentjewitsch ungläubig. »Kindchen! Wo bist du denn?«

Zur Antwort dröhnte ihm vereintes Gelächter aus einem Dutzend rauer Kehlen entgegen, und ein disharmonischer Chor hob an zu schreien:

Serafim Wikentjewitsch,

Er ist uns lieb und teuer,

Hat sich zu uns begeben heuer.

Dann ging es ganz abscheulich weiter, unter Miauen und Geheule:

Sima, Sima, Sima,

Sima, Sima, Sima,

Sima-Sima-Sima-Sima,

Sima, sing nur immer!

Nossatschewski riss entsetzt das Tuch herunter und sah auf dem unendlich großen Bett à la Louis-quinze eine Reihe von Studenten der Universität von K. sitzen, die zu den schlimmsten Trunkenbolden gehörten und nun die unanständige Nacktheit ihres Prorektors dreist betrachteten, den teuren Champagner direkt aus der Flasche tranken und die Früchte und die Schokolade bereits verschlungen hatten.

Erst jetzt wurde dem unglücklichen Prorektor klar, dass er Opfer einer Verschwörung geworden war. Serafim Wikentjewitsch stürzte zur Tür und riss an der Klinke, doch er konnte sie nicht öffnen, der rachsüchtige Aljoscha hatte sie von außen verschlossen. Auf das höhnische Geschrei hin kamen die Angestellten durch die Dienstbotentür hereingelaufen, und dann kam auch noch der Stadtwächter von draußen herbeigerannt. Es gab den abscheulichsten Skandal, den man sich nur denken kann.

Das heißt, offiziell gab es gar keinen Skandal, weil die verworrene Geschichte vertuscht wurde, doch bereits am nächsten Tag wusste man in der Stadt wie auch im ganzen Gouvernement K. in allen haarsträubenden und wie gewöhnlich noch übertriebenen Einzelheiten über die »Benefizvorstellung« des Geheimrats Bescheid.

Nossatschewski reichte freiwillig seinen Rücktritt ein und verließ K. für immer, denn zu bleiben war völlig ausgeschlossen. Es kam vor, dass mitten in einer ernsthaften, ja sogar wissenschaftlichen Unterhaltung ein Gesprächspartner Nossatschewskis unvermittelt flammend rot wurde, vor unterdrücktem Gelächter beinahe platzte und sich angestrengt räusperte – er sah dann offenbar den Prorektor nicht mit dem Stern des Annenordens vor sich, sondern mit einem Spitzenhäubchen und rosafarbenem Strumpfband.

Die Geschichte hatte für Serafim Wikentjewitsch noch weitere traurige Konsequenzen. Nicht nur, dass er von da an das Interesse am schönen Geschlecht völlig verloren hatte, sondern er zeigte seitdem auch ein unvorteilhaftes Zittern des Kopfes sowie ein Zucken des Auges, und seine frühere wissenschaftliche Brillanz war nicht mehr zu beobachten.

Doch auch der Urheber des Schabernacks ging nicht straflos aus. Selbstverständlich erfuhren alle auf der Stelle, wer dem Prorektor diesen Streich gespielt hatte (die Kameraden von Alexej Stepanowitsch strengten sich nicht sonderlich an zu verbergen, wem diese Reprise zuzuschreiben war), und die Obrigkeit des Gouvernements gab dem ehemaligen Studenten zu verstehen, er möge besser seinen Wohnort wechseln.

Darauf schrieb die untröstliche Mutter unserem Bischof und flehte ihn an, den nichtsnutzigen Sprössling des Majors Lentotschkin zu sich nach Sawolshsk zu holen und unter seine bischöfliche Obhut zu nehmen, ihn zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft zu machen und ihm seine Flausen und seinen Übermut auszutreiben.

Mitrofani war einverstanden – zunächst im Gedenken an seinen Kriegskameraden, aber später dann, als er Alexej Stepanowitsch näher kennen lernte, war er froh über ein solches Mündel.

***

Lentotschkin junior bezauberte den strengen Bischof durch seine unbekümmerte Frechheit und die völlige Geringschätzung seiner in jeder Beziehung vom Bischof abhängigen Lage. Was Mitrofani bei jemand anders um keinen Preis geduldet hätte – Respektlosigkeit und Spott – , erzürnte ihn bei Alexej Stepanowitsch nicht, es belustigte ihn vielmehr, entzückte ihn vielleicht sogar.

Zunächst einmal war Aljoscha Atheist – keiner von diesen Agnostikern, Sie wissen schon, wie es sie derzeit unter gebildeten Menschen häufig gibt, wen man auch fragt, beinahe jeder gibt zur Antwort: »Ich halte die Existenz einer Höheren Vernunft für möglich, aber vollkommen verbürgen dafür kann ich mich nicht« – , und zwar ein eingefleischter Atheist. Bei ihrer ersten Begegnung in der bischöflichen Residenz war es zwischen dem jungen Mann und Mitrofani in der Hauskapelle, unter den strahlenden Blicken der Evangelisten, der Gerechten und der Großmärtyrer, zu einem Streit über die Allwissenheit und die Barmherzigkeit des Herrn gekommen, der damit endete, dass der Bischof den Gotteslästerer mit einem Schlag in den Nacken davonjagte. Doch später, als er sich wieder beruhigt hatte, ließ er erneut nach ihm schicken, bewirtete ihn mit Bouillon und Piroggen und sprach nun wieder ganz anders mit ihm: heiter und freundschaftlich. Er suchte dem jungen Mann eine passende Stellung als Konsistorialauditor, quartierte ihn bei einer guten, fürsorglichen Wirtin ein und hieß ihn, ohne Umstände in den bischöflichen Gemächern zu verweilen, wovon Lentotschkin, der in Sawolshsk noch keine Bekanntschaften geschlossen hatte, auch ungeniert Gebrauch machte: Er kam zu den Mahlzeiten, saß stundenlang in der bischöflichen Bibliothek und schwatzte in Gegenwart von Mitrofani weitschweifig über alle möglichen Themen. Viele Menschen hätten es als großes Glück erachtet, dem Bischof zuhören zu dürfen, der nicht nur erbaulich, sondern auch im höchsten Maße zu Herzen gehend zu reden wusste, Lentotschkin hingegen schwadronierte meistens selbst – und Mitrofani unterbrach ihn nicht, sondern lauschte ihm mit sichtlichem Vergnügen.

Diese Annäherung kam zweifellos deshalb zustande, weil der Bischof es von allen menschlichen Qualitäten am meisten zu schätzen wusste, wenn jemand einen scharfen Verstand hatte und nicht liebedienerisch war, und Lentotschkin verfügte über diese beiden Charakterzüge in höchstem Maße. Schwester Pelagia, die Alexej Stepanowitsch von Anfang an nicht leiden konnte (Eifersucht findet man schließlich auch bei Personen des klösterlichen Stands), erklärte, Mitrofani begünstige den Jungen in seinem Übereifer, ihm die Flausen auszutreiben und den Glauben in ihm zu wecken. Als die Nonne den Bischof des eitlen Ehrgeizes überführte, bestritt dieser ihn nicht, sondern er rechtfertigte sich und erklärte, das sei eine kleine Sünde, die zum Teil sogar durch die Heilige Schrift verziehen sei, denn es steht geschrieben: »Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.«