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»Aber Sie haben das Schweigegelübde gebrochen und mit mir geredet! Es kann doch nicht sein, dass Sie noch nie nachts in den Stollen hinausgegangen sind?«

»Noch nie!«, versetzte der Abt streng. »Kein einziges Mal. Und ich werde es auch nicht tun. Dass ich mit dir so ausführlich rede, hat einen besonderen Grund . . .«

Er stockte und schlug plötzlich die Hände vor das Gesicht. Er schwieg.

Polina Andrejewna wartete, solange ihre Geduld reichte, und erkundigte sich dann:

»Was ist das für ein besonderer Grund?«

»Ich will dich um Verzeihung bitten«, erwiderte der Mönch dumpf.

»Mich!?«

»Ich werde keine andere Frau mehr sehen . . .« Er nahm die Hände vom Gesicht, und Polina Andrejewna sah, dass Israils Augen nass von Tränen waren. »Der Herr hat mich geprüft und mir vergeben, dafür ist er Gott. Aber gegenüber euch, meinen Schwestern, habe ich schwere Schuld auf mich geladen. Wie kann ich die Welt verlassen, ohne dass eine Frau mir vergeben hat? Ich werde dir nicht alle meine abscheulichen Taten erzählen, das würde zu lange dauern. Nur die Geschichte, die ich vorhin erwähnte. Sie liegt mir schwerer auf dem Herzen als alles andere. Es ist die Geschichte, mit der meine Einsicht begann. Hör zu, und sage mir nur, ob eine weibliche Seele mir vergeben kann. Das würde mir schon reichen . . .«

Die Beichte eines Herzensbrechers

Und er begann zu erzählen.

»Es ist eine Geschichte, aber es waren zwei Frauen. Die erste war noch ein ganz junges Mädchen. Sie reichte mir kaum bis zum Ellbogen, ein zartes, zerbrechliches Wesen. Aber das ist dort keine Seltenheit. Es war am Schluss meiner Weltreise, die sich über vier Jahre hingezogen hatte. Ich war in Europa aufgebrochen und beendete meine Reise am Ende der Welt, in Japan. Ich hatte viel gesehen. Ich sage nicht ›viel Verschiedenes‹, sondern eher ›viele Verschiedene‹ – das ist präziser.

In Nagasaki und später dann in Yokohama hatte ich mir die Geishas und die joro (so heißen die Dirnen bei ihnen) zur Genüge angesehen. Als ich schon Weiterreisen wollte, weil mich in Japan nichts wirklich interessierte, sah ich im Haus eines Beamten seine jüngste Tochter. Mit ihren schmalen Augen starrte sie mich an wie einen wilden Gorilla, was heftige Erregung in mir weckte. Das wird gewiss interessant, dachte ich, so etwas hatte ich auch noch nie erlebt.

Das Mädchen war streng erzogen, nach Samurai-Art, sie war nur halb so groß und kaum ein Viertel so alt wie ich, und ich war in ihren Augen ein behaartes Monster, zudem meiner wichtigsten Waffe, der Sprache, beraubt – wir konnten uns überhaupt nicht verständigen.

Nun, ich blieb in Tokio und begann, häufiger im Hause dieses Beamten zu verkehren. Wir freundeten uns an. Ich diskutierte über Politik, trank Kaffee mit Likör und schaute mir das Töchterchen an. Sie durfte offenbar erst seit kurzem dabei sein, wenn Gäste kamen, und war noch sehr scheu. Wie kann man den passenden Schlüssel zu dieser kleinen Lackschatulle finden, überlegte ich?

Es war kein großes Problem. Erfahrung, und mehr noch Kenntnis des weiblichen Herzens konnte man mir nicht absprechen.

Auf die übliche Weise konnte ich ihr nicht gefallen, zu sehr unterschied ich mich von den Männern, denen sie für gewöhnlich begegnete. Also müsste ich meine Fremdartigkeit ausspielen.

Eines Tages sagte mir ihre Mama in scherzhaftem Ton, dass die Tochter mich immer mit einem Bären vergleiche – einem sehr großen Bären mit Backenbart.

Nun gut, dann war ich eben ein Bär.

Bei Matrosen im Hafen kaufte ich ein lebendiges Bärenjunges, einen sibirischen Braunbären, und brachte ihn ihr als Geschenk. Mochte sie sich ruhig an die Behaarung gewöhnen. Es war ein prächtiger Bär, ausgelassen und freundlich. Meine kleine Japanerin spielte von morgens bis abends mit ihm. Sie gewann ihn sehr lieb, streichelte und küsste ihn, und er fuhr ihr mit der Zunge übers Gesicht. Ausgezeichnet, dachte ich. Das Tier hat sie ins Herz geschlossen, also wird sie auch mich lieb gewinnen.

Und wahrhaftig blickte sie nun auch den Geber mit andern Augen an, ohne Argwohn, aber voller Neugierde. Als vergleiche sie ihn mit ihrem Liebling. Ich legte mir absichtlich einen tapsigen Gang zu, ließ meinen Backenbart dichter wachsen und verlieh meiner Stimme einen brummenden Klang.

Allmählich freundeten wir uns an. Sie nannte mich Kumatjan, was in ihrer Sprache ›Bär‹ bedeutet.

Und weiter? Das Übliche, wenn ein Mädchen im Müßiggang dahinlebt und das körperliche Erblühen Sehnsüchte weckt. Sie sucht etwas Neues, Unbekanntes, Ungewöhnliches. Und da ist ein exotischer Ausländer. Der ihr mancherlei fesselnde Dinge aus aller Welt zeigt. Postkarten aus Paris und aus Petersburg, Wolkenkratzer in Chicago. Und vor allem hatte sie sich an das Fell des Bären gewöhnt und ihre physische Scheu vor mir verloren. Bald fasste sie nach meiner Hand, bald strich sie mir über den Schnurrbart – sie fand das interessant. Und die Neugier junger Mädchen ist ein leicht entflammbares Material.

Ich werde keine Einzelheiten erzählen, das ist langweilig. Die größte Schwierigkeit bestand darin, mich ihr, um es wissenschaftlich auszudrücken, im biologischen Sinne so weit anzunähern, dass eine Kreuzung möglich wurde. Aber als wir nicht mehr eine Japanerin und ein Bär aus Übersee waren, sondern ein unschuldiges junges Mädchen und ein erfahrener Mann, ging alles seinen Gang, wie ich es schon viele Male zuvor erlebt hatte.

Als ich Japan verließ, war die Japanerin jedenfalls bei mir – sie hatte sich selbst eingeladen. Die Eltern werden wohl nie erfahren haben, wohin ihre Tochter entschwunden ist.

Bis Wladiwostok liebte ich sie sehr. Auch nachher noch, als wir mit der Eisenbahn fuhren. Doch mitten in Sibirien begann mich ihre kindliche Leidenschaft allmählich zu langweilen. Ich konnte mit ihr schließlich nicht einmal reden. Sie aber entflammte nur noch heftiger in Liebe. Wenn ich nachts aufwachte, schlief sie nicht. Sie lag auf den Ellbogen gestützt da und starrte mich mit ihren Schlitzaugen unentwegt an. Bei den Frauen lodert die Liebe am heftigsten, wenn sie spüren, dass man ihrer langsam überdrüssig wird, das ist zur Genüge bekannt.

Als wir uns Petersburg näherten, konnte ich sie nicht mehr sehen. Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich sie loswerden könnte. Zu ihren Eltern zurückschicken? Die waren schließlich keine gewöhnlichen papa und maman, sondern Samurai. Am Ende würden sie das Mädchen noch umbringen, das wäre schade. Aber wohin mit ihr? Sie kannte keine Sprache außer ihrer Vogelsprache. Sollte ich ihr eine Abfindung zahlen? Sie würde das Geld nicht annehmen, außerdem würde sie mich nicht in Ruhe lassen, sie war krankhaft anhänglich. Sie konnte nichts, mit Ausnahme von dem, was ich sie in der Kajüte und im Eisenbahncoupe so eifrig gelehrt hatte.

Der Gedanke daran brachte mich auf eine Idee. Ich hatte von einem der Mitreisenden im Zug gehört, dass während meiner Abwesenheit in Petersburg ein neues Etablissement eröffnet worden war, das von einer gewissen Madame Posdnjajewa geführt wurde. Ein elegantes Bordell mit jungen Mädchen aus aller Herren Länder: Italienerinnen, Türkinnen, Negerinnen, Annamitinnen – alles, was das Herz begehrt. Das Etablissement hatte bei den Petersburger Herren großen Erfolg.

Ich fuhr zur Posdnjajewa, um sie kennen zu lernen. Ich überzeugte mich, dass die Mädchen gut behandelt wurden. Die Bordellbesitzerin erklärte, sie zahle einen Teil vom Verdienst der Mädchen für jede auf ein eigenes Bankkonto ein. Am nächsten Morgen gab ich ihr meine Kleine zu treuen Händen. Als Grundstock zahlte ich in ihrem Namen tausend Rubel bei der Bank ein.

Nur gereichte der Japanerin dieses Geld nicht zum Nutzen. Als sie verstand, wohin ich sie gebracht hatte und dass ich nicht die Absicht hatte, sie wieder mitzunehmen, sprang sie kopfüber aus dem Fenster und schlug auf dem Pflaster auf. Sie warf sich noch etwas hin und her, wie ein Fisch, den man ans Ufer geworfen hatte, und dann hörte sie auf.