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»Alles«, sagte der Mönch, schlug die Kapuze zurück, die nun nicht mehr vonnöten war, und schüttelte seinen Lockenkopf. »In dieser Kugel liegt alles, was ich mir wünsche. Vollkommene Freiheit, Ruhm, Reichtum, Glück! Erstens enthält sie mindestens sechshunderttausend Solotnik des wertvollsten Metalls der Welt, und jeder Solotnik bedeutet einen Monat sorgenfreies Leben. Zweitens, und das ist die Hauptsache, ist mir dank diesem schwachsinnigen Knirps ein großartiges Projekt eingefallen, eine wunderbare Idee! Außer mir wird das niemand verstehen, niemand wird seine Bedeutung erkennen. Als man mich von der Universität jagte, dachte ich schon, es sei alles vorbei. Aber nein, hier ist sie, meine Zukunft.« Er umriss die Höhle mit einer weit ausholenden Geste. »Ich brauche keinen akademischen Grad und auch keine langjährige Assistentenzeit bei einer Provinzkoryphäe. Ich werde mein eigenes Laboratorium einrichten, in der Schweiz. Ich werde die Emanationstheorie selbst ausarbeiten! Niemand hat mir etwas zu sagen, ich muss niemanden um Geld bitten! Die Welt wird Lentotschkin kennen lernen!« Alexej Stepanowitsch beugte sich vor und strich liebevoll über die schillernde Oberfläche der Kugel. »Schade, dass ich nur so wenig Platin-Iridium abschürfen konnte. Aber das macht nichts, für meine Zwecke reicht auch das, was da ist.«

Er drehte sich zu Polina Andrejewna um, und seine eingefallenen Wangen, auf denen keine Spur der früheren Grübchen mehr zu erkennen war, verzogen sich zu einer Art Lächeln.

»Sie haben mich zu früh aufgespürt, Schwester. Dafür kann ich mich wenigstens aussprechen, sonst habe ich immer nur mit mir selbst geredet. So dauert es wahrhaftig nicht lange, bis einem das Gehirn weich wird. Sie sind eine Person von scharfem Verstand, Sie werden meinen Plan zu würdigen wissen. Es ist doch keine schlechte Idee, oder? Besonders mit der Nacktheit wie im Paradies, was? Ich musste mich doch irgendwie auf Kanaan einnisten, bis ich alles vorbereitet hatte. Tagsüber ruhe ich mich im Garten Eden aus, esse Ananas (die verfluchten Dinger hängen mir schon zum Hals heraus), und nachts ziehe ich die Kutte unter dem Gebüsch hervor, streife als schwarzer Mönch auf der Insel umher und erschrecke die Bewohner. Die Hauptsache aber – niemand hat Verdacht geschöpft. Ljampe und ich, wir waren ein prächtiges Paar, beide als Wassilisk verkleidet – die Neugierigen und die Beter haben wir sämtlich vom Ufer verscheucht. Ach, einen Monat noch, dann hätte ich nicht fünf, sondern fünfzig oder hundert Pfund abgefeilt. Damit hätte ich nicht nur ein Laboratorium, sondern ein ganzes Forschungszentrum einrichten können. Wie ein natürlicher Spalter funktioniert, ist bekannt und durch Ljampes Experimente bestätigt«, sagte er halb laut mehr zu sich selbst als zu Polina Andrejewna. »Jetzt kann man versuchen, einen künstlichen Spalter herzustellen, für die erste Zeit reicht das Geld, und dort werden sich ein paar Geldsäcke finden, die etwas springen lassen . . .«

»Was ist das, ein Spalter?«, fragte die Lissizyna ganz Ohr.

Alexej Stepanowitsch fuhr zusammen und bedachte sie mit einem weiteren trüben Lächeln.

»Das verstehen Sie sowieso nicht. Sie sollten besser meinem Plan die gebührende Anerkennung zollen. Habe ich das nicht alles wunderbar ausgeheckt? Da sitzt ein friedlicher Idiot im Glashaus, nackt wie die Engel im Himmel, er spricht in Rätseln und lockt die dummen Karauschen zu seiner Angel in die abgelegene Hütte. Und schwupps zappeln sie am Haken, dann einen Schlag vor die Stirn und ab in den Eimer. Ich weiß, dass Sie, Mademoiselle Pelagia, mich noch nie ausstehen konnten, aber geben Sie zu: Das habe ich mir prächtig ausgedacht!«

»Ja, sehr erfinderisch.« Polina Andrejewna wollte das gar nicht bestreiten. »Aber auch sehr unbarmherzig. Und gerade, weil Sie so grausam sind, habe ich Sie nie gemocht. Es hat mir schon nicht gefallen, auf welch gemeine Weise Sie sich für die Kränkung an dem Prorektor gerächt haben.«

Alexej Stepanowitsch ging in der Höhle auf und ab und schüttelte seine Finger aus, die von der Arbeit ermüdet waren.

»Ja, natürlich. Fürst Bolkonski hätte sich nie so verhalten. Daher ist er auch kein Bonaparte geworden. Aber ich werde einer. Da ist es, mein Toulon.« Lentotschkin zeigte wieder mit dem Kopf auf die wunderbare Kugel. »Von diesem Stützpunkt aus kann ich die andere Kugel, die noch viel größer ist, aus den Angeln heben. Ach, ich hätte Ihnen damals mit der Stelze richtig eins überziehen sollen! Nur sechs Nächte habe ich mit der Kugel verbracht. Und jetzt muss ich mich davonmachen. Macht nichts, das, was ich jetzt habe, reicht für meine Zwecke.«

Er schlug sich an die Brust und blieb vor dem schwarzen Schlund des Stollens stehen. Er führte die Hand an den Mund und leckte die Handfläche ab – sie war voller aufgeplatzter Schwielen, aus denen das Blut tropfte. Doch nicht die Schwielen erregten Frau Lissizynas Aufmerksamkeit, sondern der merkwürdige längliche Gegenstand, der in Alexej Stepanowitschs Fingern blitzte.

»Was haben Sie denn da?«

»Das?« Er zeigte ihr einen schmalen Keil, der mit glitzernden Pünktchen übersät war. »Das ist eine mit Diamantstaub beschichtete Feile. Nur damit kann man Platin-Iridium abschaben. Die habe ich mir von unserem guten Ljampe ausgeliehen. Er ist natürlich ein kompletter Strohkopf, aber für die Idee des Kernspalters und die Analyse der Meteroritenmaterie bin ich ihm dankbar.«

Polina Andrejewna verstand weder, was das für eine Idee war, noch was »Meteoritenmaterie« bedeutete, doch sie fragte nicht weiter – erst jetzt erkannte sie, das Lentotschkin ihr mit seinem scheinbar ziellosen Herumlaufen in der Höhle den einzigen Fluchtweg abgeschnitten hatte.

»Werden Sie mich auch umbringen?«, fragte sie leise, und sie starrte wie gebannt auf die funkelnde Feile. »Wie Lagrange, wie Feognost, wie Ilari?«

Aljoscha presste die Hand an die Brust, als wolle er sich rechtfertigen.

»Wenn ich jemanden umbringe, dann nicht ohne Grund, sondern weil es nicht anders geht. Lagrange war selbst schuld, er hatte einen so harten Kopf, dass ich ihn nicht betäuben konnte, ich musste ihn erschießen. Feognost hinderte mich daran, in die Einsiedelei zu gelangen, er hielt meinen Platz besetzt. Und für Ilari hatten die Brüder doch ohnehin schon die Totenmesse gelesen . . .«

Seine weißen Zähne blitzten, und es wurde deutlich, dass der erfinderische Jüngling sich keineswegs rechtfertigte, sondern dass er sich lustig machte. Doch das Lächeln verschwand sogleich wieder, und er fragte mit ernster, erstaunter Stimme:

»Eines verstehe ich nicht. Was haben Sie denn erwartet, als Sie hierher kamen? Sie wussten doch bereits, dass Sie hier nicht den schwächlichen Ljampe, sondern mich finden würden! Haben Sie auf meine Ritterlichkeit gegenüber einer Dame gehofft? Das war vergebens. Sosehr ich es auch wünschte, aber ich kann Sie nicht am Leben lassen, Schwester. Ich brauche noch vierundzwanzig Stunden, um vom Archipel zu verschwinden.«