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Er seufzte betrübt, blinzelte aber gleich danach und zeigte mit einem breiten Lächeln seine Zähne – er hielt sie erneut zum Narren.

»Um die ganze Wahrheit zu sagen, selbst ohne diese Überlegung hätte ich Ihnen den Garaus gemacht. Sie tun mir ganz und gar nicht Leid, Sie durchtriebene Maus. Was brauche ich bei meinem künftigen wissenschaftlichen Ruhm eine Zeugin wie Sie?«

Alexej Stepanowitsch hob die Hand mit der Feile hoch, und die Feile sprühte bunte Funken, genau wie der Zauberstab im Märchen.

»Schauen Sie nur hin, Mademoiselle Pelagia. Ein wunderschöner Traum. Von solcher Schönheit den Tod zu empfangen – selbst Kleopatra hätte Sie beneidet. Und so scharf, sie wird Ihren rothaarigen Kopf ohne weiteres von einem Ohr zum ändern durchbohren. Ich werde Sie auf den Stapel legen, unter einen der vertrockneten Gerechten.« Träumerisch kniff Aljoscha die Augen zusammen. »Die Eremiten werden es nicht sofort bemerken. Erst wenn Sie verfaulen und anfangen zu stinken. Schließlich sind Sie keine Gerechte, also auch nicht unvergänglich!« Er brach in schallendes Gelächter aus. »Und für Sie ist es ein Trost. So kommen Sie wenigstens nach dem Tod unter einen Mann zu liegen.«

Polina Andrejewna wich ein Stück zurück, die Reisetasche wie einen Schild vor die Brust gepresst. Voller Panik tasteten ihre Finger nach dem Verschluss.

»Gehen Sie, Alexej Stepanowitsch. Laden Sie nicht noch mehr Schuld auf Ihre Seele, Sie haben auch so schon genügend Unheil angerichtet. Ich schwöre Ihnen in Christi Namen, dass ich vor morgen Nachmittag drei Uhr nichts unternehmen werde. Sie können die Insel morgen früh mit dem Paketboot verlassen.«

Sie knipste die vernickelten Kügelchen am Verschluss der Reisetasche auf und fuhr mit der Hand hinein. Darin lag, eingewickelt in ihre Unterhose, Lagranges Revolver. Sie würde natürlich nicht schießen, doch zur Einschüchterung würde der Revolver dienlich sein. Dann würde auch Aljoscha begreifen, was sie sich erhofft hatte, als sie allein in die gefährliche Höhle gekommen war.

Alexej Stepanowitsch machte ein paar rasche Schritte nach vorn, und Polina Andrejewna erkannte plötzlich, dass sie es nicht mehr schaffen würde, den Revolver aus der zarten Spitze auszuwickeln. Sie hätte ihn vorher herausnehmen müssen, als sie noch im Stollen war.

Sie duckte sich gegen die unebene Wand. Weiter zurückweichen konnte sie nicht.

Der falsche Mönch hatte keine Eile. Er baute sich vor der zusammengekauerten Frau auf, als messe er ab, wohin er schlagen solle – ins Ohr, wie er gedroht hatte, in den Hals oder in den Bauch.

Das Ol in der Lampe war beinahe heruntergebrannt und gab nur noch ganz wenig Licht. Hinter Aljoschas Rücken gähnte schwarz die vollkommene Finsternis.

»Was guckst du so düster?«, fragte Alexej Stepanowitsch grinsend. »Du wolltest deine Hörner ausprobieren, aber Gott hat dir keine gegeben? Wenn das so ist, hättest du nicht zur Corrida kommen sollen, du hornlose Kuh.« Er sang eine Weise aus einer modernen Oper und führte dabei seine Feile wie ein Torero den Degen: »Toreador, prends garde à toi!«

Plötzlich brach der Gesang ab, und er sackte in sich zusammen, als sei ein Knüppel auf seinen Lockenkopf heruntergesaust, unter dessen Schlag er weggeknickt war.

Ein wenig hinter der Stelle, an der gerade noch Aljoscha gestanden hatte, war ein langer schwarzer Schatten in einer spitz zulaufenden Kapuze zu erkennen. Polina Andrejewna wollte aufschreien, sog aber nur scharf die Luft ein.

»Die Regeln der Einsiedelei habe ich deinetwegen verletzt«, erklang die brummige Stimme des Eremiten Israil. »Ich habe in der Nacht meine Zelle verlassen. Ich habe die Sünde der Gewaltanwendung auf mich geladen. Und alles deshalb, weil ich weiß, dass Frauen deines Schlages starrsinnig und neugierig bis zur Unvernunft sind. Um keinen Preis wärst du in die Welt zurückgekehrt, ohne hier alles mit deiner sommersprossigen Nase ausgekundschaftet zu haben. Und nun, sieh nur, wie weit du gekommen bist. Das ist er, der Himmelssplitter, den wir Eremiten über hunderte von Jahren gehütet haben. Das ist ein Zeichen, das uns von unserem heiligen Gründer, dem gerechten Wassilisk, gesandt wurde. Aber sieh dich vor, zu niemandem ein Wort darüber. Abgemacht?«

Frau Lissizyna nickte nur schweigend, denn nach all diesen Schrecken hatte sie die Gabe der Rede noch nicht wiedergefunden.

»Und wer ist dieser Jüngling?«, fragte der Abt, während er sich auf seinen Stab gestützt über den am Boden liegenden Aljoscha beugte.

Sie kam nicht mehr dazu, ihm zu antworten.

Aljoscha bäumte sich auf und bohrte dem Einsiedler die Feile mitten in die Brust. Dann zog er sie wieder heraus und stach erneut zu.

Israil brach über seinem Mörder zusammen. Er tastete mit den Händen auf dem Boden herum, doch konnte er weder aufstehen noch seinen Kopf heben.

Lentotschkin benötigte nur wenige Augenblicke, um den knochigen Körper des alten Mönchs abzuschütteln und aufzustehen, doch das reichte Polina Andrejewna, um in die Mitte der Höhle zu laufen, den Revolver aus der Reisetasche zu holen und ihn aus der Spitze zu wickeln. Sie ließ die Reisetasche zu Boden fallen, umklammerte mit beiden Händen den geriffelten Griff des Revolvers und zielte auf Alexej Stepanowitsch.

Der blickte sie furchtlos an. Er grinste schief und rieb sich den verletzten Hinterkopf. Dann zog er dem Eremiten mühelos die Feile aus der Brust, als sei diese aus Butter.

»Können Sie mit einer Feuerwaffe umgehen, Schwesterchen?«, fragte Lentotschkin schalkhaft. »Wissen Sie, auf welches Knöpfchen Sie drücken müssen?«

Lässig kam er auf sie zugeschlendert. Die Diamantsplitter an der Feile waren jetzt dunkel vor Blut und glitzerten nicht mehr.

»Ja, das weiß ich! Das ist ein Revolver, Marke Smith & Wesson, Kaliber .45, sechsschüssig, mit Zentralfeuer und Double Action.« Frau Lissizyna sprudelte ihre dem Lehrbuch der Ballistik entnommenen Kenntnisse hervor. »Die Kugel wiegt drei Solotnik, Ausgangsgeschwindigkeit hundert Klafter in der Sekunde, durchschlägt ein dreizölliges Kiefernbrett aus zwanzig Schritt Entfernung.«

Nur schade, dass ihre Stimme sich dabei überschlug.

Aber das machte nichts, es wirkte auch so.

Alexej Stepanowitsch war reglos stehen geblieben. Verwirrt blickte er in die schwarze Öffnung des Laufs.

»Und wo ist der Colt, Kaliber .38?«, fragte Polina Andrejewna, die ihren Vorteil ausbaute. »Der, mit dem Sie Lagrange erschossen haben? Geben Sie her, aber langsam und mit dem Griff nach vorn.«

Als Aljoscha nicht gehorchte, sagte sie nichts weiter, sondern spannte den Hahn. Das Knacken, das ihr gar nicht so laut vorkam, dröhnte in der Stille der Höhle beeindruckend laut.

Der Mörder zuckte zusammen, ließ die Feile zu Boden fallen und hob die Hände hoch.

»Ich habe ihn nicht! Ich habe ihn ins Wasser geworfen, noch in derselben Nacht! Ich hätte ihn doch nicht im Palmenhaus verstecken können, am Ende hätte der Gärtner ihn noch gefunden.«

Die Ermittlerin hatte inzwischen Mut geschöpft und fuchtelte drohend mit dem langen Lauf herum:

»Sie lügen! Sie hatten doch auch keine Angst, das Gewand von Wassilisk zu verstecken!«

»Ach was – eine Kutte und ein Paar alte Stiefel. Wenn sie jemand gefunden hätte, hätte er sich nichts dabei gedacht. Ah!« Alexej Stepanowitsch schlug die Hände zusammen und starrte entsetzt an der Lissizyna vorbei auf eine Stelle hinter ihrem Rücken. »Wa . . . Wassilisk!«

Leider fiel Polina Andrejewna auf diesen nicht besonders raffinierten Bubenstreich herein – eine Dummheit macht auch der Gescheiteste. Sie drehte sich alarmiert um und starrte in die Finsternis. Vielleicht war ja der Schatten des heiligen Schutzpatrons wahrhaftig erschienen, um seinen Schatz zu verteidigen?