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Der Bischof, dem Bubenzow am Freitag, dem Tag nach seinen ersten Visiten, seine Aufwartung machte, empfing den ungebetenen Kontrolleur mürrisch, ließ sich nicht auf leeres Geplauder ein und fragte unumwunden, was für einen Zweck der Besuch des bevollmächtigten Synodalemissärs denn eigentlich habe. Bubenzow wechselte sogleich die Gesprächsrichtung (er hatte scheinheilig mit Zitaten aus der Heiligen Schrift begonnen) und legte bündig den Sinn seiner Mission dar:

»Bischöfliche Gnaden, Sie wissen bestens, dass die derzeitige Linie des Staates in Bezug auf die religiöse Ausrichtung Russlands darin besteht, die führende und wegweisende Rolle der Orthodoxie als der geistigen und ideellen Stütze des Imperiums allseitig zu stärken. Unser Reich ist groß, aber instabil, weil die einen sich mit drei Fingern bekreuzigen, die anderen nur mit zwei Fingern, die Dritten von links nach rechts, weil die Vierten Jehova anbeten und die Fünften gar Mohammed. Das Denken kann und soll verschieden sein, aber in einem Vielvölkerstaat, der seine Einheit wahren will, darf es nur einen Glauben geben, sonst erwarten uns Streit, Bruderzwist und der vollständige Verfall der Sittlichkeit. Das ist das Credo von Konstantin Petrowitsch, und der Zar vertritt dieselbe Ansicht. Daher die dringlichen Forderungen des Heiligen Synod an die Bischöfe derjenigen Gouvernements, in denen zahlreiche Andersgläubige und Schismatiker leben. Aus den westlichen, aus den baltischen, sogar aus den asiatischen Gouvernements berichten die Bischöfe jeden Monat über Tausende, Zehntausende Bekehrte. Nur aus Sawolshsk, wo die Ketzerei, der Islam und sogar das Heidentum blühen und gedeihen, kommen keine erfreulichen Nachrichten. Ich sage geradeheraus: Ich bin vor allem hergesandt worden, um herauszufinden, was der Grund für diese Passivität ist – Unfähigkeit oder Unwilligkeit.«

Bubenzow ließ eine angemessene Pause folgen und fuhr dann wesentlich milder fort:

»Ihre Untätigkeit schadet dem monolithischen Charakter des Imperiums und der Idee der russischen Staatlichkeit und ist ein schlechtes Beispiel für die anderen Bischöfe. Ich bin ganz offen zu Ihnen, Bischöfliche Gnaden, denn ich halte Sie für eine praktische Natur und durchaus nicht für den schöngeistigen Träumer, den einige Petersburger in Ihnen sehen. Lassen Sie uns also ohne équivoques sachlich miteinander sprechen. Sie und ich haben ein gemeinsames Interesse. Wir müssen hier im Transwolgaland dem wahren Glauben zu einem Triumph verhelfen – die Altgläubigen bis auf den letzten Mann in den Schoß der Orthodoxie zurückführen, die Baschkiren zu Tausenden taufen oder noch etwas ebenso Beeindruckendes. Das wird Ihnen helfen, Ihre Eparchie von der Ungnade zu befreien, und mir nützen, weil diese Ereignisse ein direktes Ergebnis meiner Reise sein werden.«

Bubenzow sah die Unzufriedenheit im Gesicht seines Gesprächspartners, nahm sie irrtümlich für Zweifel und fügte hinzu:

»Euer Bischöfliche Gnaden wissen nicht, wie das anzupacken wäre? Bitte sich nicht zu beunruhigen. Dafür bin ich ja hergesandt worden. Ich werde alles aufs Beste arrangieren. Nur werfen Sie mir keine Knüppel zwischen die Beine.«

Der Bischof, ein direkter Mann, antwortete im gleichen Ton ohne Umschweife:

»Ihr Credo ist schädlich und dumm. Konstantin Petrowitsch ist nicht erst seit gestern auf der Welt und weiß so gut wie ich, dass man niemanden gewaltsam zu einem neuen Glauben bringt, höchstens zur Befolgung von diesem oder jenem Ritual, und das ist im Sinne des monolithischen Charakters des Staates ohne jede Bedeutung. Ich nehme an, der Herr Oberprokuror verfolgt irgendwelche anderen Ziele, die mit dem Glauben nichts zu tun haben. Beispielsweise die Einführung von polizeilichen Leitungsmethoden auch in der geistlichen Sphäre.«

»Na und?«. Bubenzow zuckte gleichmütig die Achseln. »Wenn unser Imperium, Ihres und meines, Bestand hat, so nur dank der Willensanspannung der Machthabenden. Jeder Andersdenkende und Andersglaubende muss stets eingedenk sein, dass er unter Aufsicht und Beobachtung steht und dass man ihm keine Unbotmäßigkeit und keine Eigenmächtigkeit erlaubt. Freiheiten – das ist was für Gallier und Angelsachsen, doch unsere Kraft liegt in der Einheit und im Gehorsam.«

»Sie reden mir von Politik und ich Ihnen von der menschlichen Seele.« Mitrofani holte tief Luft und sagte dann Dinge, die besser ungesagt geblieben wären. »In meiner Eparchie gibt es wenig Neubekehrte, weil ich keinen Sinn darin sehe, Altgläubige, Muselmanen und deutsche Kolonisten zum orthodoxen Glauben herüberzulocken. Bei mir kann jeder glauben, an was er will, Hauptsache an Gott und nicht an den Teufel. Wenn sie nur ein frommes Leben führen, bin ich es zufrieden.«

Bubenzows Augen blitzten, er sagte freundlich, aber mit unverhüllter Drohung:

»Eine interessante Auffassung für den Bischof eines Gouvernements. Sie deckt sich keineswegs mit der Meinung Konstantin Petrowitschs und des Imperators.«

In diesem Moment wusste Mitrofani alles über seinen Besucher und dessen weitere Demarchen, darum stand er brüsk auf, zum Zeichen, dass das Gespräch beendet sei.

»Ich weiß. Deshalb teile ich Ihnen meine Auffassung ohne Zeugen mit, damit zwischen uns alles klar ist.«

Auch Bubenzow erhob sich und sagte mit einer Verbeugung:

»Nun, danke für die Offenheit.«

Er entfernte sich und verschonte fortan das Haus des Bischofs mit seinen Besuchen. Die Kriegserklärung war ausgesprochen und angenommen. Nun trat die Pause ein, die dem Beginn einer Schlacht vorauszugehen pflegt, und zu der Zeit, in der unsere Geschichte ihren Anfang nimmt, war die Windstille noch nicht beendet.

Bald nach dem erfolglosen Angriff auf die Glaubensfeste folgte der Vorstoß gegen die Stütze der Justiz. Bubenzow, von seinen mittlerweile schon zahlreichen Anhängern aufgeklärt, machte sich nicht an den Vorsitzenden des Gerichtshofes heran und nicht an den Staatsanwalt des Gouvernements, sondern an dessen Stellvertreter Matwej Benzionowitsch Berditschewski.

Die Unterredung fand im Adelsklub statt, in den Berditschewski aufgenommen war, gleich nachdem er auf Empfehlung des Barons von Gaggenau den Dienstadel erhalten hatte. Den Klub besuchte Berditschewski ziemlich oft, und nicht aus Dünkel, wie er Emporkömmlingen eignet, sondern aus einem ganz prosaischen Grund: In seinem kinderreichen Haus herrschte ein derartiges Tohuwabohu, dass selbst dieser kinderliebe Familienvater gelegentlich eine Atempause benötigte. Meistens saß er abends allein in der Klubbibliothek und spielte mit sich selber Schach, denn in unserer Stadt fand er keinen würdigen Gegner in diesem weisen Spiel.

Bubenzow trat zu ihm, stellte sich vor und bot eine Partie an. Er bekam das Recht des ersten Zugs, und eine Zeit lang herrschte in der Bibliothek völlige Stille, nur ab und zu knallten die Malachitfiguren aufs Brett. Zu Berditschewskis Erstaunen und Vergnügen war er an einen ernst zu nehmenden Gegner geraten, so dass er tüchtig zu tun hatte, bis seine Schwarzen die Oberhand gewannen.

»Einen kleinen Prozess bräuchten wir«, brach Bubenzow plötzlich seufzend das Schweigen.

»Wie meinen?«

»Sie und ich, wir sind doch Früchte vom gleichen Baum«, sagte Bubenzow herzlich. »Wir klettern nach oben und brechen uns die Fingernägel ab, und alle ringsum sind nur darauf aus, uns hinunterzustoßen. Sie sind ein zum Christentum Bekehrter und haben’s schwer. Gestützt werden Sie nur vom Gouverneur und vom Bischof. Doch ich versichere Ihnen, beide, namentlich der Letztere, werden sich nicht lange halten. Was wird dann aus Ihnen?« Er zog den Turm. »Gardez.«

»Einen kleinen Prozess?«, fragte Berditschewski zurück, dabei blickte er konzentriert aufs Brett und zupfte mit den Fingern an seiner langen Nase (eine unangenehme Angewohnheit bei ihm).

»Genau. Gegen die Altgläubigen. Wegen Gotteslästerung oder, besser, wegen Grausamkeit. Verhöhnung der rechtgläubigen Heiligtümer wäre auch nicht schlecht. Beginnen müsste man mit einem Kaufmann, einem möglichst angesehenen. Bei einem Reichen kommt der Geldsack stets vor dem Glauben. Wenn man ihn ordentlich unter Druck setzt, wird er seinen Vorteil erkennen und sich lossagen, und dann werden viele es ihm nachtun. Zurzeit kriegen ja wohl die Polizei und die Konsistorialen und auch Ihre Gerichtsleute von den Altgläubigen Schmiergeld, aber wir werden von ihnen nicht Geld verlangen, nein, wir verlangen, dass sie sich mit drei Fingern bekreuzigen, sie und ihre ganze Sippschaft. Na?«