»Der Esel, von dem ich dir gesprochen habe, bin ich selbst. Deinen dringenden Bitten nachgebend, aber mehr noch meiner eigenen Eitelkeit, die sich für einen Seelenhirten überhaupt nicht schickt, halte ich vor aller Welt geheim, dass die wahre Größe im Enträtseln und Durchschauen von Verborgenem nicht ich alter Dummkopf bin, sondern du, die stille Nonne Pelagia. Von mir, wie von jenem ruhmsüchtigen Esel, erwarten alle Wunder und neue Einsichten. Jetzt würde mir niemand mehr glauben, wenn ich erklärte, dass alles durch deinen Scharfblick aufgeklärt wurde und ich es dir als Kirchenbuße auferlegt habe.«
Die Stricknadeln hörten auf zu klappern, in den runden braunen Augen blinkten Lichter.
»Was ist geschehen, Vater? Gewiss nicht in unserem Gouvernement, sonst wüsste ich davon. Ist wieder, wie letztes Jahr in der Fastnachtswoche, Kirchengeld geraubt worden?«, fragte die Schwester mit ungeduldiger Neugier. »Oder ist, Gott behüte, eine geistliche Person gemeuchelt worden? Was für eine Kirchenbuße wird Euer Bischöfliche Gnaden mir diesmal auferlegen?«
»Nein, ein Mensch wurde nicht ermordet.« Mitrofani wandte sich verlegen ab. »Hier geht es um etwas anderes. Nicht um ein Verbrechen. Jedenfalls ist das nichts für die Polizei. . . Ich erzähle es dir, höre mir erst mal zu. Hinterher kannst du sagen, was du dazu meinst. Stricke nur. Stricke und höre zu.«
Er trat ans Fenster, und während er sprach, blickte er in den Garten und trommelte ab und zu mit den Fingern gegen den Rahmen.
»Nicht weit von hier, acht Werst wohl, liegt das Gut meiner Tante Marja Afanassjewna Tatistschewa. Sie ist schon sehr alt, doch früher einmal galt sie als eine der schönsten Frauen von Petersburg. Ich erinnere mich, als ich ein Junge war, kam sie uns öfters besuchen. Sie war jung und lustig, spielte Dame mit mir . . . Sie heiratete einen Offizier, einen Regimentskommandeur, zog mit ihm in verschiedene entlegene Garnisonen, dann nahm er seinen Abschied, und sie ließen sich hier in Drosdowka nieder. Ihr Mann Apollon Nikolajewitsch, der inzwischen verstorben ist, war ein leidenschaftlicher Hundenarr. Er unterhielt den besten Hundezwinger im Gouvernement, hatte Barsois, Jagdhunde, Vorstehhunde. Einmal kaufte er einen Welpen für tausend Rubel, so verrückt war er. Aber all das dünkte ihn noch zu wenig, er träumte davon, eine ganz besondere, nie da gewesene Rasse zu züchten. Mit diesem Vorhaben gab er sich den Rest seines Lebens ab. Er nannte die Rasse ›weiße russische Bulldoggen Sie hat ein Fell, weiß wie Milch, ein besonders platt gedrücktes Profil (die Hundezüchter haben dafür einen bestimmten Namen, ich habe ihn vergessen) und lange Haare um die Hängelefzen. Die hauptsächliche Besonderheit aber, die den ganzen Reiz ausmacht, ist das braune rechte Ohr bei durchweg weißem Fell. Ich weiß nicht mehr, worin der Sinn besteht. . . Ich glaube, als Apollon Nikolajewitsch bei der Gardekavallerie diente, hatten sie in der Schwadron die Mode, den Helm etwas schief aufzusetzen. Daran soll das Ohr wohl erinnern. Ach ja, noch etwas: Die Hunde sollen reichlichen Speichelfluss haben, zu welchem praktischen Zweck, weiß ich nicht. Kurzum, grauenhaft hässliche Scheusale. Apollon Nikolajewitsch verfuhr folgendermaßen. Er ließ alle Herrenhäuser in ganz Russland, wo Bulldoggen gehalten wurden, wissen, dass sie Albinowelpen nicht wie üblich ersäufen, sondern an Generalmajor Tatistschew senden sollten, der die ausgemusterten Tiere für gutes Geld kaufen wolle. Weiße Welpen, noch dazu mit braunem rechtem Ohr, werden bei Bulldoggen sehr selten geboren. Ich weiß es nicht mehr, obwohl ich es viele Male vom Onkel und von der Tante hörte. Vielleicht einmal bei jedem hundertsten Wurf. Mein Onkel sammelte also diese Missgeburten, zog sie auf und kreuzte sie untereinander. Dabei kamen ganz gewöhnliche rötliche Welpen heraus, aber vereinzelt auch weiße mit braunem Ohr. Die suchte er wieder heraus und kreuzte sie, achtete auch darauf, dass sie Hängelefzen und starken Speichelfluss hatten. Die besondere Schwierigkeit war natürlich das verflixte Ohr. Er musste sehr viele aussondern. Und so ging es von Generation zu Generation. Als der Onkel verstarb, war er seinem Traum schon näher gekommen, befand sich aber noch immer auf halbem Wege. Auf dem Sterbebett trug er seiner Frau als Vermächtnis auf, das Begonnene zu Ende zu führen. Und Marja Afanassjewna war eine wahrhaft goldwerte Ehefrau. Aus der einstigen mondänen Verführerin war eine Kommandeursgattin und Mutter und dann auch eine Gutsbesitzerin geworden. Und das alles war sie von Herzen gern, brauchte sich nicht zu verstellen. Dieses Frauentalent hatte Gott ihr geschenkt. Hätte ihr Mann ihr nicht vor seinem Tod diesen Auftrag gegeben, so wäre sie wohl nicht mit ihrem Kummer fertig geworden. So aber kam sie darüber hinweg, ihre Witwenschaft währt nun schon zwanzig Jahre, sie ist stark und tätig und von munterem Wesen. Alle ihre Gespräche, alle ihre Vorhaben drehen sich nur um das Hundethema. Ich habe ihr schon vorgeworfen, ihre Hundeliebe sei übertrieben, aber sie hört nicht auf mich. Einmal habe ich sie im Scherz geneckt:
›Tantchen, und wenn nun Luzifer käme und um Ihre christliche Seele bäte, im Tausch gegen einen gänzlich weißen Welpen, würden Sie darauf eingehen?‹ – ›Gott bewahre, Mischa‹, hat sie gesagt, ›was redest du da?‹ Doch dann verstummte sie und dachte nach. Pelagia, ich sage dir, das ist kein Spaß mehr! Wie dem auch sei, sie hat das Werk ihres verstorbenen Mannes fortgeführt, hat sich der Züchtung der weißen russischen Bulldogge verschrieben und auch Erfolge erzielt. Besonders was die Hängelefzen, den Speichelfluss und die Plattmäuligkeit betrifft. Mit dem Ohr ist es schwieriger. An idealen Exemplaren hat sie es bis jetzt auf drei Rüden gebracht: den Großvater Saguljai, der ist schon alt, fast neun Jahre, ferner seinen Sohn Sakidai, vier Jahre, und schließlich Saguljais Enkel Sakussai, der zu ihrer Freude vor zwei oder drei Monaten geboren wurde. Der ist in jeder Beziehung makellos, darum hat die Tante alle übrigen, unvollkommenen Hunde ersäufen lassen, damit sie die Rasse nicht verderben, und zur Aufzucht nur die drei behalten. Oh, ich vergaß noch zwei wesentliche Merkmale: Sie müssen krummbeinig sein und schwarz gesprenkelte rosa Nasen haben. Sehr wichtig . . .«
Hier fühlte sich der Bischof in einer ganz dummen Lage, er stockte und warf einen Seitenblick auf die Nonne. Die bewegte die Lippen, zählte die Maschen, ließ kein Befremden erkennen.
»Hier hast du, kannst selber lesen. Der Brief ist gestern gekommen. Wenn du sagst, die alte Frau ist nicht mehr ganz richtig im Kopf, schreibe ich ihr was Beruhigendes, und die Sache hat sich.«
Mitrofani holte den Brief aus dem Ärmel des Untergewands und gab ihn Pelagia.
Die Schwester drückte mit der Fingerspitze den Brillensteg gegen die Nasenwurzel und begann zu lesen. Als sie fertig war, fragte sie beunruhigt:
»Wer hat ein Interesse daran, die Hunde zu vergiften? Und warum?«
Diese ernsthafte Frage ließ den Bischof erleichtert aufatmen, und seine Verlegenheit schwand.
»Ja, warum, das ist es eben. Urteile selbst. Marja Afanassjewna ist eine reiche alte Frau, und an Erben ist kein Mangel. Ihre Kinder sind verstorben, doch da sind Enkel und Enkelin, die jungen Fürsten Telianow. Außerdem gibt es eine weitläufige Verwandtschaft, alle möglichen Kostgänger, allerlei Freunde. Sie ist eine gutmütige Frau, aber zänkisch. Und sie hat eine starrsinnige Gepflogenheit: Nachgerade jede Woche bestellt sie den Advokaten aus der Stadt und setzt ein neues Testament auf. Hat sie sich über jemanden geärgert, so streicht sie ihn, und war ihr jemand gefällig, so erhöht sie seinen Anteil. Und hier setzt meine Überlegung an. Du müsstest herausfinden, Pelagia, wen sie das letzte Mal testamentarisch begünstigt oder, im Gegenteil, wem sie Enterbung angedroht hat. Einen anderen Sinn kann ich hinter dieser irren Hundevergifterei nicht erkennen, als dass jemand auf diese Weise die Frau ins Grab bringen will. Du hast gelesen, dass sie wegen des Hundes krank geworden ist. Wären beide krepiert, so würde es Marja Afanassjewna nicht überlebt haben. Wie findest du meine Theorie?«, fragte der Bischof besorgt seine scharfsinnige Schülerin. »Ist sie vielleicht zu unwahrscheinlich?«