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»Ja, ich erinnere mich.« Der Bischof nickte. »Du hast gesagt, dass da ein Geheimnis walte, das du noch klären müsstest.«

»Das war dumm von mir, unvorsichtig«, sagte Pelagia, senkte bescheiden die Augen und fügte hinzu: »Also hat Bubenzow meine Fähigkeiten hoch eingeschätzt, wenn er mich ausschalten wollte.«

Mitrofani donnerte drohend:

»Gott ist barmherzig und verzeiht alle möglichen Untaten, sogar noch schlimmere als diese. Aber ich bin nicht Gott, sondern ein sündiger Mensch, und deinetwegen werde ich Bubenzow zu Staub zermahlen. Sage mir nur, kann ich nach dem Gesetz handeln oder muss ich mir andere Mittel einfallen lassen? Du hast doch beide Male nicht gesehen, wer dich überfallen hat. Also gibt es auch keine Beweise?«

»Nur indirekte.«

Pelagia fühlte sich so weit gekräftigt, um sich im Bett aufzusetzen. Der Bischof schob ihr ein Kissen in den Rücken.

»Wir haben drei Verbrechen, die eindeutig miteinander zu tun haben: Zuerst wurden Vater und Sohn Wonifatjew ermordet, dann Arkadi Poggio, dann Naina Telianowa und ihr Dienstmädchen«, erklärte Pelagia. »Aus den schon genannten Gründen gehört Bubenzow in allen drei Fällen zu den Verdächtigen. Richtig?«

»Aber bei all diesen Ereignissen waren auch noch andere in der Nähe«, wandte der Bischof ein. »In Drosdowka und auf der Abendgesellschaft der Postmeistersgattin waren außerdem Schirjajew, Pjotr Telianow, Sytnikow und dieser Reimeschmied, wie heißt er gleich . . . Krasnow! Sie alle hätten Gründe haben können, Wonifatjew und seinen Sohn umzubringen. Und die übrigen zwei Morde geschahen aus Angst vor Entlarvung.«

»Richtig, Vater. Aber Pjotr Telianow scheidet aus, weil er an dem Tag, an dem die Wonifatjews zu Sytnikow kamen, noch in der Stadt war. Das wurde in meinem Beisein erzählt, ich habe es mir gemerkt. Was Krasnow und Sytnikow angeht, so hätten sie Wonifatjew natürlich töten können. Der Erste wegen der fünfunddreißigtausend. Der Zweite . . . na, sagen wir, weil er sich mit seinem Gast in die Haare geraten war. Aber der Haken dabei ist, dass die Fürstin weder den einen noch den anderen gedeckt hätte.«

»Einverstanden. Aber was ist mit Schirjajew?«, fragte der Bischof mehr der Ordnung halber.

»Vater, wir hatten doch schon festgestellt, dass er den Mord in der Warrawkin-Gasse nicht begehen konnte, weil er noch in Haft war.«

»Ja, richtig. Also konnte außer Bubenzow niemand alle drei Morde verüben?«

»So ist es. Aber nicht drei Morde, sondern fünf«, berichtigte Pelagia. »Denn der erste und der letzte waren Doppelmorde. Bei gründlicher Überlegung bleibt als Verdächtiger nur Bubenzow. Bedenken Sie, dass er in der Nacht, in der Poggio ermordet wurde, ganz allein war; Murad Dshurajew zog stockbetrunken durch die Kneipen, und der Sekretär Selig versuchte, den Raufbold zur Vernunft zu bringen. Vielleicht hatte Bubenzow seinen Diener zum Trinken verleitet, weil er wusste, wie das enden würde?«

Die Nonne breitete die Arme aus.

»Das ist alles, was wir haben. Unter gewöhnlichen Umständen wäre es ausreichend für eine Verhaftung, aber Bubenzow ist ein besonderer Fall. Selbst wenn Berditschewski einen Haftbefehl ausstellt, fürchte ich, dass Polizeimeister Lagrange ihn nicht ausführt. Er wird sagen, es gäbe keine eindeutigen Beweise. Für ihn ist Bubenzow Zar und Gott in einem. Nein, aus der Verhaftung wird nichts.«

»Das muss dich nicht bekümmern«, sagte Mitrofani. »Du hast dein Teil getan. Ruh dich jetzt aus und sammle Kräfte. Ich ordne an, dass du nicht behelligt wirst, und wenn du etwas brauchst, ziehst du an dieser Samtschnur. Dann kommt sofort ein Zellendiener und erfüllt dir jeden Wunsch.«

Der Bischof zeigte, wie sie an der Schnur ziehen musste, und gleich darauf erschien im Türspalt ein fades Gesicht mit dünnem Bart und schwarzer Kappe.

»Patapi, schick nach Matwej Berditschewski. Und zwar hurtig.«

Matwej Berditschewski war sehr aufgeregt.

Nicht wegen des Polizeimeisters – der war butterweich. Das heißt, zuerst, als er den Haftbefehl sah, war er kreideweiß geworden und ins Schwitzen gekommen, doch dann setzte Berditschewski ihm auseinander, dass nach dem Scheitern der Syten-Angelegenheit der Synodalinspektor sowieso erledigt war, und da fasste Lagrange Mut und nahm sich der Sache mit äußerster Umsicht an.

Nicht Zweifel an der Loyalität der Polizei beunruhigten den Staatsanwalt, sondern die große Verantwortung und mehr noch die Fragwürdigkeit der Beweise. Eigentlich gab es fast keine Beweise, nur Verdachtsmomente, auf denen keine wirkliche Anklage aufzubauen war. Nun, Bubenzow war an dem einen wie an dem anderen Tatort gewesen, er konnte den einen wie den anderen Mord begangen haben, doch was folgte daraus? Ein guter Verteidiger würde solche Mutmaßungen zerpflücken. Hier musste größere Vorarbeit geleistet werden, und Berditschewski war nicht sicher, ob er das schaffen würde. Für einen Moment beneidete er sogar die Ermittler früherer Zeiten. Die hatten es leicht gehabt. Man schnappte einen Verdächtigen, legte ihn auf den Streckbock, und er gestand ganz von selbst. Natürlich dachte der fortschrittliche und zivilisierte Berditschewski nicht im Ernst an Folter, doch ohne ein Geständnis des Angeklagten war hier nichts zu machen, und das war von Bubenzow nicht zu erwarten. Berditschewski setzte seine ganze Hoffnung auf das Verhör von Bubenzows Spießgesellen Selig und Dshurajew. Man musste jeden einzeln bearbeiten, vielleicht ergaben sich irgendwelche Widersprüche, Angriffspunkte, Fäden, an denen man ziehen und womöglich das ganze Knäuel entwirren konnte.

Ein Fluchtversuch wäre gut, noch besser Widerstand bei der Verhaftung, träumte Berditschewski vor sich hin, als sie schon zur Festnahme fuhren.

Für alle Fälle – immerhin ging es um die Verhaftung eines Mörders – hatten sie die Operation nach allen Regeln der Kunst vorbereitet. Lagrange hatte drei Dutzend Polizisten zusammengeholt, ihnen befohlen, die Revolver zu fetten, und höchstselbst überprüft, ob sie noch wussten, wie man damit schießt. Bevor sie losfuhren, hatte der Polizeimeister einen richtigen Plan auf Papier gezeichnet.

»Der Kreis hier, Matwej Benzionowitsch, ist der Platz. Die punktierte Linie ist die Umzäunung, dahinter der Hof des ›Großfürsten‹. Das große Quadrat ist das Hauptgebäude des Hotels, das kleine der Generalsflügel. Bubenzow ist dort, meine Männer haben das überprüft. Die Hälfte der Leute stelle ich auf den Platz, die übrigen verstecken sich hinter der Umzäunung. Hinein gehen nur wir beide und noch zwei, drei Männer . . .«

»Nein«, unterbrach ihn Berditschewski. »Ich gehe allein hinein. Wenn wir mit solch einer Meute anrücken, sehen sie uns durchs Fenster und vernichten, Gott behüte, die Beweise, die ich dort zu finden hoffe. Ich tue so, als wollte ich Bubenzow eine Visite abstatten. Dann sage ich ihm, dass der Gouverneur ihn umgehend zu sprechen wünsche. Aber sowie ich mit ihm auf den Hof herauskomme, nehmen wir den Guten fest. Sollte etwas schief gehen, rufe ich, damit Sie mir zu Hilfe kommen.«

»Warum wollen Sie Ihre Kehle anstrengen?« Der gezähmte Lagrange schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Da haben Sie meine Trillerpfeife. Pfeifen Sie, und schon stehe ich vor Ihnen, wie aus der Erde gewachsen.«

Doch außer sachlichen Erwägungen hatte Berditschewski auch persönliche Gründe, Bubenzow eigenhändig zu ergreifen. Er wollte dem infamen Petersburger gar zu gern den denkwürdigen Nasenstüber heimzahlen. Voller Vorfreude, unwürdig eines Christenmenschen, aber darum nicht weniger süß, malte er sich aus, wie Bubenzows hochmütige Visage erbleichte und sich verzerrte, wenn er, Berditschewski, lässig hinwerfen würde:

»Legen Sie, bitte schön, die Hände auf den Rücken. Ich erkläre Sie für verhaftet.«