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Oder noch besser, in weltmännischem Ton:

»Sehen Sie, mein Herr, Sie sind verhaftet. Wie fatal.«

Doch als er nun allein den Hof überquerte, war ihm nicht wohl. Im Bauch krampfte es, und die Kehle war trocken.

Um sich Mut zu machen, blieb er kurz auf der Vortreppe des Flügels stehen. In dem schmucken eingeschossigen Häuschen befand sich das beste Appartement des Hotels, vorgesehen für hochmögende Personen, die in staatlichem Auftrag das Gouvernement bereisten, desgleichen für Wohlhabende, die es als anstößig empfanden, mit den übrigen Hotelgästen unter einem Dach zu nächtigen.

Die Stores im Flügel waren zugezogen, und Berditschewski bekam einen Schreck – womöglich hatte sich Lagrange geirrt, und Bubenzow war gar nicht da?

Die Angst um das Gelingen des Plans vertrieb die nervliche Schwäche, und Berditschewski, der eigentlich erst läuten wollte, stieß einfach die Tür auf und ging hinein.

Von der Diele kam er in ein großes Zimmer, voll gestellt mit offenen Truhen und Koffern. An einem Tisch saßen Selig und Dshurajew und schoben auf einem Brett weiße und schwarze Steine hin und her. Wahrscheinlich Nardy, mutmaßte Berditschewski, der nur Schach und Preference gelten ließ.

»Melden Sie Herrn Bubenzow, dass der steilvertretende Staatsanwalt Berditschewski ihn unverzüglich zu sprechen wünscht«, sagte er in eisigem Ton zu dem Sekretär.

Der verneigte sich ehrerbietig und verschwand hinter der Tür, die zu den inneren Gemächern führte. Der Tscherkesse warf einen flüchtigen Blick auf den Besucher und starrte wieder auf das Brett, wobei er Unverständliches vor sich hin brabbelte. Bemerkenswert war, dass der Wilde nicht einmal im Raum die Pelzmütze und den Dolch ablegte.

Selig kam zurück und sagte:

»Wenn ich bitten darf.«

Bubenzow saß missgelaunt am Tisch und schrieb etwas. Er erhob sich nicht und grüßte nicht. Nur für einen Moment riss er den Blick vom Papier und fragte:

»Was wollen Sie?«

Diese unverhohlene Flegelhaftigkeit beruhigte Berditschewski vollends, denn er wusste: Hunde, die bellen, beißen nicht. Bubenzow konnte nicht mehr zubeißen, seine Beißerchen waren stumpf geworden.

»Gedenken Sie abzureisen?«, erkundigte sich Berditschewski höflich.

»Ja.« Bubenzow warf wütend den Federhalter hin, und auf das grüne Tuch spritzte Tinte. »Da der Gouverneur auf Ihren Antrag hin die Ermittlung einstellen ließ, habe ich hier nichts mehr zu tun. Macht nichts, meine Herren Sawolshsker, ich fahre nach Petersburg und komme wieder. Und dann nehme ich euer Armenhaus auseinander.«

Noch nie hatte Berditschewski den Synodalinspektor so gereizt gesehen. Wo war nur dessen träge Herablassung geblieben?

»Das wird nicht gehen«, sagte Berditschewski scheinbar bekümmert und seufzte.

»Was wird nicht gehen?«

»Abzureisen.« Berditschewski spielte sich in seine Rolle ein und breitete die Arme aus. »Der Gouverneur bittet Sie, ihn umgehend aufzusuchen. Ja, er befiehlt es.«

»Befiehlt?«, brauste Bubenzow auf. »Ich pfeife auf seine Befehle!«

»Wie belieben, aber Seine Exzellenz haben angeordnet, dass Sie das Gouvernement nicht verlassen dürfen, solange Sie keine zufrieden stellende Erklärung abgeben hinsichtlich der ungesetzlichen Inhaftierung der Syten-Ältesten und der Tötung der drei Syten, die ihre Ältesten zu befreien versuchten.«

»Blödsinn! Alle wissen, dass die Syten mit der Waffe in der Hand die Vertreter der Macht angegriffen haben. Die sind selber schuld. Und was die ungesetzliche Inhaftierung der Ältesten angeht – das werden wir noch sehen. Sie decken Götzenanbeter? Na schön, der Oberprokuror wird Sie dafür zur Rechenschaft ziehen.« Bubenzow erhob sich und legte den Gehrock an. »Zum Teufel mit Ihnen. Ich werde bei Ihrem Gaggenau vorbeifahren. Nicht seinetwegen, sondern wegen Ljudmila Platonowna. Ein nettes Frauchen. Ich werde ihr zum Abschied das Händchen küssen.«

Bubenzows Augen bekamen einen unguten Glanz – offensichtlich beabsichtigte er, dem Gouverneur zu guter Letzt noch einen demütigenden Streich zu spielen.

Das könnte Ihnen so passen, dachte Berditschewski und unterdrückte mit Mühe ein triumphierendes Lächeln. Da haben Sie sich geschnitten, mein Herr.

Sie gingen. Die Spießgesellen des Inspektors spielten nicht mehr Nardy. Selig war mit dem Gepäck beschäftigt, der Tscherkesse stand am Fenster und spähte auf den Hof.

Plötzlich geschah etwas Unverhofftes. Mehr noch – etwas Unwahrscheinliches und Unvorstellbares.

Mit zwei katzenhaften Sprüngen war Dshurajew bei Berditschewski und packte ihn mit seinen kurzen eisenharten Fingern an der Gurgel.

»Värrat!«, schrie er heiser. »Wolodja, gäh nicht. Ein Hinterhalt!«

»Was faselst du?« Bubenzow starrte ihn an. »Bist du übergeschnappt? «

Berditschewski zog die Pfeife aus der Tasche und blies aus aller Kraft hinein. Im nächsten Augenblick ertönte auf dem Hof das Getrappel vieler Stiefel.

Mit einem Schlag seiner sehnigen Hand streckte der Kaukasier Berditschewski zu Boden, stürzte zu einem der Koffer und griff sich einen langläufigen Revolver.

»Halt!«, schrie Bubenzow, aber zu spät.

Dshurajew hatte mit dem Lauf die Fensterscheibe eingeschlagen und feuerte dreimal hinaus. Gellendes Geheul, und im nächsten Moment wurde vom Hof zurückgeschossen, in so dichter Folge, dass von den Wänden und der Decke Stuck spritzte, auf dem Klavier eine Vase mit Chrysanthemen zersprang und die Wanduhr plötzlich mit verzweifeltem Getöse auseinander flog.

Selig ließ sich auf den Boden plumpsen und kroch zur Tür. Bubenzow ging in die Hocke. Als die Schießerei ein wenig nachließ, sagte er verächtlich:

»Murad, du bist ein Esel! Nun löffle die Suppe auch aus, die du dir eingebrockt hast. Ich gehe durch den Hinterausgang zum Pferdestall. Dann reite ich nach Petersburg. Das schaff ich schon. Und du feure noch ein bisschen, damit ich wegkomme, und ergib dich dann. Ich werde dich herausholen. Verstanden?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er in gebückter Haltung. Selig kroch ihm auf dem Bauch hinterher.

»Värstanden, Wolodja, nicht so schwär«, sagte der Tscherkesse leise. »Aber Murad kann sich nicht ärgäbän.«

Er zielte und schoss. Im Hof schrie wieder jemand, und darauf folgten Salven. Einen günstigen Moment abpassend, feuerte der Kaukasier noch einmal, aber diesmal hatte er kein Glück. Die Mütze fiel vom kahl rasierten graublauen Schädel, und auf der Wange hatte sich eine rote Furche eingekerbt, aus der Blut sickerte. Murad wischte mit dem Ärmel seines schmutzigen Beschmet wütend das Blut weg und schoss über das Fensterbrett.

Berditschewski focht einen qualvollen inneren Kampf aus. Auf der einen Seite war lediglich die Pflicht, auf der anderen waren die Ehefrau, zwölf (eigentlich schon fast dreizehn) Kinderchen und als Zugabe das eigene Leben. Die Gewichte waren ungleich verteilt. Berditschewski beschloss, sich still zu verhalten, schließlich konnte man Bubenzow immer noch verfolgen. Aber kaum hatte er diesen rettenden Entschluss gefasst, trat eine Kampfpause ein, und sich bekreuzigend schrie er verzweifelt:

»Lagrange, Hinterausgang!«

Murad drehte sich drohend um, und Berditschewski sah ein riesiges schwarzes Loch, das direkt auf seine Nasenwurzel starrte. Trocken knackte der Hahn, dann noch einmal, der Tscherkesse fluchte in seiner Sprache und warf den nutzlosen Revolver weg.

Doch die wundersame Rettung war ein Trugschluss, denn der Kaukasier zückte seinen gewaltigen Dolch und stürzte sich auf den armen Berditschewski. Der schlug den furchtbaren Menschen auf den Wangenknochen, aber das war, als schlage die Faust gegen Stein. Gebannt von dem geheimnisvollen Geflimmer der breiten Klinge, erstarrte der stellvertretende Staatsanwalt.

Der Tscherkesse packte seinen Gefangenen am Genick, setzte ihm den kalten Stahl an die Gurgel und sagte, einen Geruch von Blut und Knoblauch verströmend: