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Seligs Aussage wurde auf ganz empörende und ungehörige Weise unterbrochen.

Die nachlassende Wachsamkeit der Polizisten ausnutzend, schwang sich Bubenzow leicht, ja, graziös über die Barriere, flog auf seinen ungetreuen Spießgesellen zu und schlug ihn mit aller Kraft aufs Ohr, warf ihn sodann zu Boden und krallte ihm die kleinen, aber eisenharten Hände in die Kehle.

Die Polizisten eilten Selig zu Hilfe, es kam zu einer abscheulichen Szene, und die Verhandlung musste unterbrochen werden.

Als der Prozess weiterging, saßen die beiden Angeklagten getrennt, Bubenzow außerdem zwischen zwei Polizisten und mit Handfesseln. Das Aussehen des Inspektors war gar nicht mehr synodaclass="underline" Auf der Stirn prangte ein großer Bluterguss, der Kragen war zerrissen, die Augen glänzten fiebrig, kurzum, ein wahrer Satan.

Selig hatte noch mehr gelitten. Ein Ohr war geschwollen und stand ab, die Nase glich einer Rübe (Bubenzow hatte es noch fertig gebracht, seine Zähne hineinzuschlagen), am schlimmsten aber war, dass er nicht mehr reden konnte, denn die eisernen Finger des Inspektors hatten ihm den Kehlkopf beschädigt. Selig machte zwar den Versuch, aber sein Geächze und Gekrächze war nicht zu verstehen, und der Vorsitzende Richter beschloss, den Ärmsten nicht weiter zu quälen, zumal der Fall ohnehin klar war.

Der Richter fragte mehr der Ordnung halber, ob von den Anwesenden noch jemand über Kenntnisse verfüge, die geeignet seien, die Anklage oder die Verteidigung zu unterstützen.

In diesem Moment übergab ihm der Gerichtsdiener einen Zettel. Der Richter las ihn, hob erstaunt die Brauen, zuckte die Achseln und verkündete:

»Es hat sich noch ein Zeuge gemeldet. Genauer, eine Zeugin. Pelagia Lissizyna. Laut Gesetz bin ich verpflichtet, ihr das Wort zu erteilen. Möchten Sie die Anklage unterstützen?«

Er blickte über den Brillenrand in den Saal, um zu sehen, ob sich jemand erhob.

Unruhe im Publikum, denn die Zeugin erhob sich hinter dem Richtertisch aus einem der Sessel für die Ehrengäste.

Die kleine Gestalt in Schwarz wurde murrend empfangen. Alle waren müde vom langen Sitzen und von den Gemütsbewegungen, und was konnte jetzt noch Neues kommen? Mehr als lebenslängliche Zwangsarbeit würde der Angeklagte ohnehin nicht erhalten, aber auch keinesfalls weniger. Selbst der Bischof schüttelte missbilligend den Kopf, wohl in der Annahme, seine geistliche Tochter sei der Versuchung eitler Ruhmsucht erlegen.

Pelagias Rede war nicht lang, aber von entscheidender Bedeutung für den Prozess, darum wollen wir sie vollständig und wortwörtlich anführen und lassen vorübergehend das leidenschaftslose Protokoll sprechen. Gerichtsstenograf war der Sohn unseres Priors, Leonid Krestowosdwishenski, ein sehr befähigter Jüngling, dem viele eine glänzende literarische Laufbahn Voraussagen, doch das Protokoll verfertigte er äußerst penibel, ohne Ausschmückung, ließ sich höchstens hin und wieder zu einer Anmerkung hinreißen, so dass dieses offizielle Dokument ein wenig an ein Theaterstück erinnert. Hinzugefügt sei nur, dass Pelagia sehr leise sprach, so dass in den hinteren Reihen viele nicht alles verstanden.

Also, nachdem die Zeugin den Eid gesprochen hatte, machte sie ihre Aussage.

»Lissizyna: Herr Richter, Herren Geschworene, Bubenzow hat die Morde, die ihm zur Last gelegt werden, nicht begangen.

Im Saal Lärm und Geschrei. Bei den Geschworenen Aufregung.

Vorsitzender: Eine interessante Erklärung. Wer war es dann?

Lissizyna: Bubenzow ist natürlich ein Unmensch, Bischöfliche Gnaden hat das alles sehr richtig beschrieben, aber er ist kein Mörder. Die Wonifatjews, den Photokünstler, Naina Telianowa und ihr Stubenmädchen hat dieser Mann dort getötet. Auch mich hat er zweimal versucht umzubringen, aber der Herr hat mich bewahrt.

Sie zeigt auf den Angeklagten Selig. Der will etwas rufen, ist aber wegen seines beschädigten Kehlkopfs dazu nicht imstande. Tumult im Saal.

Vorsitzender (das Glöckchen läutend): Was für Begründungen haben Sie für eine solche Erklärung?

Lissizyna: Darf ich zuerst erklären, warum Bubenzow nicht der Mörder ist? Zunächst die Sache mit den Köpfen . . . Mir hat keine Ruhe gelassen, dass Bubenzow Nainas Anspielungen und Drohungen so ruhig aufnahm und die junge Frau mit seiner Gleichgültigkeit nur noch mehr aufbrachte. Weshalb sollte er so mit dem Feuer spielen? Ein Wort von ihm hätte genügt, und sie wäre ganz fügsam geworden. Unverständlich. Andererseits hätte die Fürstin keinen anderen als Bubenzow in dieser schrecklichen Angelegenheit gedeckt, und aus ihrem Auftreten war ersichtlich, dass sie etwas Besonderes über ihn wusste. Heute, als Seine Bischöfliche Gnaden unsere Aufmerksamkeit auf diesen Umstand lenkte und nachwies, dass der Verdacht gegen Murad Dshurajew unbegründet ist, fiel mir plötzlich ein, was Naina nach dem Untersuchungsexperiment zu Bubenzow sagte. ›Derselbe Havelock, dieselbe Schirmmütze. Wie sie im Mondlicht geblinkt hat . . .‹ Keiner der Anwesenden konnte mit diesen Worten etwas anfangen, es waren ja auch alle daran gewöhnt, dass die Fürstin in Rätseln sprach. Aber jetzt ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Als Naina das sagte, ging Bubenzow schon zur Tür, und sie sah ihn von hinten. Verstehen Sie?

Vorsitzender: Gar nichts verstehe ich. Aber fahren Sie fort.

Lissizyna: Ja doch! Ich sehe jetzt ganz deutlich, wie alles war. In der Nacht, in der die Wonifatjews ermordet wurden, ging Naina im Park spazieren. Vielleicht hoffte sie, Bubenzow würde herauskommen, doch der war zu dieser Zeit schon gegen sie abgekühlt, da er einen Plan ausgeheckt hatte, sich ohne ihr Zutun das Erbe von Frau Tatistschewa zu erschleichen. Vielleicht konnte sie auch aus verständlicher Erregung nicht schlafen. Da sah sie plötzlich zwischen den Bäumen Bubenzow, genauer, seine Silhouette: Havelock, die bekannte Schirmmütze. Wahrscheinlich rief sie ihn nicht an, weil er zu weit weg war. Bubenzow benahm sich so geheimnisvoll, dass die Fürstin beschloss, sich nicht zu erkennen zu geben und ihm zu folgen. Ich weiß nicht, ob der Mörder zu diesem Zeitpunkt die Leichen bereits in den Fluss geworfen hatte, aber dass er die abgeschnittenen Köpfe vergrub, hat Naina zweifellos gesehen. Als empfindsame, phantasiebegabte Frau hielt sie diese unwahrscheinliche Szene sicherlich für ein mystisches Ritual. Oder sie erstarrte vor Entsetzen, was unter solchen Umständen auch natürlich wäre. In diesem Zustand – eine Mischung von Entsetzen und Erstarrung – sah ich sie drei Tage später, als ich nach Drosdowka kam. Naina Telianowa hütete geflissentlich das Geheimnis der vergrabenen Köpfe, wofür sie sogar die weißen Bulldoggen töten musste, an denen ihre Großmutter so hing. Dennoch hatte Bubenzow sie sehr verstört. Als er aber wieder in Drosdowka erschien und darüber sprach, dass er die Ermittlung gegen die blutgierigen Heiden aufgenommen hatte, dachte sie, jetzt seinen Plan verstanden zu haben: einen ungeheuerlich dreisten und hinreißend unmenschlichen Plan. Damals sprach sie auch vom Dämon. Wahrscheinlich fand sie, dass satanische Spiele mit dem Schicksal von Menschen eine weitaus berauschendere Kunst seien als Theater und Malerei. Sie ist nicht die Erste, die dieser Versuchung erlag.