Выбрать главу

Annabeths Kämpfer lächelte nicht mehr. Er zog einen Wurfspeer und richtete ihn auf mich.

Er wollte ihn gerade schleudern, als wir die Schreie hörten.

Die Tauben schwärmten aus. Tausende von ihnen machten sich im Sturzflug über die Zuschauer her und griffen die anderen Wagen an. Beckendorf wurde überfallen. Sein Kämpfer schlug um sich, konnte aber nichts sehen. Der Wagen geriet vom Kurs ab und pflügte durch die Erdbeerfelder. Die mechanischen Pferde dampften.

Im Ares-Wagen bellte Clarisse ihrem Kämpfer einen Befehl zu und der warf sofort ein Tarnnetz über sie. Die Vögel drängten sich darüber zusammen, sie pickten und hackten nach den Händen des Kämpfers, der versuchte, es hochzuhalten, aber Clarisse biss einfach die Zähne zusammen und fuhr weiter. Ihre Pferdeskelette schienen gegen jede Ablenkung immun zu sein. Die Tauben hackten hilflos auf ihre leeren Augenhöhlen ein und flogen durch ihre Rippen, aber die Pferde rannten immer weiter.

Das Publikum kam nicht so glimpflich davon. Die Vögel hackten nach jedem Stück Haut, das sie erwischen konnten, und versetzten alle in Panik. Jetzt, wo ich die Vögel dicht vor mir hatte, war klar, dass es keine normalen Tauben waren. Ihre Augen waren böse und gemein. Ihre Schnäbel waren aus Bronze und offenbar scharf wie Rasierklingen, das verriet das Geschrei des Publikums.

»Stymphalische Vögel«, schrie Annabeth. Sie wurde langsamer und fuhr jetzt neben mir her. »Die werden alle bis auf die Knochen abnagen, wenn wir sie nicht verjagen.«

»Tyson«, sagte ich. »Wir machen kehrt.«

»Falsche Richtung?«, fragte er.

»Immer«, knurrte ich, lenkte den Wagen aber auf die Tribünen zu.

Annabeth blieb dicht neben mir. Sie rief: »Heroen, zu den Waffen!« Aber ich glaubte nicht, dass irgendwer sie im Chaos und durch das Geschrei der Vögel hören konnte.

Ich nahm die Zügel in eine Hand und konnte Springflut ziehen.

Eine Welle aus Vögeln kam mit schnappenden Metallschnäbeln auf mein Gesicht zu. Ich traf sie in der Luft und sie lösten sich zu Staub und Federn auf, aber es waren noch immer Millionen von ihnen übrig. Einer bohrte mir die Krallen in den Rücken und ich wäre fast vom Wagen gefallen.

Annabeth ging es nicht besser. Je näher wir den Tribünen kamen, umso dichter wurde die Wolke aus Vögeln.

Einige Zuschauer versuchten sich zu wehren. Die Athene-Leute schrien nach Schilden. Die Bogenschützen aus der Apollo-Hütte griffen zu Pfeil und Bogen, um die angreifenden Vögel zu töten, aber da so viele Campbewohner zwischen den Vögeln waren, wäre das zu gefährlich gewesen.

»Übermacht«, schrie ich zu Annabeth hinüber. »Was können wir tun?«

Sie stieß mit ihrem Messer nach einer Taube. »Herkules hat es mit Krach geschafft. Messingglocken. Er hat sie mit dem entsetzlichsten Klang verjagt, den er …«

Ihre Augen wurden groß. »Percy … Chirons Sammlung!«

Ich hatte sofort verstanden. »Meinst du, das klappt?«

Sie reichte ihrem Kämpfer die Zügel und sprang von ihrem Wagen auf meinen über, als sei das die leichteste Übung der Welt. »Zum Hauptgebäude. Das ist unsere einzige Chance!«

Clarisse hatte soeben ohne jegliche Konkurrenz die Ziellinie überquert und schien erst jetzt zu bemerken, wie ernst das Vogelproblem war.

Als sie uns wegfahren sah, schrie sie: »Haut ihr ab? Gekämpft wird hier, ihr Feiglinge!«

Sie zog ihr Schwert und stürmte auf die Tribünen zu.

Ich trieb unsere Pferde zum Galopp an. Der Wagen polterte durch die Erdbeerfelder und über das Volleyballgelände, um dann rumpelnd und schlingernd vor dem Hauptgebäude zum Stehen zu kommen. Annabeth und ich stürzten hinein und rannten durch das Foyer zu Chirons Zimmer.

Sein Ghettoblaster stand auf seinem Nachttisch. Zusammen mit seinen Lieblings-CDs.

Ich packte die scheußlichste, die ich finden konnte, Annabeth riss den Ghettoblaster an sich und wir stürzten wieder hinaus.

Auf der Rennstrecke brannten die Wagen. Verwundete Campbewohner rannten in alle Richtungen davon, Vögel zerfetzten ihre Kleider und rissen an ihren Haaren, während Tantalus Frühstücksgebäck über die Tribüne jagte und ab und zu schrie: »Alles ist unter Kontrolle. Keine Sorge!«

Wir hielten vor der Ziellinie. Annabeth brachte den Ghettoblaster in Position. Ich betete, dass die Batterien noch ausreichten, drückte auf »Play« und ließ Chirons Lieblings-CD laufen: All-Time Greatest Hits of Dean Martin. Plötzlich ertönten Geigenklänge und Typen, die auf Italienisch stöhnten.

Die dämonischen Tauben flippten aus. Sie flogen Kreise und griffen sich gegenseitig an, als ob sie sich die Gehirne aus dem Kopf reißen wollten. Dann überließen sie die Rennstrecke ihrem Schicksal und schwirrten als riesige dunkle Welle gen Himmel.

»Jetzt!«, brüllte Annabeth. »Bogenschützen!«

Wenn sie klare Ziele hatten, war an Apollos Bogenschützen nichts auszusetzen. Die meisten von ihnen konnten fünf oder sechs Pfeile auf einmal abschießen. In Minutenschnelle war der Boden bedeckt von Tauben mit Bronzeschnäbeln und die Überlebenden waren nur noch eine ferne Rauchspur am Horizont.

Das Camp war gerettet, aber es bot keinen schönen Anblick. Die meisten Wagen waren total zerstört. Fast alle waren verletzt und bluteten aus Pickwunden. Die Leute aus der Aphrodite-Hütte kreischten, weil ihre Frisuren ruiniert und ihre Kleider bekackt worden waren.

»Bravo!«, sagte Tantalus, aber er sah dabei weder mich noch Annabeth an. »Wir haben unsere erste Siegerin!«

Er marschierte zur Ziellinie und überreichte den goldenen Lorbeerkranz einer verdutzt dreinschauenden Clarisse.

Dann drehte er sich um und lächelte mich an. »Und jetzt werden die beiden Störenfriede bestraft, die dieses Rennen sabotiert haben.«

Ich nehme Geschenke von einem Fremden an

Tantalus war der Ansicht, die Stymphalischen Vögel wären friedlich im Wald geblieben und hätten uns nie im Leben angegriffen, wenn Annabeth, Tyson und ich sie nicht mit unserer miesen Fahrerei genervt hätten. Das war dermaßen unfair, dass ich zu Tantalus sagte, er sollte doch lieber Pfannkuchen jagen, was seine Laune nicht verbesserte. Er bestrafte uns mit Küchendienst – wir mussten den ganzen Nachmittag in der unterirdischen Küche bei den Putz-harpyien Töpfe und Schüsseln scheuern. Die Harpyien spülten mit Lava statt Wasser, um dieses besonders saubere Funkeln hinzukriegen und neunundneunzig Komma neun Prozent aller Bakterien zu killen, deshalb mussten Annabeth und ich Asbestschürzen und -handschuhe tragen.

Tyson machte das alles nichts aus. Er tauchte seine bloßen Hände in die Lava und fing an zu schrubben. Annabeth und ich aber mussten Stunden heißer, gefährlicher Arbeit durchstehen, vor allem, weil es tonnenweise Extrateller gab. Tantalus hatte ein großartiges Bankett bestellt, um Clarisse’ Sieg zu feiern – ein mehrgängiges Festmahl aus gegrillten Stymphalischen Todesvögeln.

Das einzig Gute an dieser Bestrafung war, dass sie Annabeth und mir einen gemeinsamen Feind und jede Menge Zeit zum Reden bescherte. Nachdem ich ihr noch einmal meinen Grover-Traum erzählt hatte, sah sie aus, als wäre sie unter Umständen bereit, mir zu glauben.

»Wenn er es wirklich gefunden hätte«, murmelte sie, »und wenn wir es an uns bringen könnten …«

»Moment mal«, sagte ich. »So wie du dich anhörst, ist das … was immer Grover da gefunden hat, das Einzige auf der ganzen Welt, was das Camp retten könnte. Aber was ist es denn eigentlich?«

»Ich geb dir einen Tipp. Was kriegst du, wenn du einen Widder häutest?«

»Klebrige Hände?«

Sie seufzte. »Ein Vlies. Ein Widderfell wird Vlies genannt. Und wenn dieser Widder zufällig goldene Wolle hat …«

»Das Goldene Vlies. Ist das dein Ernst?«

Annabeth kratzte die Knochen der Totenvögel von einem Teller in die Lava. »Percy, denk an die Grauen Schwestern. Sie haben gesagt, dass sie den Ort kennen, an dem das Ding liegt, das du suchst. Und sie haben Jason erwähnt. Vor dreitausend Jahren haben sie ihm erklärt, wie er das Goldene Vlies finden kann. Du kennst doch die Geschichte von Jason und den Argonauten?«